Nachhaltigkeit  

Lützerath – ein Ort mit Symbolkraft?

KHG-Seelsorger Nico Körber nahm mit vier Studierenden an einer Großdemonstration teil

Im Januar war Lützerath in aller Munde. Der kleine Weiler in Nordrhein-Westfalen muss weichen, damit Braunkohle abgebaut werden kann. Um sich gegen die Abbaggerung des Ortes zu stemmen, rief ein breites Bündnis zu einer Großdemonstration am 14. Januar auf. Mit dabei aus dem Bistum Speyer waren vier Studierende der Katholischen Hochschulgemeinde (KHG) und Nico Körber, Seelsorger der KHG für Landau, Germersheim und Neustadt. Der Pastoralreferent aus Landau schildert, weshalb die Teilnahme für ihn wichtig war.

Wir sind auf dem Heimweg von Lützerath. Für die Katholische Hochschulgemeinde im Bistum Speyer habe ich einen Kleinbus gemietet. Nach diesem langen Tag sind die Schuhe verschlammt, die Kleider durchnässt, die Stimmung gedämpft. Wir waren bei widrigem Wetter auf der Großdemo. Zehntausende setzten ein friedliches und starkes Zeichen gegen den Ausbau des Braunkohletagebaus und für die Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens. Zehntausende Menschen aus der gesamten Republik – für uns alle im Bus eine beeindruckende Erfahrung.

Ein Schicksalsort

Lützerath ist in den letzten Monaten zu einem vielfältigen Symbol geworden: augenfällig für die verfehlte Klimapolitik der deutschen Regierungen in den vergangenen Jahrzehnten. Diese Klimapolitik hat uns einerseits materiellen Wohlstand gebracht hat. Sie war allerdings zu keinem Zeitpunkt zukunftsfähig, sondern Zukunft zerstörend. Darüber hinaus hat sie uns in erhebliche Abhängigkeiten getrieben.

Lützerath – global gesehen ein winziger Fleck – ist ein Symbol für die gnadenlose Ausbeutung von natürlichen Ressourcen und gewachsenen Strukturen an so vielen Orten auf unserer Erde.

Die Liste dieser Orte und der Schicksale der Menschen wäre deprimierend lang.

Was ist radikal?

In diesen Wochen wird viel über „radikale“ Klimaaktivistinnen und -aktivisten berichtet, die oft als „Klimakleber“ oder sogar als „Klimaterroristen“ bezeichnet werden. Natürlich kann und muss man in einem Rechtsstaat über Methoden des Protests streiten. Doch dabei gerät aus dem Blick, was radikal bedeutet: „vollständig“, „gründlich“, „an die Wurzel gehend“. Was also geht an die Wurzel unserer Zukunft? Eine Wirtschaftsordnung, die die Lebensgrundlage unserer Kinder zerstört? Oder ein Baumhaus zu bauen und sich von der Polizei „räumen“ zu lassen? Was ist radikaler: möglichst billig zu produzieren, zu reisen und pro Jahr die Ressourcen von drei Planeten Erde zu verbrauchen, oder sich auf die Straße zu kleben? Wir haben vergessen, was grundlegend und wichtig ist.

Schließlich ist Lützerath auch ein Symbol für das Dilemma des Rechtsstaats, denn die Rechtslage scheint auf den ersten Blick eindeutig: RWE darf Lützerath abbaggern lassen. Die Polizei setzt das Recht durch, wie wir uns das auch in anderen Situationen erwarten. Deshalb ist Gewaltlosigkeit oberstes Gesetz, und verbale oder handgreifliche Attacken einer Minderheit der Demonstrierenden gegenüber der Polizei sind nicht gerechtfertigt.

Dennoch frage ich mich, um welches Recht es geht? War die Zwangsumsiedlung der Menschen in den abgebaggerten Dörfern angesichts der vorhersehbaren Folgen für Mensch und Natur wirklich rechtens? Steht das Eigentumsrecht von RWE über dem Recht auf einen nachhaltigen Umgang mit unseren Ressourcen? Ist es gerecht, dass RWE in der Energiekrise seine Gewinne auf 2,2 Milliarden Euro verdoppelt, während dieselbe Krise das Armutsrisiko auch in Deutschland in die Höhe treibt?

Lützerath Proteste Demonstration

Soziale und ökologische Krise gehen Hand in Hand

Im Angesicht des riesigen Tagebaus in Lützerath muss ich mich schließlich auch selbst fragen, welche persönlichen Entscheidungen ich treffe und wo ich über meinen Grenzen lebe. Es braucht weitreichende individuelle und politische Veränderungen, und niemand weiß, ob und wie das gelingen kann. Als Christinnen und Christen sollten wir ein aktiver Teil dieser Veränderungen sein. Kirche „kann und muss sich in den gesellschaftlichen und politischen Debatten unserer Zeit als Anwältin der Armen, Schwachen und Benachteiligten wie als Fürsprecherin für Gottes bedrohte Schöpfung zu Wort melden“, schreiben die deutschen Bischöfe in ihren zehn Thesen zum Klimaschutz. Soziale und ökologische Krise gehen Hand in Hand und müssen zusammen gedacht werden, denn wie die Zukunft aussehen wird, wenn wir die 1,5 Grad Erderwärmung global deutlich überschreiten, zeigen zahlreiche wissenschaftliche Studien: Die Folgen für Mensch und Natur sind verheerend.

Fotos: © rebaixfotografie/shutterstock.com, © klauscook/shutterstock.com




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