Klaus Mertes SJ Kolumne

MERTES’ MEINUNG

Schwerter zu Pflugscharen schmieden

Warum uns die Friedensvision des Propheten Jesaja auch im Krieg in der Ukraine Hoffnung schenkt

Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern, und Winzermessern aus ihren Lanzen.“ Schwerter zu Pflugscharen, das war das Hoffnungsbild in Zeiten des Kalten Krieges. Jetzt ist wieder Krieg in Europa. Heißer Krieg. Der russische Angriff auf die Ukraine trifft ganz Europa. Er trifft Kinder, Frauen und Männer in den Städten und Dörfern der Ukraine, er löst in Polen, Litauen, Estland und Lettland und in anderen Ländern große Angst aus. Er löst Flüchtlingsströme aus. Menschen werden auch zu uns nach Deutschland fliehen.

„Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen.“

Wann ist dieses „Dann“? Gibt es eine Hoffnung auf dieses „dann“? Man muss das Bild von den umgeschmiedeten Schwertern und Lanzen in den Zusammenhang stellen. Dann versteht man die Hoffnung, die es sogar mitten im Krieg ausstrahlt.  Lesen Sie mit mir den Text, und lesen Sie ihn mit mir als Hoffnungstext mitten im Krieg, vielleicht, wenn Sie können, sogar als Gebet.

„Am Ende der Tage wird es geschehen. Der Berg mit dem Haus des Herrn steht fest gegründet als höchster der Berge. Er überragt alle Hügel. Zu ihm strömen alle Völker“:

Ukrainer, Russen, Polen, Deutsche, Kasachstaner, die Völker des Nahen und Mittleren Ostens, kurz: alle Völker.

„Sie sagen: kommt wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn, und zum Haus des Gottes Jakobs. Er zeige uns seine Wege. Er spricht Recht im Streit der Völker.“

„Er zeige uns seine Wege“. Er zeige uns allen, was recht ist und was unrecht. Er zeige uns, wie wir zueinander finden können. Er zeige uns, was uns bedroht und was uns nicht bedroht. Er zeige uns, woran wir Gewalttäter erkennen und wie wir Völker vor ihnen schützen können. Er zeige uns, wie wir uns auf rechte Weise für alle einsetzen können, die unter dem Krieg leiden, auch für die, die zu uns fliehen werden. Er zeige uns, wie aus uns von Konsumenten von Kriegsnachrichten Arbeiterinnen und Arbeiter für den Frieden werden können.

„Dann“ – also, wenn der HERR uns seine Wege gezeigt hat und recht gesprochen hat –, „dann“ schmieden sie Schwerter zu Pflugscharen. Ja, dann.

Frieden ist mehr als nur Schweigen der Waffen

Die Hoffnung für den Frieden gründet im Recht, in unserer Erkenntnis für das Recht. Eine Erkenntnis, die uns verwandelt. Eine Erkenntnis, die wir nicht selbstherrlich vor uns herausposaunen, sondern die wir demütig und zugleich entschlossen annehmen. Frieden ist mehr als nur Schweigen der Waffen. Viele hoffen in diesen Tagen darauf, dass die Waffen bald schweigen. Doch es gibt noch mehr, worauf zu hoffen ist. Frieden ist Frucht der Gerechtigkeit. Der biblische Text spricht vom Frieden, der im Recht gründet. Die Hoffnung auf solchen Frieden soll nicht erlöschen. Resignation vor Gewalt und Unrecht wäre das letzte, was ein konstruktiver Beitrag zum Frieden wäre. 


Klaus Mertes

Als Klaus Mertes, geb. 1954, noch nicht wusste, dass er eines Tages Jesuit, Lehrer und Kollegsdirektor werden sollte, hatte er eigentlich zwei Berufswünsche: Entweder in die Politik gehen und Reden halten, oder an die Oper gehen und als Tristan in Isoldes Armen sterben. Rückblickend lässt sich sagen: Als katholischer Priester kann man beides gut kombinieren: Öffentlich reden und öffentlich singen. Die Jugendlichen, die Eltern, die Kolleginnen und Kollegen in den Schulen und alles, was so im Lebensraum Schule und Internat anfallen kann, halfen ihm, vor den großen Fragen nicht zurückzuschrecken und zugleich bei den Antworten nach Möglichkeit nicht abzuheben. Seit Sommer 2020 hat er den Schuldienst nun verlassen und ist seitdem vor allem publizistisch und seelsorglich in Berlin tätig.

Foto: Wolfgang Stahl

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