Sinn ohne Arbeit
Eine uralte Sehnsucht, eine Art paradiesischer Traum ist es, frei zu sein von Arbeit. Glück und Sinn liegen dann jenseits der Arbeit. Irgendwo in der Muße, im Feierabend, im Wochenende, im Urlaub oder in der Rente. Hier ist die Erwerbs-Arbeit ein notwendiges Übel der Existenzsicherung. In der Regel muss man arbeiten, um sich sein Brot zu verdienen.
Sinn durch Arbeit
Andererseits ist Arbeitslosigkeit auch kein rosiges Versprechen geglückten Lebens. Denn Arbeit gibt nicht nur Einkommen, sondern strukturiert auch Zeit, sie gewährt soziale Kontakte und erlaubt, je mehr sie als sinnvoll und selbstbestimmt erlebt wird, die Erfahrung von Freude, Kreativität und Zufriedenheit.
Sinn in der Arbeit
Die Arbeit ist dann selbst ein Sinnraum, wenn ich unter gesunden Bedingungen Einfluss auf sie habe. Macht muss geteilt werden. Transparenz, Beteiligung, rechtzeitige Informationen, gute Kommunikationsbedingungen, eine lebendige Feedbackkultur, Lern- und Entwicklungschancen sind ein paar Beispiele hierfür. In einem guten Team mit einer Führungskraft, die Management und Leadership beherrscht, kann ein Mitarbeiter aufblühen.
Work-Life-Balance
Arbeit ist nicht alles. Dann wäre sie eher, wie das Wort „workaholic“ nahelegt, krankhafte Sucht, die das Leben verengt und sinnärmer macht. Die Fülle des Lebens in Spiel, Hobby, Familie, sozialem Engagement, Kultur, Spiritualität usw. zu erleben, gehört zum Sinnreichtum des Menschen.
Bereits das benediktinische „ora et labora“ (bete und arbeite) hat auf diese Begrenzung der Arbeit geachtet.
Krise und Digitalisierung
Mit der digitalen Transformation verbindet sich die Prognose, dass Arbeit immer mehr von intelligenten Maschinen übernommen wird. Menschen arbeiten vermehrt im „home office“. Insgesamt verwandeln wir uns allmählich in eine „Tätigkeitsgesellschaft“, die neben der klassischen und neuen Erwerbsarbeit viel Zeit, Raum und Anerkennung für andere volkswirtschaftlich bedeutsame Arbeit etwa in der Familie, im Ehrenamt, in der Nachbarschaftshilfe oder der Selbstbildung möglich macht. Die neue Erwerbsarbeit erfordert neue Sinnanstrengungen. Zwei Beispiele: Im „home office“ verliert die Arbeit ihre räumlichen und zeitlichen Konturen, so das Arbeitswelt und private Welt verschwimmen. Und diejenigen, die unter digitalen Bedingungen arbeiten, brauchen neue Qualifikationen, um dem technologischen „skill shift“ der digitalen Anforderungen zu entsprechen.
Ein letzter Punkt, der durch die Corona-Krise besonders deutlich geworden ist:
Wir brauchen Kontakt und Kommunikation mit anderen. Da wir leiblich-sinnliche Wesen sind, sind wir unzufrieden, wenn die Begegnung nur noch oder überwiegend virtuell geschieht.
Wir wollen miteinander arbeiten und brauchen dabei die leibliche, wirkliche Präsenz des anderen. Sinn ist eben auch wesentlich erlebter, leiblich gespürter Gemeinschafts-Sinn.
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Dieser Text ist zuerst im IHK-Magazin Pfalz 9/10 2020 erschienen.