Hirschs Meinung

»Layla« – Wird dadurch Kirche wirklich geiler?

Warum der Hit nicht in den Gottesdienst gehört

Spätestens als Jürgen Poggel den umstrittenen Schlagerhit »Layla« auf der Orgel spielte, stellte sich die Frage: Wie gehen Christen mit dem Lied und der darin vorkommenden Prostitution um. Björn Hirsch sieht die Kirche beim Thema Prostitution in der Pflicht und will „Party mit Verantwortung“.

Derzeit ist der Schlagerhit „Layla“ in aller Munde. Es spaltet die Gesellschaft wie kaum ein Lied zuvor. Die einen sehen in ihm einen Party-Kracher, andere machen den Songschreibern und Interpreten Sexismusvorwürfe, wieder andere meinen: „Wer Layla verbietet, ignoriert einen Urtrieb des Menschen.“ Inhaltlich geht es in dem Lied um eine „Puffmama“ namens Layla, die „schöner, jünger, geiler“ ist, kurzum also um Prostitution.

Die Meinungsverschiedenheiten lassen sich auch am öffentlichen Umgang mit diesem Song ablesen. Seit Wochen hagelt es Verbote im Stundentakt: Layla darf auf immer mehr Volksfesten in der gesamten Bundesrepublik nicht mehr gespielt werden. Gleichzeitig ist das Lied auf Platz 1 der deutschen Charts, ein Erfolg, den noch kein Partyschlager zuvor erreicht hat. Mit über 26 Millionen Streams ist „Layla“ ein absoluter Megahit.

In einer Radiosendung des Hessischen Rundfunks wurde zum Rundumschlag ausgeholt. Hier wurde auch das Verbot von Liedern wie „Komm hol das Lasso raus“ oder „Bruttosozialprodukt“ („Wenn die Stechuhr beim Stechen lustvoll stöhnt“) gefordert. Dabei sind solche Texte gerade im Bereich der Ballermann-Szene gang und gäbe: „Zehn nackte Friseusen“ (Mickie Krause), „Dicke Titten, Kartoffelsalat“ (Ikke Hüftgold) oder „Banane Zitrone“ (Tobee) sind Titel erfolgreicher Songs, die seit Jahren am Ballermann rauf und runter gesungen werden. Wieso ist es also genau dieser Song, der für so viel Aufruhr sorgt?

Von einem Organisten, der über Nacht zum TikTok-Star wurde

Die Krone wurde dem Ganzen aufgesetzt, als vor wenigen Wochen ein Organist aus dem Kreis Heinsberg den Titel im Rahmen einer Schützenmesse spielte. Ein Kollege filmte ihn dabei und lud das Video bei YouTube hoch. Später war es kein Geringerer als der Produzent des Liedes Ikke Hüftgold selbst, der das Video mit der Überschrift „Ein Grund, wieder in die Kirche zu gehen“ auf TikTok teilte. Das Video ist bis heute mehr als zwei Millionen Mal angeschaut worden und der Lehrer Jürgen Poggel wurde über Nacht zum Social-Media-Star.

Doch ist es eigentlich rechtens, ein solches Lied im Rahmen einer christlichen Veranstaltung zu spielen? Auch hier gehen die Meinungen stark auseinander. Die einen befürworten es, da es die angebliche Offenheit der Kirche gegenüber der heutigen Welt signalisiert, andere wiederum verurteilen es aufs Schärfste, da es das Thema der Prostitution verharmlost und die damit zusammenhängenden Probleme herunterspielt.

Unfreiwillige Prostitution ist der Normalfall

Eine Studie aus dem Jahr 2017 hat ergeben, dass sich viele Frauen (und Männer) in der Prostitution in einer schwierigen sozialen oder psychischen Situation befinden und daher hinterfragt werden kann, inwieweit sie sich wirklich frei für diese Tätigkeit entschieden haben. Mitunter gehen Schätzungen dahin, dass sich 90 bis 95 Prozent der Betroffenen aufgrund unterschiedlicher Zwänge prostituieren. Ähnlich sieht es auch die Frankfurter Fachberatungsstelle für Frauen in der Prostitution „FIM e. V.“. Die Verantwortlichen um Geschäftsführerin Elvira Niesner betonen, dass es sich „nicht einfach um einen ausbeuterischen Arbeitsmarkt [handle], sondern um die Verkettung von strukturellen und individuellen Zwangssituationen, die zur Ausweglosigkeit führen“.

