Zusammenleben  

Toxische Beziehungen

Gewalt erkennen, vermeiden und helfen

Seit 1981 ist der 25. November, der Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, ein Datum des Gedenkens und des Handelns. Die Orange Days verlängern diesen Gedanken um 16 Tage, um aufzuklären, Solidarität zu fördern und eine gewaltfreie Zukunft zu fordern. Die Farbe Orange symbolisiert Hoffnung und den gemeinsamen Willen zur Veränderung.

Denn die Zahlen sind alarmierend: Laut dem Bundeskriminalamt wurden allein 2023 in Deutschland 256.276 Menschen Opfer häuslicher Gewalt – 70 Prozent von ihnen Frauen. Die Dunkelziffer liegt vermutlich noch höher. Häufig beginnt diese Gewalt in Beziehungen, die als „toxisch“ bezeichnet werden. Aber was macht solche Beziehungen aus?

Toxische Beziehungen: Was steckt dahinter?

Der Begriff toxische Beziehung ist kein klinischer Fachausdruck, sondern entstammt der Popkultur. Er beschreibt Partnerschaften, die von schädlichen Dynamiken geprägt sind, oft subtil beginnend und mit weitreichenden Konsequenzen für die Betroffenen. Diplom-Psychologin Stephanie Kneuper bringt es auf den Punkt: „Eine Beziehung sollte ein sicherer Ort sein. Wenn man jedoch spürt, dass etwas nicht stimmt, ist das oft ein erstes Anzeichen dafür, dass eine toxische Dynamik vorliegt.“

Toxische Beziehungen können jede und jeden treffen, unabhängig von Geschlecht, Alter oder sozialem Hintergrund.

Doch was genau kennzeichnet sie?

Merkmale toxischer Beziehungen

Solche Beziehungen basieren auf destruktiven Mustern, die die emotionale Kontrolle und Abhängigkeit einer Person zum Ziel haben. Zu den häufigsten Merkmalen gehören:

  • Manipulation: Ein Partner übt Kontrolle aus, indem er Schuldgefühle erzeugt oder die Realität verdreht.
  • Gaslighting: Dabei wird das Opfer bewusst verunsichert, indem seine Wahrnehmung infrage gestellt wird.
  • Isolation: Freunde und Familie werden systematisch auf Distanz gehalten, um die Abhängigkeit zu verstärken.
  • Gewalt: Ob emotional, psychisch oder körperlich – Gewalt bleibt eine erschreckend häufige Komponente.

Diese Verhaltensweisen haben tiefgreifende Auswirkungen. Sie schwächen das Selbstwertgefühl, destabilisieren die Psyche und können Betroffene sogar körperlich gefährden.

Warum Betroffene häufig bleiben

Der Ausstieg aus einer toxischen Beziehung gestaltet sich oft schwierig. Scham, Angst und die Hoffnung, dass sich die Dinge verbessern könnten, halten viele Betroffene in der Beziehung. „Schädliche Muster ähneln oft Suchtmechanismen“, erklärt Stephanie Kneuper. „Das ständige Wechselspiel zwischen Auf und Ab aktiviert das Belohnungssystem im Gehirn und macht emotional abhängig.“

Hinzu kommt, dass Betroffene oft die gesamte Verantwortung für die Beziehung übernehmen und ihre eigenen Bedürfnisse unterdrücken. Diese Dynamiken können über Jahre bestehen bleiben, bevor Hilfe gesucht wird – falls überhaupt.

Was kann man tun?

Der erste Schritt, so Kneuper, ist das Wahrnehmen und Ernstnehmen der eigenen Gefühle. „Sich selbst zu glauben und anzuerkennen, dass etwas nicht stimmt, ist essenziell.“ Oft hilft es, mit vertrauenswürdigen Personen über die Situation zu sprechen – sei es im Freundeskreis oder bei Beratungsstellen.

Institutionen wie die Caritas, Diakonie oder Frauenhäuser bieten konkrete Unterstützung an. Auch die Polizei kann helfen. Viele Polizeidienststellen verfügen über Opferschutzbeauftragte, die diskret und vertraulich beraten.

Wichtig ist außerdem eine umfassende Unterstützung bei praktischen Fragen, wie finanzieller Absicherung, juristischen Belangen oder der Organisation von Wohnraum. Besonders, wenn Kinder betroffen sind, braucht es klare Strategien und ein sicheres Umfeld.

Gemeinsam für ein gewaltfreies Zusammenleben

Toxische Beziehungen und häusliche Gewalt sind keine individuellen Probleme – sie betreffen uns als Gesellschaft. Prävention, Sensibilisierung und die Förderung einer Kultur des Respekts und der Gleichberechtigung sind wesentliche Bausteine, um langfristig Veränderung zu schaffen.

Die Orange Days sind daher mehr als eine Mahnung – sie sind ein Aufruf zum Handeln. Jede und jeder kann einen Beitrag leisten, indem er oder sie hinschaut, zuhört und den Betroffenen beisteht. Gewalt in jeglicher Form darf keinen Platz in unserer Gesellschaft haben.

Foto: © Eliza/photocase.com


Anette Konrad

Ohne Block und Stift geht sie nie aus dem Haus. Denn die Journalistin könnte ja unterwegs auf ein spannendes Thema stoßen. Die promovierte Historikerin und Slavistin schreibt gerne über geschichtliche Themen, porträtiert faszinierende Menschen, verfasst aber auch Unternehmensporträts und Reisereportagen. Dabei verbindet sie Berufliches mit ihrer großen Leidenschaft: dem Reisen. Seit sie einige Monate in Moskau studiert hat, zieht es sie immer wieder nach Osteuropa. Im Heinrich Pesch Haus verantwortet sie die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

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