Klaus Mertes SJ Kolumne

HIER SCHREIBT KLAUS MERTES

Wenn der Humor auf der Strecke bleibt

Seit längerer Zeit habe ich mich von politischen Satire-Sendungen wie „heute-show“, „Anstalt“, „extra-3“ – von anderen ganz zu schweigen – innerlich verabschiedet. Wenn ich sie heute gelegentlich noch anschaue, dann eher, um rückblickend nachzudenken: Warum fand ich diese Sendungen früher gelungen, heute aber nicht mehr? Warum habe ich früher gelacht, heute aber nicht mehr? Was hat sich geändert?

Es kommen mir mehrere Antworten in den Sinn: Ich fühle mich von Besserwissern belehrt. Oder: Da werden Menschen lächerlich gemacht. Oder: Corona war für mich ein Einschnitt. Oder: Leute, die gerade einen seriösen Job machen müssen, werden vor einem Millionenpublikum belästigt. Und das Publikum klatscht dazu. Es ist ohnehin Teil der Inszenierung, gar kein echtes Publikum. Showmaster spiegeln sich in ihrem „fantastischen Publikum“ und umgekehrt.

Politische Satire hat sich verändert

Seit neuerdings politisch engagierte Menschen im Wahlkampf auf der Straße beleidigt, bedroht und sogar krankenhausreif geschlagen werden, hat sich auch etwas bei der politischen Satire verändert. Mitten im üblichen Klamauk wechselt plötzlich der Ton für einige Minuten. Keine Subtexte mehr, kein Hauch von Satire, stattdessen humorfreier Blick in die Kamera, und dann Statements nach dem Motto: „Es ist nicht okay, Menschen, die den Mut haben, heute überhaupt noch in die Politik zu gehen, anzupöbeln, zu bedrohen und anzugreifen. Das ist ein Angriff auf unsere Demokratie. Wir sollten den Politikern dankbar (!) sein, dass sie sich heute überhaupt noch engagieren.“ Lang anhaltender Applaus.

Stimmt – denke ich mir. Und plötzlich erkenne ich einen weiteren Grund, warum ich mich von diesen Satire-Sendungen innerlich verabschiedet habe. Sie veranstalten Politik-Klamauk, bis Schluss ist mit Klamauk. Dann können sie nur noch bierernst Flagge zeigen.

Ich erwarte mir von Satire hingegen erst gar nicht Klamauk, zumal auf Kosten Dritter, sondern Humor. Und darunter verstehe ich eine Haltung, die Ernst sowohl mit Standpunktklarheit als auch mit Gelassenheit zu verbinden vermag, gerade dann, wenn es richtig ernst wird.


Klaus Mertes

Als Klaus Mertes, geb. 1954, noch nicht wusste, dass er eines Tages Jesuit, Lehrer und Kollegsdirektor werden sollte, hatte er eigentlich zwei Berufswünsche: Entweder in die Politik gehen und Reden halten, oder an die Oper gehen und als Tristan in Isoldes Armen sterben. Rückblickend lässt sich sagen: Als katholischer Priester kann man beides gut kombinieren: Öffentlich reden und öffentlich singen. Die Jugendlichen, die Eltern, die Kolleginnen und Kollegen in den Schulen und alles, was so im Lebensraum Schule und Internat anfallen kann, halfen ihm, vor den großen Fragen nicht zurückzuschrecken und zugleich bei den Antworten nach Möglichkeit nicht abzuheben. Seit Sommer 2020 hat er den Schuldienst nun verlassen und ist seitdem vor allem publizistisch und seelsorglich in Berlin tätig.

Foto: Wolfgang Stahl

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