Auf diesem Hintergrund ist es wahrlich schwer zu verstehen, dass in einem katholischen Gottesdienst solche Lieder kommentarlos vorgetragen werden.

Sicherlich sind sich die unterschiedlichen Akteure der Tragweite ihrer Handlungen nicht bewusst und hatten keine bösen Absichten, als sie den Song schrieben oder spielten. Aber gerade Menschen mit christlicher Prägung sollten beim Thema Prostitution doch aufhorchen.

In der Bibel wird Prostitution in aller Regel verurteilt. Hier heißt es zum Beispiel: „Denn die Hure ist eine tiefe Grube, und die fremde Frau ist ein enger Brunnen. Auch lauert sie wie ein Räuber und mehrt die Treulosen unter den Menschen“ (Spr. 23,27f.). Gleichzeitig sind Prostituierte nicht außerhalb der Reichweite von Gottes Gnade und Barmherzigkeit. Besonders deutlich wird dies durch den Umgang von Jesus mit dieser Personengruppe. Er verachtet sie nicht, bringt Ihnen sogar Wertschätzung entgegen und stellt ihnen Vergebung in Aussicht. In einem Gespräch mit den Hohepriestern und Ältesten des Volkes im Tempel spricht er sogar: „Die Zöllner und die Dirnen gelangen eher in das Reich Gottes als ihr“ (Mt. 21,31). Und dennoch heißt er die Sündhaftigkeit dieser Tätigkeit nicht gut, sondern ruft zur Umkehr um.

Wenn die Kirche einen Auftrag hat, dann ist es der, dass sie sich um die ärmsten und schwächsten der Gesellschaft kümmert. Sie bekennt: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände“ (Gaudium et spes 1). Wenn Prostitution unfreiwillig geschieht, dann gehören auch sie zu dieser Gruppe. So gibt es an verschiedenen Stellen seelsorgliche Angebote für genau diese Menschen, wenngleich sich Kirche hier bislang noch ziemlich zurückhält. So trägt ein Projekt für Prostituierte in Basel den vielsagenden Namen „Seelsorge im Tabubereich“.

Party mit Verantwortung

Wenn man einen solchen Song spielt, dann sollte es nicht einfach aus Jux und Dollerei sein.

In dem geschilderten Fall wirkt es synkretistisch und kann als Anbiederung wahrgenommen werden. Wenn ein solches Lied schon in einem Gottesdienst gespielt wird, dann sollte er als Aufhänger für eine kritische Auseinandersetzung mit diesem Thema genutzt werden.

Ich bin absolut kein Freund davon, jedes Wort auf die Goldwaage zu legen und sicherlich steht auch bei einem Song wie Layla der Spaß im Vordergrund. Ich freue mich, wenn Menschen ausgelassen feiern und einmal für ein paar Stunden dem Alltag entfliehen können. Ich selbst tue es hin und wieder sehr gerne. Und nicht immer kann ich mit den Liedtexten innerlich mitgehen. Ich verstehe auch die Euphorie, die bei Musikern und Produzenten auf Grund des unfassbaren Erfolgs derzeit herrscht. Und sicherlich gibt es auch Prostituierte, die ihre Arbeit freiwillig und gerne tun. Und dennoch sollten wir uns als Gesellschaft und als Christ:innen inmitten dieser Gesellschaft unserer Verantwortung bewusst sein, die schwierige Situation von Prostituierten im Blick zu haben und einzugreifen, wenn es schwierig wird.

Da reicht es meines Erachtens nach nicht, darauf zu verweisen, dass „die Welt […] gerade genug gewichtige Probleme [hat], die dringend angegangen werden müssen.“ (Ingo Brüggenjürgen auf domradio.de). Auch Zwangsprostitution ist ein ernsthaftes Problem, welches nicht außer Acht gelassen werden darf, auch wenn uns der Krieg in der Ukraine oder die Corona-Pandemie nach wie vor beschäftigen.

Wie schön, wenn da ein christlicher DJ sich seiner Verantwortung bewusst ist und sagt: „Ich stehe als DJ eben auch dafür, dass ich die Texte der Songs, die ich spiele, vorher anschaue. Deshalb versuche ich einfach andere Songs zu nehmen, die genauso viel Stimmung machen können.“ (René Böckle, DJ Faith auf domradio.de).


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