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Zusammenleben  

Wie geht es den Frauen?

Geschlechtergerechtigkeit in der Entwicklungszusammenarbeit

Von ihrer Empfängnis bis zu ihrem Tod sind Frauen und Mädchen auf der ganzen Welt mit unzähligen Herausforderungen konfrontiert und müssen wegen ihres Geschlechts mit vielerlei Ungerechtigkeiten zurechtkommen. Darunter fallen sowohl unbezahlte Haus- und Care-Arbeit, unzureichende medizinische und sanitäre Versorgung als auch verschiedene Arten von Gewalt im privaten wie im öffentlichen Raum.

Seit meiner Jugend erlebe ich – als Zeugin, aber auch als direkt Betroffene –, dass Frauen in der Öffentlichkeit und bei der Arbeit ständig schlecht behandelt werden, was die Gesellschaft ganz normal zu finden scheint. Manchmal gibt sie sogar den Frauen die Schuld dafür. Das schmerzt mich, weil es zahlreiche juristische, moralische, religiöse und sogar wirtschaftliche Gründe gibt, weshalb sichergestellt werden sollte, dass alle die gleichen Rechte haben.

Geschlechtsspezifische Vorurteile sind weltweit tief in unseren sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen, religiösen und politischen Institutionen verwurzelt. Das ist ein globales Problem, aber die Frauen in Entwicklungsländern leiden ganz besonders darunter.

Die aktuelle Situation der Frauen

Laut dem Europäischen Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE) erzielte die Europäische Union (EU) 2022 im Gleichstellungsindex 68,6 von insgesamt 100 möglichen Punkten (EIGE). Aus einem Bericht des McKinsey Instituts von 2022 geht hervor, dass es in Mittel- und Osteuropa bei Führungspositionen, unbezahlter Arbeit, rechtlichem Schutz und politischer Vertretung die stärksten geschlechtsspezifischen Ungleichheiten gibt. Der Bericht zeigt auf, dass in dieser Region nur acht Prozent der Unternehmen von Frauen geführt werden und in 44 Prozent der großen Unternehmen keine einzige Frau eine leitende Funktion bekleidet. Und das, obwohl 60 Prozent der Hochschulabsolvent*innen in Mittel- und Osteuropa weiblich sind.

In vielen Entwicklungsländern, in denen Landwirtschaft die vorherrschende Wirtschaftstätigkeit darstellt, und insbesondere in den Ländern, in denen es hauptsächlich kleinbäuerliche Betriebe gibt, sind Frauen in hohem Maße entrechtet. 85 Prozent der Grundbesitzer landwirtschaftlicher Nutzflächen sind Männer (SIGI). In Kenia sind nur ein Prozent der Landtitel auf Frauen ausgestellt und fünf Prozent auf Frauen und Männer gemeinsam (IGAD). In Anbetracht der Tatsache, dass Frauen 80 Prozent der Arbeit in der Subsistenzlandwirtschaft und 70 Prozent der Arbeit im Anbau von Marktfrüchten (Cash Crops) erbringen, sind diese Zahlen sehr niedrig (IGAD).

Geschlechtergleichstellung – ein Nachhaltigkeitsziel der UN

Mit dem Nachhaltigkeitsziel 5 haben es sich die Vereinten Nationen (UN) zum Ziel gesetzt, Geschlechtergleichstellung zu erreichen und alle Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung zu befähigen. Die Zielvorgabe 5.a sieht zudem vor, „Reformen durch[zu]führen, um Frauen die gleichen Rechte auf wirtschaftliche Ressourcen sowie Zugang zu Grundeigentum und zur Verfügungsgewalt über Grund und Boden und sonstige Vermögensformen, zu Finanzdienstleistungen, Erbschaften und natürlichen Ressourcen zu verschaffen, im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften.“ Die aktuelle Situation der Frauen zeigt jedoch, dass die Realität eine ganz andere ist. Laut einem SDG Statusbericht von UN Women verdienen von Frauen geführte kleinbäuerliche Haushalte durchschnittlich 30 Prozent weniger als von Männern geführte Haushalte.

