Klaus Mertes SJ Kolumne

MERTES’ MEINUNG

Schule als Zukunftsgarant

Warum Schulen in der Pandemie besonders gefordert sind – und warum das so wichtig ist

Es mehren sich Studien, die beschreiben, welche Wirkungen die Corona-Maßnahmen auf die Schulen, insbesondere auf die Kinder und die Jugendlichen haben, einschließlich des jüngst immer stärker werdenden sozialen Drucks im Zusammenhang mit Öffnungsperspektiven auf der Basis von Test- und Impfpflichten.

Als wissenschaftliche Expertisen, die sie sind, stellen die Studien nicht die politischen Entscheidungen in Frage, die zu den erheblichen Schäden für Kinder und Jugendlichen führen, die von ihnen gemessen werden. Das ist ja auch nicht ihre Aufgabe. Wissenschaft kann Folgen politischer Entscheidungen beschreiben, mehr nicht. Die verantwortliche Abwägung zwischen den unterschiedlichen Risiken muss die Politik leisten.

Doch wie bestimmt die Gesellschaft den Auftrag von Schulen in dieser Situation?

Entweder weist sie ihnen die Aufgabe zu, Folgeschäden der Maßnahmen für die Kinder und Jugendlichen (und Familien) abzufedern. Das ist die Debatte, die derzeit vor allem geführt wird, nach dem Motto: Dies und jenes muss Schule machen, um die Schäden abzufangen. Aber damit ist Schule nur Auffangstation, noch nicht Bildungsinstitution. Sollte sie dies in der Krise bleiben, dann muss die Gesellschaft sie als Ort anerkennen, in dem der kritische Diskurs auch über die Maßnahmen geführt werden kann – eben jener Diskurs, der bei den wissenschaftlichen Studien vorausgesetzt wird.

In den Schulen können die Lehrkräfte die politischen Entscheidungen allein schon deswegen nicht unhinterfragt voraussetzen, weil die Kinder und Jugendlichen selbst die Fragen an sie mitbringen. Das ist auch die Chance der Schule. Oder was soll eine Lehrerin sonst tun, wenn sich ihr ein Schüler anvertraut: Die Ehe seiner Eltern ist an Uneinigkeit über Corona zerbrochen, und nun sucht er in der Schule einen Mittelweg zwischen den antagonistischen Positionen seiner Eltern – einen Mittelweg, den es vielleicht gar nicht gibt?

Den eigentlichen Bildungsauftrag neu entdecken

Es ist die Schule, die wie keine andere Institution gefordert ist, Brücken zwischen verschiedenen Welten zu bauen.

Gerade sie ist in der tiefen Krise, wie wir sie derzeit erleben, die wichtigste Institution, um die Zukunft der Demokratie und den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu stärken und zu schützen.

Hier liegt auch die große Verantwortung des Lehr- und Erziehungspersonals an den Schulen, eine Verantwortung, die nicht weniger wiegt als die Verantwortung des ärztlichen und pflegerischen Personals in den Krankenhäusern. Corona-Zeiten sind eine gute Gelegenheit, den eigentlichen Bildungsauftrag von Schule neu zu entdecken und zu profilieren.


Klaus Mertes

Als Klaus Mertes, geb. 1954, noch nicht wusste, dass er eines Tages Jesuit, Lehrer und Kollegsdirektor werden sollte, hatte er eigentlich zwei Berufswünsche: Entweder in die Politik gehen und Reden halten, oder an die Oper gehen und als Tristan in Isoldes Armen sterben. Rückblickend lässt sich sagen: Als katholischer Priester kann man beides gut kombinieren: Öffentlich reden und öffentlich singen. Die Jugendlichen, die Eltern, die Kolleginnen und Kollegen in den Schulen und alles, was so im Lebensraum Schule und Internat anfallen kann, halfen ihm, vor den großen Fragen nicht zurückzuschrecken und zugleich bei den Antworten nach Möglichkeit nicht abzuheben. Seit Sommer 2020 hat er den Schuldienst nun verlassen und ist seitdem vor allem publizistisch und seelsorglich in Berlin tätig.

Foto: Wolfgang Stahl

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