Wo die Zukunft zur Gegenwart wird: ein Besuch im Futurium Berlin
Stell dir vor, du bist 38 Jahre alt. Du lebst mit Mann, einem Kind und drei Robotern in einem Haus. Nebenan wohnt deine 130-jährige Uroma. Deine Kolleg*innen hast du vor zehn Jahren das letzte Mal persönlich gesehen, denn du arbeitest ausschließlich in der Cloud. Obst und Gemüse baust du selber an, im Keller und an den Wänden deines Hauses. Insekten stehen mehrmals wöchentlich auf dem Speiseplan. Und für Energie sorgen Windsegel … Sieht so unsere Zukunft aus? Oder vielleicht ganz anders?
Spätestens seit Thomas Morus’ “Utopia“ (1516), dem „Urvater der Utopie“, lassen sich die Menschen von der Zukunft in Bann schlagen. Sei es von idealtypischen Gesellschaftsentwürfen, von abschreckenden Beispielen wie Orwells „1984“ (1949) oder Aldous Huxleys „Brave New World“ (1932), sei es von Aliens, Raumschiffen, Ufos und Robotern in Science Fiction-Filmen oder -Romanen. Und auch Horoskope erfreuen sich bei so manchem großer Beliebtheit. Im Berliner Futurium geht es allerdings nicht um eine Fantasiewelt, sondern um konkrete Entwicklungen und Visionen für unsere Zukunft.
Wie möchten, wie können wir zukünftig wohnen, leben und arbeiten?
So leuchten zu Beginn des Ausstellungsrundgangs auf einer großen Installation Leitfragen der Ausstellung auf wie etwa: Wird unser Strom vom Mond kommen? Wie wäre es, mit nur 100 Sachen zu leben? Muss ich in Zukunft noch arbeiten? Werden die Städte grün wie ein Urwald? Aber auch: Wann verliebt sich mein Smartphone in mich?
Hier wird schon deutlich, dass es nicht der technische Fortschritt allein ist, der unsere Zukunft ausmacht, sondern dass die Zukunft oder die Zukünfte erst im Zusammenspiel von Mensch, Natur und Technik entstehen. So sind auch die drei großen Bereiche der Ausstellung, die „Denkräume“, mit Mensch, Natur und Technik betitelt.
Gut gefallen hat mir die Einbeziehung der Besucher*innen, die an vielen Stellen gefragt werden: „Deine Zukunft: Wie entscheidest Du?“ So zum Beispiel im Bereich Technik, wo die Frage, woher und wie wir zukünftig unsere Energie beziehen, eine große Rolle spielt. Mit „Glowbus Tours“ geht es da nach „`E-Dorado´- der Stadt, der niemals der Saft ausgeht“. Der Strom kommt von einem riesigen Solarsatelliten. Der beamt den Strom aus dem All auf die Erde. Manchmal ist er allerdings nicht so zielgenau und legt Gebäude in Schutt und Asche. Alles hat eben so sein Für und Wider … Drei Antworten stehen hier zur Wahl, die man über ein interaktives Armband in sein persönliches Zukunftsszenario einspeichern kann:
- „Endlos Energie, ohne Kummer um Klima oder Konto? Da zieh´ ich hin!”
- “Scheint etwas unsicher zu sein, das Ganze. Aber irgendwo muss die Energie ja herkommen …”
- “Da sitz´ ich lieber manchmal im Dunkeln. Aber im Ernst: Wie wär’s mit einem geringeren Energieverbrauch?“
Ein Bauklotz-Hochhaus und Werk-Städte
Spannend sind auch die Einblicke ins Wohnen von morgen: An Holzbausteine erinnert hat mich ein Hochhaus aus bogenförmigen Bauteilen, das sich schnell aufbauen und genauso schnell wieder abbauen lässt. Eine ganze Wand zeigt Bilder und Modelle von umweltfreundlichen Häusern mit begrünten Fassaden, die oft zugleich zur Versorgung der Bewohner*innen genutzt werden. Die Energieversorgung übernehmen fliegende Kraftwerke und auch das Leben auf dem Mars und in Weltraum-Städte könnte Wirklichkeit werden. Bodenständiger sind da die Werk-Städte. In den sogenannten „Fab Cities“ sollen zukünftig mehr als die Hälfte aller benötigten Dinge vor Ort produziert werden, und das in einem globalen Netzwerk von Städten. „Fab City 2054“ besteht übrigens seit 2014 und 28 Städte sind schon Mitglied.
Deutlich wird in den “Denkräumen” aber auch: Nicht alle Visionen werden Wirklichkeit. Doch das ist ganz normal, wie ein Blick in die Vergangenheit mit vielen gescheiterten Entwicklungen zeigt. Aber klar wird auch: Egal, wie viel Maschinen oder Computer können, dahinter steht immer der Mensch, der die Daten eingibt und die Entwicklung beeinflusst.
Die Ausstellung bietet eine wahre Informationsflut, zu viel für einen Besuch. Aber auch da haben die Ausstellungsmacher*innen vorgesorgt: Auf dem interaktiven Armband kann man die Themen speichern, die einen besonders interessieren. Am Ende des Rundgangs spuckt eine Maschine dann einen persönlichen Code aus. Mit ihm erhält man Zugang zu einer individualisierten Homepage und kann jederzeit in seine ganz persönliche Zukunft eintauchen.