HIER SCHREIBT MAX BERGER

Welt aus den Fugen

Trump zerschlägt den Westen – und Europa schaut endlich hin

Es ist ein politischer Horrortrip ohne Notausstieg: Mit der Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus taumelt die Welt in ein Chaos, das selbst Pessimisten überrascht. Während er den Staatsapparat zerschreddert und sich mit Milliardären und Demokratieverächtern umgibt, gehen westliche Bündnisse in Rauch auf. Wer jetzt in Europa noch von „Verlässlichkeit“ der USA träumt, schläft den Schlaf der Ahnungslosen. Der Weckruf ist längst da – und er dröhnt laut aus Washington.

Beim Verfolgen des Weltgeschehens in tagesaktuellen Nachrichtensendungen kann einem momentan so schlecht werden, als säße man in einer Achterbahn Richtung Abgrund. Das innen- und außenpolitische Agieren der Trump-Administration übertrifft die schlimmsten Erwartungen demokratischer Beobachter in einer Geschwindigkeit, mit der kaum Schritt zu halten ist. Gemäß der Methode „Flood the zone with shit“ seines ehemaligen Beraters Steve Bannon hält der US-Präsident die westliche Welt in Schockstarre, sei es per Interview, Kurznachricht auf X oder dem Unterzeichnen zahlloser Dekrete, Richtlinien und Anordnungen.

Ziel dabei ist die Überforderung der Medien und das Verursachen allgemeiner Desorientierung, während in Höchstgeschwindigkeit an einer Umgestaltung des politischen Systems der USA sowie am Verrat von Allianzen, die der „America First“-Doktrin nicht dienlich scheinen, gearbeitet wird.

Reichtum und Macht

In der ersten Reihe der Unterstützer Trumps stehen dabei die Superreichen der Tech-Welt wie z. B. Mark Zuckerberg (Meta) oder Jeff Bezos (amazon), die sich, wie es sich für skrupellose Opportunisten gehört, vor MAGA („Make America Great Again“) in den Staub werfen. Angeführt werden sie vom reichsten Mann der Welt, Elon Musk. Dieser orientiert sich am argentinischen Präsidenten Javier Milei und stutzt mit der Kettensäge (dem faktisch von ihm geleiteten Departement of Government Efficiency – kurz DOGE) den amerikanischen Regierungsapparat zurecht(s). Sein Vorgehen mit fristlosen Entlassungen von Behördenmitarbeitenden, Drohmails an Millionen Regierungsangestellte und dem Kürzen finanzieller Mittel (bekanntestes Beispiel: USAid) ist so radikal wie schädlich. Der US-amerikanische Staat wird in ultraliberaler Manier ausgehöhlt – von einer Person, die nicht gewählt wurde und deren einzige Qualifikation die unbedingte Loyalität gegenüber Trump ist.

Die Folgen davon spürt die ganze Welt.

Verrat und Intrigen

Außenpolitisch ist Trump ohne jegliche Berücksichtigung von Werten auf der Suche nach möglichst bereichernden Deals. Nach J. D. Vance‘ brüskierender Rede bei der Münchner Sicherheitskonferenz konnten wir letzte Woche eine Intrige im weißen Haus beobachten, die ohnegleichen ist: Vor laufender Kamera demütigten Trump und Vance den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und attestierten ihm mangelnden Respekt vor der Hilfe der USA.

In einer Verkehrung der Tatsachen nannte Trump Selenskyj zuvor Diktator und bezichtigte die Ukraine, den Krieg begonnen zu haben. Während europäische Demokraten fassungslos gegenüber dieser Aufkündigung jeglicher Solidarität sind, knallen in Moskau, Peking und Pjöngjang die Korken: Die Autokraten dieser Welt können ihr Glück kaum fassen.

Europa, werde handlungsfähig!

Puh. Diese Entwicklungen müssen erst einmal verdaut werden. Doch die Mägen der Europäer sind gezwungen schnell zu arbeiten.

Auf die über Jahrzehnte gewachsene Partnerschaft zu den USA ist auf unabsehbare Zeit kein Verlass mehr.

Dieser Tatsache müssen sich alle demokratischen politischen Akteure stellen und dieser Tatsache muss nun zügig und tatkräftig begegnet werden.

Eine Aufkündigung der transatlantischen Partnerschaft wäre fahrlässig: Für eine Beendigung des Krieges in der Ukraine sowie für die eigene Verteidigung ist Europa vorerst von den USA abhängig. Die Absicherung eines Waffenstillstandes in der Ukraine können die europäischen Staaten nach Einschätzungen von Militärexperten nicht leisten.

Dem britischen Premier Keir Starmer ist es hoch anzurechnen, dass er zum einen den Draht zum amerikanischen Präsidenten geschickt aufrechterhält und zum anderen mit seinem Ukraine-Gipfel in London den Rahmen zur Formung einer europäischen „Koalition der Willigen“ geboten hat. Dieser Koalition zur Ausarbeitung eines Waffenruhe-Plans schloss sich der französische Präsident Emmanuel Macron, der schon lange für mehr europäische Eigenständigkeit streitet, gerne an. Weitere europäische Staaten werden, nein müssen, folgen. Darunter auch Deutschland.

Langfristig muss Europa eine eigenständige (also von den USA unabhängige) Sicherheitsstruktur aufbauen. Auch diesbezüglich sendeten die Teilnehmenden des Ukraine-Gipfels ein starkes Signal. Europa, so der polnische Ministerpräsident Donald Tusk, ist aufgewacht. Gut so.


Max Berger

hat in München und Heidelberg Politikwissenschaft und Geschichte studiert. Dabei beschäftigte er sich vor allem mit politik-theoretischen Fragen nach Gerechtigkeit, Demokratie und gelingender Partizipation. Heute ist er in der politischen Bildung aktiv und denkt mit Jugendlichen über die Politik in der Republik nach. In seiner Freizeit kann er ab und zu beim Joggen durch die Weinberge beobachtet werden, öfter trifft er jedoch Freunde zu geselligen Brettspielrunden.

Weiterlesen

Pirmin Spiegel

Zuversicht in schwierigen Zeiten

Für Pirmin Spiegel ist klar: Wir stehen inmitten einer zivilisatorischen Herausforderung. Trotz aller Krisen gibt es aber weltweit Menschen, die Veränderung leben und Hoffnung geben. Ihr Engagement zeigt: Wandel ist möglich – wenn wir bereit sind zu handeln.

weiter
Kerstin Hofmann

Elterntaxi – muss das sein?

Sind das alles „Helikoptereltern?“ Oder gibt es vielleicht noch andere Gründe, warum Eltern ihre Kinder mit dem Auto am liebsten bis auf den Schulhof bringen würden?

weiter
Grillmeyer

Die schreckliche Fratze des Egoismus

Trump hat per Dekret sämtliche Entwicklungs- und Nothilfeprojekte der USA gestoppt. Für Siegfried Grillmeyer ist das ganz klar ein Angriff auf Menschlichkeit und Solidarität. Ein Weckruf, sich dieser Kaltherzigkeit entgegenzustellen.

weiter