Klaus Mertes SJ Kolumne

Mertes’ Meinung

Jungs-Union

Warum die Junge Union ihren Jungen-Narzissmus ablegen sollte

Nach jahrelangen Überlegungen hat die CDU auf ihrem Parteitag jetzt eine Frauenquote beschlossen. Ab 2023 müssen damit bei Vorständen ab der Kreisebene ein Drittel der Posten mit Frauen besetzt werden. Klaus Mertes unterstützt die Frauenquote, weil sie »Männerbünden« in der Jungen Union etwas entgegensetzt.

Am vorletzten Wochenende beschloss die CDU auf ihrem Parteitag in Hannover die schrittweise Einführung der Frauenquote. Zuvor gab es eine kontroverse, vor allem auch unter den Rederinnen kontrovers geführte Debatte. Viele Kommentare äußerten sich tags darauf zu dem Beschluss nach dem Motto: „Dass die darüber überhaupt noch diskutieren müssen.“ Hmm.

Ich horche inzwischen immer auf, wenn sich diese Sorte von Verwunderung meldet, Verwunderung oder Befremdung über die bloße Tatsache, dass ein bestimmtes Thema „noch“ diskutiert wird.

Dieses „noch“ kann in die Irre führen, es kann denkfaul machen, es kann die Ohren verstopfen, wo es vielleicht doch etwas Neues zu hören wäre.

Ich finde jedenfalls, dass es die Argumente beider Seiten wert waren und sind, gehört und bedacht zu werden.

Frauenverachtung überschreitet eine Grenze

Was nicht geht, ist etwas anderes: offene Frauenverachtung. Sie wurde, wie mir ein Teilnehmer am Hannoveraner Parteitag erzählte, am Verhalten der „Jungs-Union“ deutlich, also am Verhalten männlicher Jungen in der Union, die aus der Debatte einen Kampf Männer gegen Frauen machten. Sie johlten aus dem Raum gegen die Quotenbefürworterinnen. Sie klopften sich begeistert auf die Schenkel, wenn Quotengegnerinnen ihre Argumente vorne vortrugen.

In der aufgeladenen Atmosphäre trauten sich (bis auf den Parteivorsitzenden und zwei Ministerpräsidenten) Männer nicht vor, um für die Quote zu plädieren. Die männlichen Quotengegner hingegen ließen Frauen in ihrem Sinne reden und hielten sich ansonsten zurück.

Neigung zum Jungen-Narzissmus

Mein Sinneswandel zur Frauenquote liegt einige Jahre zurück, als ich in meiner Eigenschaft als Pädagoge begriff, dass es offensichtlich die pubertätsspezifische Neigung zu einem Jungen-Narzissmus gibt, der die Ausgrenzung von Mädchen impliziert, gerade auch wenn es um Macht- und Geltungsansprüche in der Gruppe, im Internat, in der Schule geht. Diese Macht ist nicht zu unterschätzen.

Und es ist auch nicht zu unterschätzen, wie lange Männer Jungs bleiben und bleiben wollen – weil das zum Beispiel so ein tolles Zusammengehörigkeitsgefühl ist, bei dem man „wie früher“ miteinander saufen, johlen, Stimmung machen und die Sau raulassen kann. Mädchen bzw. Frauen sind da eher als Publikum oder als schmückenden Beiwerk zugelassen.

Solche „bündischen“ Strukturen brauchen eine Gegenmacht, damit sie nicht bestimmend werden. Die Frauenquote ist ein Machtinstrument, das dem narzisstischen Jungenbund effektiv etwas entgegensetzt.

Es geht eben um Macht. Und wenn es um Macht geht, dann wird es ernst. Die Junge Union sollte mal anfangen, über die Jungs-Union nachzudenken.


Klaus Mertes

Als Klaus Mertes, geb. 1954, noch nicht wusste, dass er eines Tages Jesuit, Lehrer und Kollegsdirektor werden sollte, hatte er eigentlich zwei Berufswünsche: Entweder in die Politik gehen und Reden halten, oder an die Oper gehen und als Tristan in Isoldes Armen sterben. Rückblickend lässt sich sagen: Als katholischer Priester kann man beides gut kombinieren: Öffentlich reden und öffentlich singen. Die Jugendlichen, die Eltern, die Kolleginnen und Kollegen in den Schulen und alles, was so im Lebensraum Schule und Internat anfallen kann, halfen ihm, vor den großen Fragen nicht zurückzuschrecken und zugleich bei den Antworten nach Möglichkeit nicht abzuheben. Seit Sommer 2020 hat er den Schuldienst nun verlassen und ist seitdem vor allem publizistisch und seelsorglich in Berlin tätig.

Foto: Wolfgang Stahl

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