Demokratie verteidigen – im Großen und erst recht im Kleinen!
Kennen Sie das Gefühl, für einen Moment einfach sprachlos zu sein? Ganz sicher! Und wenn man kurz darüber nachdenkt, dann gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie es einem die Sprache verschlägt: Wenn wir mit einem Vorgang überhaupt nicht gerechnet haben, wenn wir eine Sache einfach nicht einordnen können und vor allem, wenn wir schlichtweg nicht glauben wollen, dass etwas geschieht, was doch eigentlich nicht geschehen darf. Und neben der ganz akuten Sprachlosigkeit, wenn einem sozusagen der Mund offenstehen bleibt voller Erstaunen oder Erschütterung, gibt es auch das allmähliche Verstummen. Man möchte noch was sagen, aber allmählich bleibt noch ein Stammeln oder am Ende ein resignierendes Kopfschütteln.
Offen gestanden bin ich aufgrund der Wahlergebnisse in Thüringen und Sachsen immer noch sprachlos! Auch wenn schon wieder einige Tage vergangen sind, fällt es mir immer noch schwer, mich aus dieser Sprachlosigkeit zu befreien. Denn natürlich waren die Wahlergebnisse und damit das erschreckend hohe Abschneiden der AFD vorhersehbar. Und dennoch wollte ich es nicht glauben. Denn bei allen Wahlanalysen und auch bei konkreten Interviews ist deutlich geworden: Das war nun wirklich keine Protestwahl mehr, sondern auf breiter Ebene eine Zustimmung zu den Grundsätzen dieser Partei.
Und bei allem Verständnis, dass man immer wieder auch das Gespräch suchen muss, dass man berechtigte Kritik an mancher politischen Entwicklung nachvollziehen müsse, bleibt dennoch die mittlerweile überdeutliche Klarheit:
Hier wird eine Partei gewählt, die sich gegen die gleiche Würde und gleiche Rechte für alle Menschen wendet, die eine höhere Wertigkeit von einzelnen Menschengruppen und ihren Interessen gegenüber anderen klar verteidigt und die auch schlichtweg dafür ist, jegliche Verantwortung für einmal geschehenes Unrecht, für Gewalt und Krieg abzulehnen.
Die Zeit der Stille und des Verständnisses ist vorbei
Wenn jemand ein Mittel gegen meine Sprachlosigkeit hat, dann freue ich mich auf seinen Zuruf! Im Moment bin ich allerdings überzeugt, dass die Zeit der Stille und des Verständnisses vorbei ist. Es braucht einen demokratischen Nahkampf! Was ich damit meine: Das ist die permanente Überwindung der Sprachlosigkeit, wenn im nächsten Umfeld, eben beim Bier, unter Arbeitskollegen, aber auch im engsten Familienkreise jemand Menschenverachtendes und Ausgrenzendes sagt, das nah an diese Ideologie heranreicht, dann reicht kein Kopfschütteln mehr und es gibt keine Entschuldigung für die Sprachlosigkeit.
Wir müssen diesen verachtenden Überzeugungen entgegentreten. So komplex und schwierig Politik ist und damit die Herausforderungen dieser Welt, auch im Bereich Migration, gerechter Verteilung von Reichtum, Unterstützung und Teilhabe – es darf keine Ausgrenzung von Menschen geben, keinen Antisemitismus, keinen Rassismus. Auch wenn wir den rechten Augenblick für ein „Wehret den Anfängen“ in größeren Zusammenhängen schon verpasst haben, so müssen wir jetzt erst recht eintreten im kleinen Kreis. Da fängt es an und da kann es vielleicht noch verändert werden.