Patti Smiths Lied »Rock’n’Roll N*gg*r«
Frank Berzbach über eine besondere Version des 23. Psalms und warum er die Platte »Easter« von Patti Smith ausgräbt, wenn er einen Lichtblick der Hoffnung braucht.
Sie wird als Mutter des Punk bezeichnet, einer Subkultur, deren Mitglieder nicht gerade als Kirchgänger bekannt sind; aber dennoch findet sich auf ihrem Album Easter (1978) ein Song über den 23. Psalm. Das irritiert alle, die Menschen gern in Schubladen einsortieren. Patti Smith hingegen ist so frei, dass sie sich weder vom schlichten Popkulturatheismus, noch von politisch korrekten Sprachregelungen jemals hätte beeindrucken lassen. Ihr Konzept von Kreativität bleibt auf Tuchfühlung mit Gott, das kann man in ihren Büchern nachlesen; ihre Musik, wie wahrer Glaube, führen immer in die Freiheit. Diese Heilige des Rock ’n’ Roll ist für die da, die jede Art binäre Unterscheidung, jedes Entweder-Oder, ablehnen – Patti Smith ist ein permanentes „sowohl–als–auch“. Und paradoxerweise macht genau das sie zu einem großen Ja, Ja.
Es gibt Tage, da lässt sich die Melancholie nicht abwenden. Was erquickt die Seele? Seit Jahren nutze ich einen ihrer Songs, um wieder ans Licht zu kommen – Rock’n’Roll N*gg*r:
Jimi Hendrix was a n*gg*r
Jesus Christ and Grandma, too
Jackson Pollock was a n*gg*r
Sie sieht an Jesus, wie an Avantgarde-Künstlern, dass sie Außenseiter waren und vor allem zu den Außenseitern gingen. Schon das verbotene Wort im Titel hat verhindert, dass der Song jemals im Radio lief oder als Single ausgekoppelt wurde. Es geht ihr um die Menschen outside the society, es geht ihr um eine Heimat für Außenseiter. Die leiden an einer Welt, die voller falscher Konventionen und Gewalt, voller Rassismus und Verachtung existiert – und in die wir ungefragt mit unserer Geburt geworfen werden. Aber was machen wir daraus? Ein Blick auf diese Welt erzeugt in manchen Menschen ein kraftvolles „Nein“, eine Verweigerung gegen einen falschen Konsens. Werte gelten auch dann, wenn eine Mehrheit sie ablehnt.
Outside of society, they’re waitin‘ for me
Outside of society, that’s where I want to be
Wer sich gegen den Mainstream richtet, der braucht Verbündete und mehr Kraft als andere. Manchmal verliere ich die Hoffnung, zu viele zu schlechte Meldungen prasseln auf mich ein. Ich muss mich dann wieder an den Strom anschließen, aus einer guten Quelle schöpfen und höre mir diesen Song an, der mir Liebe, Glaube und Hoffnung gibt. Er ist energetisch, er verleiht „heilige Wut“. Patti Smith hat nie aufgegeben, auch in den Jahren schwerer Schicksalsschläge nicht. Auch ich werde nicht aufgeben, weiterhin beten, und weiterhin ihren Gebeten zuhören.
Fotos: © Irene Zandel, Headerbild: © Stefan Weigand
Empfehlung: Das Jesuiten-Magazin
Dieser Artikel erschien erstmal in der Ausgabe 2022/1 vom Jesuiten Magazin. Das Magazin erscheint in vier Ausgaben jährlich und greift Themen aus Spiritualität, Gesellschaft und Glauben auf. Sie können es hier gratis abonnieren.