Ein Appell für eine bessere Diskussionskultur – auch und gerade zu allen Themen rund um Corona
Über 50 Schauspielerinnen und Schauspieler haben sich mit ironischen Videobeiträgen kritisch zu den Corona-Maßnahmen geäußert. Insbesondere haben sie dabei auch das gegenwärtige Diskussionsklima in der Gesellschaft aufs Korn genommen. Weil sie Beifall aus der rechten Ecke bekommen, werden sie nun als politische Idioten, als Parteigänger von Nazis und Rechtsradikalen, als Verschwörungstheoretiker beschimpft. Aus der Politik werden Forderungen laut, die öffentlich-rechtlichen Sender sollten die Verträge mit ihnen kündigen. ARD und ZDF schüren in den Hauptnachrichten Empörung über die Clips. Kolleginnen und Kollegen distanzieren sich von ihnen.
Politische Kabaretts wie „heute-show“, „extra-3“ usw. sind schon seit einigen Jahren ziemlich bedenkenlos mit Habwahrheiten, Diffamierung von Personen, predigthaftem Ton und dem Gestus der Besserwisserei unterwegs. Der Applaus ist ihnen immer gewiss. Andere Personen herabsetzen und lächerlich machen macht Spaß. Seit Corona haben sie sich nun den Kampf gegen „Covid-Ioten“ und „Schwurbler“ auf die Fahnen geschrieben, mit höchstem moralischem Pathos. Auch da sind sie nicht zimperlich. Niemand entkommt ihren Etikettierungen, der nicht so denkt und fühlt wie sie. Die Regierungspolitik wird natürlich auch kritisiert – aber vor allem deswegen, weil sie nicht hart genug durchgreift; weil sie bei Akquise und Verteilung der Impfstoffe versagt; und so weiter. Das ist die „richtige“ Kritik, nicht die „falsche“ wie die von #allesdichtmachen.
Klar: Die Rechten instrumentalisieren den Protest gegen die Corona-Maßnahmen.
Doch wieviel Macht gibt man eigentlich den Instrumentalisierern, wenn man im Gegenzug eine gesellschaftliche Stimmung erzeugt, in der Kritiker der Maßnahmen Sätze nur noch beginnen mit Formeln wie: „Ich bin kein Verschwörungstheoretiker, aber …“ Und wieso ist Kritik, auch ironisierend-kabarettistische Kritik an den Maßnahmen, ein Zeichen mangelnder Empathie mit den Menschen, die auf den Intensivstationen um ihr Leben ringen? Und sind der FDP und den Freien Wählern die Sterbenden gleichgültig, weil sie vor dem Verfassungsgericht gegen das Pandemiegesetz klagen? Sind Wissenschaftler, die an der Effektivität der Maßnahmen zweifeln, herzlos? Sind Menschen, die durch die Maßnahmen in große soziale, gesundheitliche und andere Not geraten sind, Zyniker und Egoisten, wenn sie diese thematisieren und am Sinn der Maßnahmen zweifeln?
Kein sinnvolles Gespräch mehr möglich
Auf dieser Ebene ist ein sinnvolles Gespräch nicht mehr möglich. Da gewinnt nur, wer am lautesteten schreit. Effektiver sind da die leiseren Töne. Und genau die haben die Autorinnen und Autoren von #allesdichtmachen gewählt. Das macht ihre Wortmeldung offensichtlich lauter als die Lautesten. Und das ist wiederum ein Zeichen für das Diskussionsklima in unserem Lande.