Zeiten von Veränderung fordern Führungskräfte heraus. Was gibt Klarheit? Und worin besteht überhaupt eine gute Führungskultur? Ein Interview mit dem Kapuziner Thomas Dienberg
„Meine Chefin hat keine Ahnung von dem, was wir hier leisten!“ „Wenn ich das Wort Organigramm schon höre, schalte ich ab“: Wenn es um die Zusammenarbeit in Teams geht, ist das Thema Führungskultur und Hierarchie immer relevant. Das ist in Betrieben nicht anders als in kirchlichen Kontexten. Gute Führung ist gefragt. Aber: Was bedeutet eine gute Führungskultur? Auf welchen Grundsätzen basiert sie – und wie äußert sie sich im Alltag? Ein Interview mit Thomas Dienberg, der den Kurs „führen. leiten. dienen“ durchführt.
Pater Thomas Dienberg, Sie begleiten Führungskräfte und wirken in einem Ausbildungsprogramm für Führungskultur mit. Warum ist Führungskultur überhaupt so wichtig?
An einer guten Führungskultur lässt sich der Geist eines Unternehmens erkennen. An ihr lässt sich erkennen, wofür ein Unternehmen steht und welche Werte wichtig sind. Eine gute Führungskultur ist Ausdruck einer Sorge um das Unternehmen, um die Mitarbeitenden und um die Kunden.
Welchen Herausforderungen begegnen Sie in Ihren Kursen?
In vielen Führungsseminaren wird der Fokus auf Methoden, Tools und Instrumentarien gelegt. Wir versuchen in unseren Kursen auch den Blick auf Spiritualität, auf Menschenbild und Haltungen zu legen. Das hat viel mit Selbstreflexion zu tun, die so manchen Teilnehmenden schwerfällt oder besser gesagt, was sie so nicht gewohnt sind. Doch das wichtigste Instrumentarium für eine Führungskraft ist das Wissen und die Kenntnis um sich selbst, um die eigenen Quellen, um die eigenen Stärken und Schwächen. Wer nicht um sich selbst weiß, der verliert sich allzu schnell aus dem Blick – und das wirkt sich auch auf das Verhalten zum anderen aus.
Sie leiten ein Weiterbildungsprogramm für Führungskräfte in kirchlichen Kontexten. Gibt es dort andere Herausforderungen als beispielsweise in Wirtschaftsbetrieben?
Ja und Nein würde ich sagen. Zum einen geht es sowohl in der Kirche als auch in der Wirtschaft heute schwerpunktmäßig darum, wie man mit den ungeheuer schnellen Veränderungen, dem Wandel und den Umbrüchen heute umgehen kann.
Veränderungsprozesse gestalten und Transformationen zu denken, das ist sowohl in der Kirche als auch im Unternehmen wichtig. Dabei gilt es, den Blick auf das WARUM nicht zu verlieren. Wofür stehen wir und wie machen wir daraufhin was – das ist für alle die entscheidende Frage und auch Herausforderung.
Im kirchlichen Kontext kommt noch dazu, dass bei aller Wirtschaftlichkeit, die auch in Kirche mitgedacht werden muss, das Evangelium, die Botschaft Jesu und die daraus resultierenden Werte, Tugenden und Haltungen im Mittelpunkt stehen. Die große Herausforderung besteht dann darin, nicht vor lauter Zahlen, Daten und Fakten diese Sendung aus dem Blick zu verlieren.

Kann man Führungskultur überhaupt lernen – oder muss man nicht eher dafür „geboren“ sein?
Es gehört ein Wille und auch ein Charisma zu einer Leitungsaufgabe. Nicht jede und jeder der will, kann auch leiten. Der Apostel Paulus spricht deswegen auch von den verschiedenen Geistesgaben und Charismen, die zu einem funktionierenden Organismus gehören. Gleichzeitig aber kann man auch in Führungsaufgaben hineinwachsen, wenn man sich als lernende Person versteht. Haltungen und Tugenden kann man einüben, Professionalität kann man erlernen.
