Was bewegt Menschen, nach Verfehlungen anderer zu suchen?
Es reicht! Wieder ein endloser Artikel über diesen Herrn aus Österreich. Diesmal in der SZ. Und nachdem ich mich letzte Woche mit seinen Plagiatsvorwürfen gegen eine deutsche Spitzenpolitikerin beschäftigen sollte, soll ich mich jetzt dafür interessieren, warum er es zu seinem Hobby macht, Menschen nachzuschnüffeln, um ihnen unsaubere Zitation nachzuweisen.
In meiner Jugend hieß Herr Weber Herr K. Den ganzen Tag stand er, die Ellbogen auf Kissen, am Fenster, um die Nachbarn zu beobachten. Wenn jemand die Tür nicht ordentlich abschloss, irgendwo die Musik zu laut spielte oder wir Kinder unerlaubterweise den Rasen betraten, dann kam Leben in die sonst eher kleine, schlaffe Gestalt von Herrn K. Er wuchs förmlich, versuchte im Bewusstsein eigener Rechtschaffenheit und Bedeutung den Volkszorn der Nachbarn anzuheizen, um dann den „Delinquenten“ bedeutungsvoll entgegenzutreten. Leicht vorzustellen, dass eine Begegnung mit Herrn K. im Haus ungefähr so beliebt war wie die Begegnung mit einem neuen Wimmerl morgens im Spiegel.
Menschen wie Herr K. oder Herr Weber aus Österreich finden im eigenen Leben offenbar so wenig Erfüllung und sehen sich selbst als so unbedeutend, dass sie – wie Vampire – glauben, Erfüllung und Aufmerksamkeit nur aus den Verfehlungen anderer saugen zu können. Und daran – das sieht man an Herrn Weber – muss auch eine akademische Laufbahn nichts ändern. Was das über seine wissenschaftliche Arbeit aussagt, möge sein Arbeitgeber und seine Disziplin entscheiden.
Nur verschont uns vor den Herrn K.’s und Webers dieser Welt! Das gebietet nämlich nicht nur die Selbstachtung, sondern auch der Anstand.
Ein bösartiges Geschäftsmodell
Denn dieses Geschäftsmodell zur Erlangung von Aufmerksamkeit ist nicht nur ein hoch verschrobenes Hobby. Es ist auch bösartig. Verschiedene Spitzenpolitiker auch der konkurrierenden Parteien, wie Herr Seehofer, haben sich distanziert. Das ist angesichts der Faktenlage nicht nur im Sinne des fairen Wettbewerbs anständig.
In einer Zeit, in der Menschen um Arbeitsplätze kämpfen, mühsam die Folgen von Corona zu bewältigen suchen und sich sorgen machen um die Zukunft ihrer Enkel angesichts der katastrophalen Folgen der Klimaerwärmung, beruht es vermutlich auch auf dem völlig richtigen Gespür dafür, dass es – und zwar nicht nur für Politiker – menschlich peinlich und unangemessen ist, das Vampir-Geschäftsmodell von Menschen wie Herrn K. und Herrn Weber zu bedienen. Abstellen können wir es nur gemeinsam. Anders als in den Gruselschockern braucht es dazu übrigens keine aufwendigen Rezepte. Von meiner Mutter bekam ich den Ratschlag: „Nicht einmal ignorieren!“