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HIER SCHREIBT SIEGFRIED GRILLEMEYER

Ein Zankapfel, der auf den Tisch gehört

Sind Landwirte Umweltsünder? 

„Was ist denn da passiert?“, fragt man sich und reibt sich überrascht die Augen. Eine Sachverständigengruppe hat für die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) einen Text geschrieben. Derartige Stellungnahmen werden in den verschiedenen Kommissionen der DBK öfters verfasst, und meistens beschränkt sich die Wahrnehmung auf den Kreis der Expertinnen und Experten, also den üblichen Verdächtigen in Kirche und Politik.

Es sind sehr gelehrige und wissenschaftlich fundierte Schreiben, die einen Sachverhalt ausführlich beleuchten und im Lichte der katholischen Soziallehre auch Empfehlungen abgeben. Und um die Verwunderung noch deutlicher zu machen: Meistens werden in derartigen Stellungnahmen, im konkreten Falle zusammengetragen von der Sachverständigengruppe Weltwirtschaft und Sozialethik, bereits recht bekannte Problemstellungen benannt und nicht gerade die Revolution ausgerufen oder der Umsturz von akzeptierten Strukturen propagiert.

Dieses Mal ist alles anders

Aber dieses Mal ist alles anders: „Kirche macht Landwirte zu Umweltsündern“, titelt agrarheute.de. Landesbäuerin Christine Singer ist verärgert und weist die Darstellung, ihre Zunft sei mitverantwortlich für Fehler im Umwelt- und Naturschutz entschieden zurück. Landwirte erklären ihren Austritt aus der Kirche. Im Landkreis Altötting setzen die Landfrauen ein Zeichen und schmücken erstmals die Erntekrone nicht.

Es gibt offene Briefe an Bischöfe wie von der bayerischen Agrarministerin Michaela Kaniber oder beispielsweise von Jürgen Donhauser, der sich als Brückenbauer von Kirche und Landwirtschaft versteht. Er bedauert, dass keine Landwirte mitgeschrieben haben und stellt fest: „Neben diesen handwerklichen, fachlichen Fehlern wurde auch noch der Eindruck erweckt, die Kirche steht für Enteignung, Verstaatlichung, ja sogar Kommunismus“ (www.juergendonhauser.de und www.moderner-Landwirt.de). Bei so vieler Kritik distanzieren sich nun auch Kirchenvertreter wie Bischof Rudolf Voderholzer und Kardinal Reinhard Marx betont, dass es sich schließlich um die Position einer Sachverständigengruppe handle und nicht um die der Bischofskonferenz.

Ringen um Schadensbegrenzung

Mittlerweile bemühen sich alle um Schadensbegrenzung, und es wird ein wenig ruhiger um die Studie mit dem sperrigen Titel „Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität. Ethische Perspektiven für die globale Landnutzung“. Ein DBK-Sprecher bittet um eine Versachlichung der Debatte, und Christine Singer wünscht sich gegenüber Kardinal Marx künftig eine bessere Kommunikation. Und auch die katholische Landvolkbewegung betont Ende Oktober, dass doch viele der genannten Kritikpunkte und Vorwürfe gar nicht in der Studie stehen würden und altbekannt seien.

Man könnte also wieder zur Tagesordnung übergehen. Aber genau das wäre der falsche Weg. Denn die Fragen nach einer gemeinwohlorientierten Nutzung unserer Böden, die nötige Neuregulierung von landwirtschaftlicher Subventionierung und deren weltweiten Auswirkungen auf der einen Seite und einer berechtigten Anerkennung bäuerlicher Anstrengungen und deren Beitrag zur bayerischen wie deutschen Kulturlandschaft auf der anderen Seite bleiben umstritten. Und um die richtigen Lösungen muss gestritten werden.

Landwirtschaft ist dabei ein wesentlicher Bereich zur Gestaltung der Zukunft, in der es nach christlicher Überzeugung um „Gerechtigkeit und Frieden“ gehen soll, wie es im Petrusbrief heißt.

Der Zankapfel Landwirtschaft gehört also auf den Tisch und nicht begraben!


Siegfried Grillmeyer

Er ist seit 2008 Leiter des Caritas Pirckheimer Hauses, der Akademie der Erzdiözese Bamberg und des Jesuitenordens, sowie Geschäftsführer des dazugehörigen Tagungshotels. Zahlreiche Veröffentlichungen zur politischen Bildung sowie privat von Essays und Kurzgeschichten.
www.grillmeyer.info

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