Wenn Menschlichkeit zum Wahnsinn erklärt wird
Neulich ließ ich die Tageszeitung sinken und war wirklich ganz kurz den Tränen nah, gleichermaßen aus Wut und Traurigkeit. Das Erschrecken über Trump hat sich für mich in einer einzigen Entscheidung verdichtet. Es handelt sich dabei nicht um die Ankündigung, notfalls mit Gewalt Grönland zu erwerben, den Panamakanal zu kontrollieren, das Klimaschutzprotokoll wieder zu verlassen, Einwohner ohne Papiere zu deportieren und was sonst noch in den ersten Tagen bereits an Unvorstellbarem aus dem Weißen Haus kam.
Es war die Entscheidung, handstreichartig per Dekret die gesamten Entwicklungs- und Nothilfeprojekte mit sofortiger Wirkung einzustellen. USAid half bisher weltweit bei Hunger, Krankheiten und Armut. Und mir war völlig klar: Diese Entscheidung bedeutet schlichtweg den Tod von Menschen! Denn auch wenn Gerichte dieses Dekret wieder aufheben sollten, dann wird Zeit vergangen sein, in denen die Lieferung von Lebensmitteln und Medikamenten an Menschen ausgeblieben ist, die sowieso schon ein sehr fragiles und gefährdetes Leben führen und an der Grenze von Leben und Tod stehen.
Unklar, ob und wie es mit USAid weitergeht
USAid war als amerikanische Entwicklungshilfebehörde ein verlässlicher Partner an der Seite der Armen und Notleidenden mit rund 10.000 Mitarbeitenden in 120 Ländern und einem Budget von rund 50 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr. Und nun wurde alles gestoppt, Mitarbeitende wurden entlassen. Ob und wie es überhaupt mit Unterstützungsmaßnahmen weitergehen soll, liegt nach Außenminister Marco Rubio an der Überprüfung, ob sie mit der Amerika-First Agenda übereinstimmen. Das Außenministerium erklärte: „Die Überprüfung und Neuausrichtung der Auslandshilfe im Namen der hart arbeitenden Steuerzahler ist nicht nur richtig, sondern ein moralisches Gebot.“
Nun gilt es nicht, mit dem Finger auf Amerika zu zeigen, denn auch in Europa, auch in Deutschland wurde gefordert, die humanitäre Hilfe zu kürzen. Die einstmals von allen Industrienationen vereinbarten Hilfszahlungen von 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts wird derzeit von fast niemandem erreicht. Deutschland ist dabei mit rund 30 Millionen Euro bisher eine Ausnahme. Man redet vielmehr über den Militäretat und dessen Erhöhung auf mindestens 2 bzw. 3,5 %, was in Amerika ungefähr den kontinuierlich gestiegen Militärausgaben von über 900 Milliarden Dollar pro Jahr entspricht.
Jegliche Form menschlicher Solidarität aufgekündigt
Wer die Hilfe für Notleidende beendet, um den eigenen Wohlstand zu sichern, wer Menschen verhungern lässt, um den eigenen Reichtum zu sichern, der hat jegliche Form der menschlichen Solidarität aufgekündigt. Die letzte Maske der nötigen Staatsräson, der Maske von Gründen, Notwendigkeiten gegenüber dem Sachzwang wird abgelegt und so zeigt sich die hässliche Fratze des puren Egoismus.
Trump hatte gesagt, die Entwicklungshilfebehörde werde von „radikalen Verrückten“ geleitet. Offenbar ist es für manche verrückt, sich für Leben, für menschliche Würde und damit Solidarität einzusetzen. Daher wird es Zeit, sich laut diesen Verrückten anzuschließen und ganz radikal dieser anderen Radikalität zu widersprechen.