Wie ich einen Corona-Schweigemarsch erlebte – und was die Medien daraus machten
„Da hilft nur Abstand halten“, schreibt Tobias Zimmermann, wenn rechte Gruppen und Verschwörungstheoretiker Kritik an und Ängste wegen des neuen Impfstoffs „antisemitisch färben“. Wie gut, dass es das Online-Magazin „Sinn und Gesellschaft“ gibt. Da werden solche Leute mit ihren Sprühdosen rausgehalten. Deswegen traue ich mich auch zu antworten.
Ich habe nicht Abstand gehalten. Ich war am 10. Oktober auf einem „Schweigemarsch“ in Berlin dabei. Die vermutlich den „Querdenkern“ nahestehenden privaten Veranstalter hatten darum gebeten, Masken zu tragen, die Abstände einzuhalten und keine Fahnen oder andere Parolen auf Plakaten oder T-Shirts zu tragen. Nur in der ersten Reihe vorne war ein großes Tuch mit dem Text entfaltet: „Wir müssen reden.“
Der Zug ging still und diszipliniert vom Adenauerplatz aus über den Ernst-Reuter-Platz bis hin zum Großen Stern – ich schätze mal: 20.000 Menschen, vielleicht auch mehr. Mir schien: Ein Querschnitt der Gesellschaft.
Bei der Endstation gab es keine Reden, sondern nur große Tonnen, in die man die Masken ordnungsmäßig entsorgen konnte. Vereinzelt waren am Rande Personen mit T-Shirts in Reichskriegsfarben zu sehen, die den Zug beschimpften. Ich sah auch den landesweit bekannten Vegan-Koch, der versuchte, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Er wurde von Kameras umzingelt.
Zum Färben gehören immer zwei: Die, die färben, und die, die sich färben lassen. Es gehören aber auch die Medien dazu: Sie färben mit, je nachdem, auf wen sie die Kameras richten. Über den eindrucksvollen Schweigemarsch, der ohne Zwischenfälle verlief, wurde nirgends berichtet.
Zum Kommentar von Tobias Zimmermann gelangen Sie hier: