Eine Spät-Getaufte berichtet
Lieber spät als nie: Um eine spirituelle Heimat zu finden, braucht es manchmal ein halbes Leben. Warum lässt sich jemand, der in der Großstadt Hamburg konfessionslos groß geworden ist, katholisch taufen und wird ziemlich fromm?
Katholisch zu werden – das war ein langwieriger Prozess. Es schwang schon während meines Studiums mit. 1996 hatte ich in einem Seminar zur Geschichte des Zisterzienserordens im Mittelalter den Entschluss gefasst, mich mit dessen Frauenkommunität zu beschäftigen und zu sehen, wie die Zisterzienserinnen heute leben. Kurzentschlossen fragte ich an und wurde für zwei Wochen als Gast in der Abtei Oberschönenfeld aufgenommen. Das waren unvergessliche Tage, die mein Leben bereichert haben. Ich durfte (fast) alles mitmachen, mir wurde jede Frage beantwortet und ich hatte Zeit nachzudenken. Zum Abschluss bemalte ich mit einem angehenden Priester sein Gewand mit einem riesengroßen Schmetterling, der seine Flügel ausbreitet.
Schon früh auf der spirituellen Suche
Dort nahm der Plan wohl seinen Ausgang – wobei die spirituelle Suche schon in meiner Jugend begonnen hat. Meine Freundinnen und Freunde von der Schule besuchten zum großen Teil den Konfirmanden-Unterricht. Und ich? War ausgeschlossen. Das gefällt einer 14-Jährigen natürlich nicht, und so ging ich heimlich mit. Rückblickend hat der Pfarrer der protestantischen Simon-Petrus-Gemeinde in meinem Hamburger Stadtteil seine Chance nicht ergriffen, sondern mich mit seiner eifernden Art eher erschreckt, so dass ich diesen Plan schnell wieder fallen gelassen habe. Auf dem Gymnasium stand weiter Ethik statt Religion auf meinem Stundenplan und ich tauschte mich unter Anleitung des Lehrers mit anderen „Heidenkindern“ und Muslimen über allgemein-menschliche Fragen aus.
Religiöse Nullzone
In meiner Familie kam die Beschäftigung mit Religion eigentlich nicht vor. Meine Mutter war von ihrer politisch sehr links eingestellten Familie her richtiggehend atheistisch geprägt und machte sich lautstark über alles Religiöse lustig. Kein Ostern und kein Weihnachten, bei dem sie nicht den Gruß „Urbi et orbi“ nachgeäfft hat. Meinen Vater brachte sie dazu, aus der evangelischen Kirche auszutreten, um sie zu heiraten – was er ohne viel Bedauern vollzogen hat. Aber er hat in Urlauben mit mir Kirchen besichtigt und mir deren Schönheit vermittelt, während meine Mutter mehr oder minder geduldig draußen auf uns wartete. Eine Kirche betreten? Niemals!
So dümpelte ich bis zum Ende meines Studiums in einer religiösen Null-Zone herum, aus der mich besagtes Mittelalter-Seminar und der Besuch bei den Nonnen herausholte. Dann dauerte es aber wieder ein paar Jahre, bis ich nach Mannheim zog und anfing, im „Jungen Chor Heilig Geist“ Sopran zu singen. Ein Chor ist ein wunderbarer Ort, um als Neu-Zugezogene Kontakte zu knüpfen und Freunde zu finden. Meine Chorschwestern und -brüder waren großenteils verwurzelt in der Gemeinde und brachten mir ihren Glauben näher. Zwei von ihnen wollten mich immer „nottaufen“, wenn wir auf einer Wanderung an einem See oder einer Wasserstelle vorbeikamen – sie wurden 2014 tatsächlich meine Taufpaten. Schon das reine Mitsingen war für mich eine wichtige Heranführung in die Liturgie:
Ich wollte wissen, was ich da eigentlich rezitiere und warum. Den Gottesdienst mitfeiern können und dazugehören.
Kein Angebot für Suchende auf Katholikentag 2012
Den entscheidenden Impuls gab es dann beim Katholikentag 2012 in Mannheim, der unter dem Motto stand „Einen neuen Aufbruch wagen“. Es gab allerdings weit und breit keine Veranstaltung für Suchende und auch keinen Ansprechpartner, der mir dabei helfen wollte, katholisch zu werden. Wir gestalteten als Chor den Abschlussgottesdienst mit und ich beschwerte mich beim Präsidenten des ZdK, Alois Glück, der diese Anregung gern aufgenommen hat. 2016 konnte ich beim Katholikentag in Leipzig davon berichten, wie es dann doch geklappt hat: Über einen Glaubenskurs im „Haus der Katholischen Kirche“ in Mannheim, der „Offenen Tür“ der Jesuiten. Pater Andreas Leblang hat ihn 2013 angeboten und mich damit an die Hand genommen. 2014 habe ich mich endlich taufen lassen und es nie bereut.
Seither besuche ich auch einen Glaubenskreis meiner Gemeinde St. Ludwig in Ludwigshafen und bin recht regelmäßige Gottesdienstbesucherin. Mein morgendliches Gebet würde mir fehlen.
Ich fühle mich aufgehoben in Gottes Liebe, getragen und gehalten. Für mich ist mein Glaube und meine Beziehung zu Gott wichtig, weniger die Institution Kirche.
Aber ich bin dort bewusst Mitglied geworden, weil mein Glaube eine Gemeinschaft braucht, weil mir die Liturgie und die Eucharistiefeier viel bedeuten. Weil ich mich zu meinem Glauben bekenne und all das Gute unterstützen möchte, wofür die christliche Religion steht. Ökumene ist mir wichtig, aber die katholische Art, die Liturgie zu feiern, mit ihrer Zeichenhaftigkeit und ihrer Struktur sind mir ans Herz gewachsen.
Fotos: © Susanne Kraus