„LU can learn“ ermöglicht es jungen Menschen, den Schulabschluss nachzuholen
Um jungen Menschen eine Chance auf gute Bildung und das Nachholen eines Abschlusses außerhalb der Regelschule zu ermöglichen, startet das Ludwigshafener Heinrich Pesch Haus gemeinsam mit der Stiftung Jugend.Hafen jetzt das Projekt „LU can learn“. Anfang April 2024 startet ein vierzehntägiger Workshop für die Lernenden, bevor dann im Anschluss die einjährige Unterrichtsphase beginnt. Projektleiterin Jana Sand und Projektkoordinator Max Berger stellen das Projekt und seine Ziele vor. Ein Interview.
Was genau verbirgt sich hinter „LU can learn“?
Berger: „Lu can learn“ ist ein Projekt, um Menschen ohne Schulabschluss zu unterstützen. Sie werden von Ehrenamtlichen von Montag bis Freitag unterrichtet und auf die sogenannte Nichtschülerprüfung vorbereitet. Mit dieser können sie einen nachträglichen schulexternen Abschluss wie die Berufsreife, einen Realschulabschluss oder sogar das Abitur nachholen. Bei uns im Projekt geht es zunächst rein um die Berufsreife.
Wie sieht der Unterricht konkret aus?
Berger: Die Lernenden werden ein Jahr lang bei uns im Heinrich Pesch Haus unterrichtet. Wir haben einen festen Raum, den wir gerade entsprechend einrichten. Tische, Stühle, Tafel und PCs gehören genauso zur Ausstattung wie eine Entspannungs-Ecke mit Sofa. Der Unterricht findet in fünf Fächern statt. Für die Nichtschülerprüfung notwendig sind auf jeden Fall die Fächer Mathematik, Deutsch und Sozialkunde. Außerdem unterrichten wir noch die Fächer Biologie und Erdkunde. Denn für die Berufsreife sind drei schriftliche Prüfungen und – je nach Noten – mündliche Prüfungen in bis zu fünf Fächern vorgesehen. Und dann am Ende sind wir froh, wenn möglichst viele der Lernenden diese Prüfung bestehen und ein Abschlusszeugnis in der Hand haben.
Angebote, Schulabschlüsse nachzuholen, gibt es ja auch an anderer Stelle, zum Beispiel bei Volkshochschulen. Was unterscheidet „LU can learn“ von diesen?
Berger: Das ist vor allem die kleine Gruppengröße. Wir arbeiten nicht in einem großen Klassenverband, sondern starten mit fünf Personen. Der Unterricht kann je nach Bedarf und Lernstand in Zweier- oder Dreiergruppen erfolgen.
Sand: Neben den Unterrichtsfächern ist es uns wichtig, auch die Persönlichkeitsbildung der jungen Menschen zu unterstützen. Es sind die unterschiedlichsten Gründe, warum jemand den Schulabschluss nicht geschafft hat. Jede*r bringt da eine eigene Geschichte mit. Deshalb ist uns auch eine sozialpädagogische Begleitung sehr wichtig. Und außerdem versuchen wir bereits während des Projekts, die Lernenden mit Unternehmen in Verbindung zu bringen. Im besten Fall bekommen sie nach dem Schulabschluss einen Ausbildungsplatz und erhalten somit die besten Möglichkeiten für eine gesellschaftliche und berufliche Integration.
Berger: Deshalb werden wir den Unterricht möglichst lebenspraktisch gestalten und immer wieder Workshops oder Exkursionen anbieten. Das kann auch mal ein Angebot zur finanziellen Bildung sein.
Das ist doch sicher sehr personalintensiv. Wie stemmen Sie das?
Berger: Wir haben bereits 20 Ehrenamtliche gewonnen, die unterrichten. Für die einzelnen Fächer haben wir Fachschaften gegründet, die im Schnitt mit vier bis fünf Personen besetzt sind. Die Ehrenamtlichen sind der Kern des Projekts, neben den Lernenden natürlich. Ohne die Ehrenamtlichen könnte „LU can learn“ nicht stattfinden.
Sand: Wir haben im Haus bereits viel Erfahrung mit dem Einsatz von Ehrenamtlichen und – wie ich finde – ein gutes Gespür für die Arbeit mit den Ehrenamtlichen. Wir wollen diese natürlich auch gut an die Hand nehmen, entsprechend schulen und begleiten. Sie haben einen ständigen Ansprechpartner für alle Fragen. Wir bieten den Ehrenamtlichen ein „Rundum-Paket“ mit Fortbildungen und Supervision, um das Projekt bestmöglich auf den Weg zu bringen.
Wie sieht es mit der Finanzierung aus?
Sand: Die jungen Menschen zahlen monatlich 50 Euro für den Platz bei LU can learn. Das ist für uns eine wichtige Grundlage, um auch eine gewisse Verbindlichkeit zum Projekt herzustellen. Diese 50 Euro decken allerdings nicht einmal 10 Prozent des Finanzierungsaufwands für eine Person ab. Daher sind wir durchgängig auf der Suche nach Unterstützern – finanziell wie ideell, denn auch Ehrenamtliche suchen wir noch. Und junge Menschen, die bei uns ihre Berufsreife nachholen möchten, können sich jederzeit melden.
Das Projekt »LU can learn«
Mehr Informationen finden Sie auf der Homepage des Heinrich Pesch Hauses oder laden Sie hier den Flyer herunter.
Warum hat sich das Heinrich Pesch Haus entschlossen, dieses Projekt zu starten?
Sand: Das Heinrich Pesch Haus steht mit seinen unterschiedlichsten Projekten und Schwerpunkten schon immer für Bildungsgerechtigkeit ein und hat daher besonders auch die Menschen im Blick, die auf unterschiedlichsten Ebenen Unterstützung brauchen.
Für das Haus passt „LU can learn“ sozusagen wie die Faust aufs Auge, weil wir den Jugendbereich auch in anderen Bildungsbereichen abdecken und weil Teilhabe uns ein wichtiges Anliegen ist.
50.000 Menschen verlassen die Schule deutschlandweit jährlich ohne Abschluss, auch in Ludwigshafen ist die Quote hoch. Sie bieten nun zu Beginn fünf Personen die Möglichkeit, den Abschluss nachzuholen. Ist das nicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein?
Sand: Nein. Jede einzelne Person, die den Abschluss nachholt, ist ein Erfolg für uns. Jede Person, die uns das Vertrauen schenkt, sie zu begleiten, und die wir auf der anderen Seite mit „LU can learn“ unterstützen können. Wir ermöglichen ihr einen besseren Start in die Berufswelt und eine gesellschaftliche Integration. Es geht um die Menschen. Denen möchten wir helfen.
Berger: Wir haben uns bewusst zu Beginn des Projekts auf fünf Lernende beschränkt, weil alles neu für uns ist und wir das Projekt erst einmal zum Laufen bringen müssen. Im Verlauf des Projektes werden wir die Zahl an Lernenden steigern. Wir haben ein großes Vorbild, „Das andere Schulzimmer“ in Mannheim, die haben 2018 auch mit einer kleinen Gruppe angefangen und sind gewachsen. Vielleicht kann „LU can learn“ ja auch ein Anstoß für andere Einrichtungen im Land sein.
Interview: Dr. Anette Konrad