Klaus Mertes SJ Kolumne

MERTES’ MEINUNG

Mobbing und kein Datenschutz

Homeschooling ist auch nicht das Gelbe vom Ei

Eine Mutter berichtet mir, auf welche Weise ihr cleverer pubertierender Sohn am Online-Unterricht teilnimmt. Einerseits ist er brav im virtuellen Classroom präsent, andererseits betreibt er Parallelschaltungen, auf denen er mit Mitschülern munter Online-Spiele spielt und über das Geschehen im virtuellen Classroom lautstark ablästert. Die Lehrerinnen und Lehrer haben keine technische Möglichkeit, das zu hören oder gar zu kontrollieren.

Das ist nur die harmlose Variante eines Problems mit dem Fernunterricht, das sich mehr und mehr zeigt. Fremde beschaffen sich Zugang zu den digitalen Unterrichtgruppen und pöbeln die Lehrenden und Lernenden an. Im Internet sind Anleitungen zu finden, wie man das anstellen kann. Jugendliche stellen unvorteilhafte Bilder von Mitschülern ins Netz, eine wunderbare neue Gelegenheit für Mobbing aller Art. Andere laden ganze Ausschnitte aus dem Unterricht auf Tiktok oder Youtube hoch. Wieder andere geben Links weiter, um klassenfremde Personen in den Unterricht „einzuladen“.

In einigen Bundesländer gelingt es Eindringlingen, Lehrer auszusperren und den Jugendlichen nicht-jugendfreie Bilder zu zeigen.

Was das alles für den Datenschutz bedeutet, ist offen. Microsoft und Zoom lassen ihre Daten jedenfalls in den USA verarbeiten. Dort sind die Datenschutzstandards niedriger als in Europa. In der Abwägung zwischen Datenschutz und notwendigem Online-Unterricht in Lockdown-Zeiten drücken allerdings auch in Europa die Datenschutzbeauftragten gerne das Auge eher zu Ungunsten des Datenschutzes zu. Die Elternschaft ist in dieser Frage ohnehin gespalten.

Digitalisierung der Schulen als Geschäftsmodell

Ob alle diese Probleme technisch lösbar sind? Ich weiß es nicht. Aber ich bin misstrauisch, wenn ich sehe, wie die großen Konzerne den Lockdown nutzen, um die Schulen mit Angeboten zu überschwemmen. Das hat mir ohnehin schon immer Bauchschmerzen bei der ganzen Digitalisierungsdebatte der letzten Jahre bereitet. Denn es ist doch klar: Die ganze Schuldigitalisierung ist auch ein riesiges Geschäft. Und wenn ich so schaue, welche Stiftungen da seit Jahren führend die Bundesregierung beraten, wird mir ziemlich schummrig. Jedenfalls ist all das ein weiterer Grund, warum wir möglichst schnell wieder in den normalen Präsenzunterricht zurückkehren sollten.


Klaus Mertes

Als Klaus Mertes, geb. 1954, noch nicht wusste, dass er eines Tages Jesuit, Lehrer und Kollegsdirektor werden sollte, hatte er eigentlich zwei Berufswünsche: Entweder in die Politik gehen und Reden halten, oder an die Oper gehen und als Tristan in Isoldes Armen sterben. Rückblickend lässt sich sagen: Als katholischer Priester kann man beides gut kombinieren: Öffentlich reden und öffentlich singen. Die Jugendlichen, die Eltern, die Kolleginnen und Kollegen in den Schulen und alles, was so im Lebensraum Schule und Internat anfallen kann, halfen ihm, vor den großen Fragen nicht zurückzuschrecken und zugleich bei den Antworten nach Möglichkeit nicht abzuheben. Seit Sommer 2020 hat er den Schuldienst nun verlassen und ist seitdem vor allem publizistisch und seelsorglich in Berlin tätig.

Foto: Wolfgang Stahl

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