Was hilft, die eigene Führungskultur zu reflektieren – und weiterzuentwickeln?
Für mich ist das Kernmoment einer gelebten Führungskultur das Wissen um die eigenen Quellen, die mir Halt und Schutz geben, die mir Kraft geben, mit Herausforderungen und mit Krisensituationen umzugehen, die mir auch Kraft in Situationen des Scheiterns geben und aus denen ich meine Werte generiere. Diese unverzichtbare Quelle in meinem Leben ist für mich die Spiritualität: der Geist, der mich inspiriert, Gottes Geist.
Doch muss eine solche Quelle nicht nur religiös sein. Sie kann sich auch aus einem Menschenbild speisen, oder aus einer Liebe zum Menschen, aus einer Partnerschaft und gelebten Beziehungen, eben das, was für mein Leben unverzichtbar ist und meinem Leben Sinn und Halt gibt. Ein zweiter Punkt, der oftmals zu kurz kommt, besteht darin, sich Feedback einzuholen, also Mitarbeitende um eine ehrliche Rückmeldung zu bitten oder auch Fragen, Aspekte der Führung, Probleme mit anderen zu besprechen.
Auch Führungskräfte sind Burnout-gefährdet. Welche Erfahrungen machen Sie damit – und haben Sie einen Rat, um gar nicht erst in so eine Situation zu kommen?
Zu einer gesunden und guten Führungskultur gehört eine gewisse Form von Selbsthygiene. Diese besteht aus Ritualen und Momenten der Unterbrechung, die einer Führungskraft im Alltag dabei helfen, die vielen Herausforderungen bestehen zu können und nicht unterzugehen. Wenn mir eine Führungskraft erzählt, dass sie dazu keine Zeit hat, dann glaube ich ihr nicht. Denn es macht nicht die Länge, sondern der Abstand. Den kann ich allein schon dadurch gewinnen, dass ich fünf Minuten um den Block laufe, tief durchatme, den Schreibtisch Schreibtisch sein lasse und mich auf mich selbst einlasse und mich mit meiner Quelle verbinde.
Solche Momente der Unterbrechung können auch ein kurzes Gebet oder eine Atemübung sein.
Sie selbst sind Kapuziner. Binden Sie auch christliche Inhalte in den Kurs mit ein?
Die kann ich aus meinen Kursen nicht heraushalten, zumal ich mich ja mit den Kursen oft auch im christlichen Kontext bewege. Christliche Inhalte greife ich in der Spiritualität, in den Fragen von Haltung und Tugenden, aber auch im Veränderungsmanagement auf. Denn ein Grundbestandteil christlicher Spiritualität ist die Transformatio, die Veränderung und Verwandlung, denn Spiritualität ist ein dynamischer Prozess, egal ob sie sich aus religiösen oder anderen Quellen speist.
Der Kurs trägt den Titel „führen. leiten. dienen“ – spannend ist hier natürlich der Aspekt des Dienens. Was steckt genau dahinter?
Wenn man auf die Ordensregeln in der christlichen Spiritualität schaut, dann lässt sich generell folgende Überschrift über das Thema „Führung“ formulieren: „Dienen statt Herrschen.“ In der christlichen Führung geht es darum, sich immer wieder als Führungskraft zu fragen: Was dient dem Ganzen, was dient dem Einzelnen? Eine Führungskraft ist in den Dienst genommen und soll Sorge tragen. Das kann sie nur, wenn sie die anderen mit einbezieht, sich nicht als Übermacht vielmehr als Bindeglied versteht, als Motivator, als Vorbild, als jemand der verbindet und den anderen auf Augenhöhe begegnet. Das entbindet allerdings nicht davon, Entscheidungen zu treffen, denn auch diese dienen dem Ganzen, auch wenn sie manchmal hart und einschneidend erscheinen mögen.
Wenn Sie Führungskräften einen Rat geben könnten – welcher wäre es?
Seien Sie ehrlich zu sich selbst und bleiben Sie demütig!
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