Katharina Goldinger

HIER SCHREIBT KATHARINA GOLDINGER

Der Brief des Papstes

Katharina Goldinger bewertet den neuen Brief aus Rom zum Synodalen Weg

In Portugal, so war in den vergangenen Tagen zu lesen, können Schiedsrichter – bei der Premiere war es eine Schiedsrichterin – nun nicht nur rote und gelbe Karten im Fußballspiel verteilen, sondern auch weiße: Die weiße Karte belohnt Fairness auf dem Spielfeld. Das wäre ein lohnender Gedanke, wenn man den jüngsten Brief des Papstes näher betrachtet.

Bevor also – und das ist von den Initiatoren schriftlich eingereichter rhetorischer Anfragen an den Vatikan durchaus so beabsichtigt – der Puls steigt und Schnappatmung einsetzt: eine weiße Karte. Für alle Bischöfe und Lai*innen in der katholischen Kirche in Deutschland, die mit der gebotenen Ruhe, mit theologischem Sachverstand und dem Blick fürs Wesentliche – nämlich die Verkündigung eines liebenden, gerechten, den Armen zugewandten Gottes – einen scheinbar leicht zu verwandelnden und auch nur scheinbar auf lauteren Wegen errungenen Elfmeter parieren.

Eine weiße Karte also für Irme Stetter-Karp, Bischof Bätzing und alle diejenigen, die auch etwas hätten sagen können, aber um den strategischen Vorteil des Ruhe-Bewahrens wissen und sich loyal hinter die glasklare Parade der Verantwortlichen des Synodalen Wegs stellen. Meinen Respekt haben Sie.

Eine gute Tradition beim Synodalen Weg

Es ist ja schon gute Tradition – sehr katholisch also –, dass im Vorfeld der Synodalversammlungen der Versuch unternommen wird, die argumentative Schwäche einer Minderheitsposition durch Anruf römischer Autorität zu übertünchen. Autorität statt Argument also. Bestimmen statt Mitbestimmung.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die Strategie an der argumentativen Stärke des für seine Argumente herabgewürdigten Gegenübers scheitert. So auch in diesem Fall. Was auf den ersten Blick wie eine dröhnende Bannbulle über die Alpen zu kommen scheint, sieht aus der Nähe deutlich zahmer aus: Es ist die Antwort auf die Frage von fünf deutschen Bischöfen, ob sie denn an einem Synodalen Rat – also einem die Synodalversammlung weiterführenden Gremium – a. teilnehmen dürfen und b. teilnehmen müssen. Die Antwort lautet: Ihr müsst nicht. Zum Dürfen wird recht wenig gesagt. Warum auch?

Anders gesagt: Wenn nun alle deutschen Bischöfe gemeinsam mit Lai*innen über Zukunftsfragen der Kirche in Deutschland beraten – und zwar auch über solche, die über die vier Fragebereiche des Synodalen Wegs hinausgehen – dann müssen die fünf Absender des Briefes nicht teilnehmen. Es ist ihnen aber auch nicht untersagt, dabei zu sein und mitzureden. Vorausgesetzt wird übrigens ein Sachverhalt, der weder besteht noch beschlossen ist: Der Synodale Rat widerspricht weder kirchenrechtlichen Voraussetzungen, noch bedeutet er eine Schwächung des Bischofsamtes.

Ins Abseits gestellt

Mal angenommen, die fünf fragenden Bischöfe verzichteten auf ihren Platz im Synodalen Rat und es tagten statt der 27 Diözesanbischöfe gemeinsam mit den Lai*innen nun fünf Bischöfe weniger: Was würde das für die fünf bedeuten, die sich – um im Bild zu bleiben – ins Abseits gestellt haben?

Wer nicht mitdiskutieren mag, kann auch keinen Einfluss nehmen.

Und: Die Diskussionen werden nicht homogen verlaufen, aber möglicherweise doch deutlich einfacher werden, wenn Gegenpositionen nicht prominent vertreten werden. Welche Möglichkeit der Einflussnahme bleibt dann? Lassen Sie mich raten: Es hat etwas mit Briefen zu tun.

Allerdings: Weiß ist die Farbe des Papstes.


Katharina Goldinger

Theologin und Pastoralreferentin im Bistum Speyer, Religionslehrerin an einem Speyerer Gymnasium und Ansprechpartnerin für den Synodalen Weg im Bistum Speyer, sehr gerne in digitalen (Kirchen-)Räumen unterwegs, ehrenamtlich im Team der Netzgemeinde da_zwischen aktiv.

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