Warum die katholische Kirche ihre Haltung zur Schulbildung überprüfen sollte, statt sie zum Ventil des Sparzwangs zu reduzieren
Die katholische Kirche ringt gerade auf vielen Feldern um Haltung – auch auf dem Feld der Schulbildung. Hier allerdings relativ unbemerkt. Waren Hamburgs Schulschließungen noch ein Paukenschlag, so fiel der Aufschrei bei einem der größten Schulbistümer in Deutschland, in Mainz, eher moderat aus.
Nun ist gegen Realismus wenig einzuwenden. Schwindende finanzielle und personelle Ressourcen sind ja nur logische Folgen schwindender Mitgliederzahlen. Und natürlich müssen die Kirchen in den kommenden Jahren gegen eine Überdehnung ihrer Engagements gegensteuern. Beunruhigend ist eher, wie wenig es den Kirchen gelingt, im Blick auf ihre Schulen, immerhin eines ihrer größten und erfolgreichsten Engagements, Haltung und Wertschätzung zu entwickeln. Irgendwie läuft Bildung unter dem Radar durch. Kirchenschließungen und sterbende Gemeinden absorbieren die Aufmerksamkeit. Die kirchlichen Debattenforen werden dominiert von Delegierten aus Gemeinde und Pastoral. Verdeckt ist dies auch ein Generationenkonflikt.
Denn wo, wenn nicht in den Schulen und Hochschulgemeinden, begegnet Kirche heute überhaupt noch jungen Leuten in nennenswerter Zahl?
Schulen machen keine kleinen Christinnen und Christen
Niemand spricht es laut aus. Aber manchmal kann man es hinter den Stirnen lesen: Wenn wir so viel Geld in Schulbildung stecken – warum kommt da so wenig Nachwuchs raus? Der völlig unerwartete Erfolgt der Schulen nötigte im 17. Jahrhundert die ersten Jesuiten, Bilanz zu ziehen und sich erstaunt selbst zu fragen, was diesen Erfolg ausmachte, und ob er Grund genug war, sich tiefer auf Schulbildung einzulassen. Den Jesuiten dieser Generation war klar, dass Bildung nicht durch Rekrutierungs- oder Missionierungsinteressen korrumpiert werden darf.
Die ersten Jesuiten glaubten durchaus an die Kraft guter Vorbilder in der Bildung. Aber Bildung fördert Menschen darin, selbstständig zu denken und Verantwortung zu übernehmen. Und deshalb muss sie auch in ihren Absichten „keusch“ bleiben, sonst zerstört sie, motiviert durch Rekrutierungsabsichten, Vertrauen. Selbst wo es gelingt, dass Lehrende gute Vorbilder sind, bleibt es der Absicht des Vorbildes entzogen, wohin ihr Vorbild die Schüler führt. Deswegen müssen, theologisch mit den ersten Jesuiten gesprochen, Lehrende sein wie gute Waagen. Sie zeigen Wege, müssen selbst aber unbestechlich sich enthalten, eigenes Gewicht in die Waagschale von Entscheidungen zu legen, die Gott und der einzelnen Person, der „Seele“ überlassen bleiben müssen.
Buchtipp:
Mehr dazu im Buch von Tobias Zimmermann “Warum Schule Persönlichkeiten bilden muss. Orientierung in Zeiten der Digitalisierung.”
Kirchliche Schulen gehören in den Bereich der Diakonie
Kirchliche Schulen und konfessioneller Religionsunterricht gehören also in den Bereich der Diakonie, dem selbstlosen Dienst an der Förderung und Orientierung junger Menschen. Kirchliche Schulen und Lehrende des Religionsunterrichts machen hier einen guten Job. Das zeigen Nachfrage und die vergleichsweise hohe Beliebtheit des konfessionellen Religionsunterrichts, die ein Vertrauen spiegeln, das geradezu gegenläufig ist zur Haltung steht, welche kirchlichen Angeboten außer vielleicht im Bereich der Caritas sonst entgegengebracht wird.
Ein Grund, warum die ersten Jesuiten sich massiv im Bereich der Schulen engagierten, war – so schrieb Juan Polanco SJ – , dass sie viel lernten, indem sie lehrten. Und dies hänge wiederum damit zusammen, dass die Lehre zu Sorgfalt und Disziplin erzieht. Der Erfolg des Ordens wurde zurück geführt darauf, dass der Unterricht an den Schulen auch die Lehrenden und die eigene Institution bildete. Davon könnten die Kirchen heute wieder lernen: Junge Leute entlarven auf Anhieb, wo Sprache im Blick auf die Adressaten nicht sorgfältig gewählt ist, wo sie in leere Floskeln abgleitet. Auf der Suche nach einer eigenen Haltung zu den Mitmenschen und der Welt hinterfragen Jugendliche offen und kritisch die Haltungen der Erwachsenen.
Die Kirchen sollten sich um ihrer selbst willen glücklich schätzen, dass sie über die Schulen noch Orte hat, wo sie und ihr Personal lernen- und eigene Sprache und Haltung reflektieren kann.
Schulen als Dialog-Ort mit der Gesellschaft
Die katholische Kirche sollte also mehr denn je den Schulen Aufmerksamkeit, Wertschätzung und Interesse entgegenbringen und sie mit der gebotenen Demut und Offenheit als Orte nutzen, um über Eltern und Jugendliche wieder in den Dialog mit der Gesellschaft auch jenseits der eigenen Blasen zu treten. Schulen könnten so die Widerstandkräfte in den Kirchen stärken, um den Verführungen des Sektierertums entgegen zu treten.
Umgekehrt würden die Kirchen einem Bildungssystem, das seit Jahrzehnten durch einen flachen Funktionalismus in die Mangel genommen wird, einen riesigen Dienst leisten, wenn sie in den Schulen um guter Bildung willen die Frage nach Gott und dem Menschen offenhält.
Online-Debatte:
Eine Online-Debatte zum Thema findet am Freitag, 24. September von 13:30 Uhr bis 15:30 Uhr im Rahmen des Online-“Salon HumanismusPlus” von den “Tagen der Ignatianischen Pädagogik” statt.
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