Was ist aus den Grünen geworden?
Die Grünen kommen aus der Friedensbewegung. Sie sind aus dem Protest gegen Atomwaffen, Aufrüstung und autoritäres Denken hervorgegangen. Ihre Keimzelle war der gewaltfreie Widerstand – getragen von Überzeugungen wie: „Frieden schaffen ohne Waffen“ oder „Schwerter zu Pflugscharen“. Petra Kelly, Gert Bastian und viele andere glaubten an die Kraft des zivilen Ungehorsams, der Debatte, des Dialogs – aber niemals an Gewalt.
Und heute? Im RBB-Podcast denkt Jette Nietzard, die Vorsitzende der Grünen Jugend, öffentlich über „Widerstand gegen eine mögliche AfD-Regierung“ nach und zieht dabei offen in Erwägung, dass dieser auch „bewaffnet“ sein könnte.
Die Tatsache, dass diese Vorstellung in einem politischen Gespräch auftaucht – noch dazu von einer jungen Stimme aus einer Partei mit pazifistischen Wurzeln – ist jedoch mehr als irritierend.
Ein solcher Gedanke ist nicht nur moralisch fragwürdig, sondern auch juristisch problematisch. Gewaltfantasien gegen demokratisch gewählte Parteien und Mandatsträger*innen – so sehr man deren Inhalte ablehnen mag – bewegen sich auf gefährlichem Boden. Wer auch nur andeutet, dass politischer Widerstand mit Waffen denkbar sei, verlässt den Boden der demokratischen Debatte.
Gewalt ist keine Lösung
Es stellt sich die Frage: In was für einer politischen Kultur sind wir angekommen, wenn so etwas überhaupt als denkbar formuliert wird?
Klar, die AfD ist eine problematische Partei: Sie polarisiert, schürt Ängste und liefert oft polemische, vermeintlich vereinfachte, unrealistische Lösungen. Sie wird oft als unsympathisch, spaltend und gefährlich empfunden. Das ist nachvollziehbar – und dennoch ist Gewalt, selbst wenn sie nur angedacht ist, keine Antwort. Sie widerspricht dem Grundgesetz, dem Strafrecht und allem, was moralische Reife in einer Demokratie ausmacht.
Fakt ist jedoch auch: Sie ist derzeit die stärkste Oppositionspartei in Deutschland. Das ist äußerst unangenehm und muss als politischer und gesellschaftlicher Befund ernst genommen werden.
Mit verbalen Eskalationen, Ängsten und Tabubrüchen ist dieser Befund jedoch nicht zu lösen. Im Gegenteil: Wer sich auf diese Weise radikalisiert, läuft Gefahr, genau die Werte zu verraten, die er zu verteidigen glaubt!
Statt einer Haltung des ewigen „Gegen“, wie sie derzeit von vielen politischen Initiativen kultiviert wird – ob „Omas gegen Rechts“ oder „Alle gegen die AfD“ –, brauchen wir dringend ein „Für“.
Für ein menschliches Miteinander. Für Frieden. Für soziale Sicherheit. Für Würde. Für ein wirkliches Ernstnehmen. Für eine neue Sprache der Empathie statt des moralischen Hochmuts. Die Menschen, die sich derzeit der AfD zuwenden, tun dies nicht aus bösem Willen, sondern weil sie sich oft übersehen, nicht gehört oder bevormundet fühlen.
Einsatz für ein friedliches Miteinander
Wenn wir diese Entwicklung stoppen wollen, dann müssen wir den öffentlichen Diskurs ändern: weg vom moralischen Zeigefinger, hin zum offenen Ohr. Weg von der Verachtung und Dämonisierung Andersdenkender, hin zur ehrlichen Auseinandersetzung. Es braucht Omas (und Enkeltöchter), die sich für ein friedliches Miteinander, eine gerechte Gesellschaft und Demokratie einsetzen – nicht mit Waffen, sondern mit Würde.
Was der AfD wirklich etwas entgegensetzen kann, sind keine Waffen oder Drohgebärden, sondern Gespräche, Mitgefühl, Reformen und ernsthafte Politik im Interesse der Vielen. Es braucht keine bewaffnete Gegenwehr, sondern eine kulturelle Weiterentwicklung: raus aus der lauten Unkultur des Hasses, rein in eine neue Kultur des achtsamen Miteinanders.
Und so bleibt am Ende die alte, neue Frage: Was bringt uns als Gesellschaft wirklich weiter – Worte der Aufrüstung und Angst? Oder ist es doch der alte Traum von Schwertern zu Pflugscharen?






