Hirsch Meinung

HIER SCHREIBT BJÖRN HIRSCH

Den Eckstein verwerfen?

Soll Kirche zurückhaltender über Gott sprechen?

Kardinal Marx hat mit einer These in einem Aufsatz für Aufsehen gesorgt: „Die Krise der Kirche ist vielleicht deshalb auch eine Krise einer Institution, die behauptet hat und behauptet, ziemlich viel von Gott zu wissen und seinen Willen autoritativ allen Menschen übermitteln zu können.“ Was wäre eine Konsequenz? Soll Kirche zurückhaltender über Gott sprechen, weniger von Gott erzählen? Björn Hirsch sieht hier die Gefahr, dass sich die Kirchenkrise nur noch verschlimmern würde.

Um die Jahrtausendwende bekam der Begriff der Evangelisierung in Deutschland neuen Aufwind. Überall entstanden Papiere, Initiativen, Institute, Referate und vieles mehr. Auch die deutsche Bischofskonferenz hatte einen großen Anteil daran. Mit Grundsatzdokumenten wie „Katechese in veränderter Zeit“ wurde eine klare Richtung vorgegeben. Gleich zu Beginn heißt es hier: „Es gehört zum Wesen der Kirche als Glaubensgemeinschaft, den Glauben, den sie selber lebt, weiterzugeben.“

Nun äußerte sich Kardinal Marx in einer ganz anderen Weise, nämlich, dass wir als Kirche weniger von Gott sprechen sollten. Gott sei für alle Menschen nur ein Geheimnis und alle Glaubensaussagen könnten letztlich nur „in die Nähe dessen kommen, was wir von Gott wissen“.

Ehrlich gesagt halte ich diese Aussage für eine Selbstverständlichkeit. Natürlich übersteigt Gott jegliche Erkenntnismöglichkeit des Menschen. Schon der Apostel Paulus sagte: „Jetzt ist mein Erkennen Stückwerk, dann aber werde ich durch und durch erkennen“ (1 Kor 13, 12b).

Verantwortung übernehmen – auch für eigene Überzeugungen

Und dennoch werde ich den Verdacht nicht los, dass es hier um etwas anderes geht. Für mich scheint hier abermals die allüberall zu beobachtende „Harmoniesucht“ und Verweigerung von wirklicher Verantwortungsübernahme unserer Oberhirten durch.

In heutiger Zeit von Gott zu sprechen, bedeutet, Gegenwind zu bekommen. Gegenwind zu bekommen bedeutet, eigene Positionen zu begründen und zu verteidigen. Und das wiederum ist ein Akt der Verantwortungsübernahme. Aber genau das scheint für Kardinal Marx zu unbequem zu sein.

Doch wie sollen Menschen sich mit der Gottesfrage konstruktiv auseinandersetzen, wenn wir gar nicht mehr von Gott sprechen?

Gott ist im christlichen Glauben kein unbekanntes Wesen. Ganz im Gegenteil: Er offenbart sich den Menschen, nimmt die Gestalt eines Menschen an und stirbt für uns am Kreuz. Jesus selbst bezeichnet sich als „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6). Wie sollen Menschen von diesem Weg erfahren, geschweige ihn selbst gehen, wenn selbst wir, die wir an daran glauben, nicht davon sprechen?  

„Mir hat noch nie einer von diesen Dingen erzählt“

In dieser Woche hielt ich im Rahmen eines Glaubenskurses einen Vortrag zum Thema „Bibel – Wie kann ich sie lesen?“. Ein Junger Mann, der zum ersten Mal an diesem Abend bei uns war, hörte mir gebannt zu. Nach dem Vortrag kam er zu mir und sagte: „Mir hat noch nie einer von diesen Dingen erzählt. Ich habe heute so viel gelernt und hätte dir noch stundenlang zuhören können. Jetzt habe ich Inhalte, mit denen ich mich ernsthaft auseinandersetzen kann.“ Dieser Mensch repräsentiert die Gruppe, die der Kardinal im Blick hat, wenn er davon abrät, zu ausdrücklich von Gott zu sprechen. Ich aber glaube, dass genau das die Sehnsucht und das Verlangen von so vielen Menschen in unserer Zeit ist.

Jesus ist der Eckstein unseres gesamten Glaubensgebäudes. Er verbindet uns als Christ:innen untereinander und er ist die Grundlage all unseren Glaubens, Hoffens und Liebens. Sollen wir diesen Eckstein nun verwerfen, wie es die uneinsichtigen Bauleute einst taten (vgl. 1. Petr 2,7 ), um nicht für unnötige Diskussionen zu sorgen?

Ich verstehe, dass wir in einer Situation tiefster Bedrängnis alles in Erwägung ziehen, um unsere Institution in ein besseres Licht zu rücken. Auch ich arbeite tagtäglich daran. Aber im Letzten geht es nicht um den Fortbestand einer Organisation, sondern um den, der uns gesandt hat und von dem wir den unzweideutigen Auftrag bekommen haben, allen Menschen die Frohe Botschaft zu verkünden (Mt 28,19–20). Verwerfen wir unseren Eckstein also nicht, damit noch viele Menschen im „Hause Gottes“ Geborgenheit und Heil finden können.


Björn Hirsch

Dr. theol., ist Leiter der Tourismuspastoral Rhön, Initiator des überkonfessionellen Netzwerkes All for One e. V. und der Citypastoral. 2020 hat er gemeinsam mit Dr. Plank die Pastoralinnovation Online Akademie gegründet. Am Zentrum für angewandte Pastoralforschung (zap) ist er für die Projekte FRISCHZELLE und zap:aerothek zuständig. Er ist Autor, kirchlicher Berater und ein gefragter Referent zu verschiedenen pastoralen Themengebieten.
www.bjoernhirsch.de

Weiterlesen

Klaus Mertes

Schweigen und Groll in der CDU

In der Haushaltsdebatte hat ein AfD-Politiker Angela Merkel mit Adolf Hitler verglichen. Klaus Mertes wirft einen kritischen Blick auf die Nicht-Reaktion der CDU auf diesen Eklat.

weiter
Tobias Zimmermann

Eine Jugendsünde?

Darf ein Mensch eigentlich klüger werden oder gar ein besserer Mensch? Oder müssen wir ein Leben lang damit leben, dass uns Fehler oder moralisches Versagen irgendwann einholen und uns vorgehalten werden? Tobias Zimmermann blick auf die Causa Aiwanger.

weiter
Grillmeyer

„Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung: keine Bildung“

Seit den Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen im Sommer 1992 haben sich die politischen Auseinandersetzungen und die Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft weiter verschärft. Doch trotz der dringenden Notwendigkeit, Bildung als präventives Mittel gegen Hass und Gewalt einzusetzen, werden die finanziellen Mittel für politische Bildungsprojekte kontinuierlich gekürzt – zuletzt im aktuellen Haushaltsentwurf der Bundesregierung.

weiter