Durch die Coronapandemie hat sich der Status von vielen Frauen und Mädchen noch weiter verschlechtert. In Afrika sind viele Mädchen nach den Lockdowns nicht wieder in die Schulen zurückgekehrt und die Anzahl der Fälle von geschlechtsspezifischer Gewalt hat sich drastisch erhöht. Aus einem Bericht der UN Women aus dem Jahr 2021 geht hervor, dass jede zweite Frau berichtete, dass entweder sie selbst oder eine Bekannte seit Beginn der Pandemie Gewalt erfahren habe.

Warum der Beitrag von Frauen zählt

Die Gleichberechtigung von Frauen ist in erster Linie wichtig, damit sie ein zufriedenes und selbstbestimmtes Leben führen können. Sie sollten die Freiheit und die Möglichkeit haben, über ihr eigenes Leben fundierte Entscheidungen zu treffen.

Solange Frauen nicht gleichberechtigt an Gesellschaft und Wirtschaftsleben teilhaben, bleibt eine nachhaltige Entwicklung unerreichbar. Laut einem Bericht des McKinsey Instituts über Mittel- und Osteuropa könnte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in der Region um acht Prozent steigen, wenn mehr unternommen würde, um die Gender-Gap zu schließen. Das entspricht bis zu 146 Mio. Euro an jährlichem BIP bis 2030. Gleiches gilt für Afrika, das bis 2025 ein um 316 Milliarden US-Dollar bzw. um zehn Prozent höheres BIP erwirtschaften könnte. Das zeigt noch einmal überdeutlich, wie sehr Geschlechterungleichheiten den wirtschaftlichen Fortschritt bremsen. Schätzungen zufolge dauert es bei der derzeitigen Geschwindigkeit noch weitere 142 Jahre, bis Geschlechterparität erreicht ist!

Fazit

Es gibt viele regionale und lokale Institutionen und Gesetze, die Geschlechtergerechtigkeit und die Situation von Frauen fördern sollen. Beispiele dafür sind die Kommission der Vereinten Nationen zur Rechtsstellung der Frau und die Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, die von vielen Staaten unterzeichnet wurde.

Jetzt fehlt nur noch der letzte Schritt – dass Staaten die Umsetzung dieses Rechtsrahmens verbindlich zu sichern und ihn in nationales Recht überführen, um sicherzustellen, dass Frauenrechte eingehalten werden und Geschlechterparität erreicht wird.

Daher sind jetzt wir gefragt, uns für Gleichberechtigung starkzumachen. Frauen haben bewiesen, dass sie Wandel und Entwicklung überall auf der Welt vorantreiben können. Wie viel mehr würden sie wohl zu nachhaltiger Entwicklung beitragen, wenn sie die gleichen Rechte und Möglichkeiten wie Männer hätten.


Hellen Mugo

Hellen Mugo arbeitet als Süd-Fachkraft in der Misereor-Abteilung für Bildung und Pastoral, im Team der Fastenaktion. Die Beraterin für Umwelt- und Klimaschutz und nachhaltige Energie setzt sich für die Teilhabe von Frauen an der Entwicklung und für die Gleichstellung von Menschen aller Geschlechter ein. Sie hat Wirtschaftswissenschaften und anschließend Gender und Entwicklung studiert. Hellen Mugo verfügt über frühere Arbeitserfahrungen in den Bereichen Klimawandel und Nachhaltigkeit sowie über Lehr- und Forschungserfahrungen zu einer Vielzahl von Themen wie Unternehmertum, Gleichstellung der Geschlechter und ökologische Nachhaltigkeit. Sie stammt ursprünglich aus Kenia und lebt derzeit in Aachen.

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