Sozial-ökologische Wende

Nachhaltigkeit  

Die sozial-ökologische Transformation beginnt bei uns selbst

Was es braucht, damit ökologische und soziale Ideen Realität werden

Mit der sozial-ökologischen Transformation verbinden viele vor allem Einschränkungen und Verzicht. Doch sie eröffnet neue Freiräume für die persönliche Entwicklung und ein gelingendes Miteinander.

Ich liebe es, Fahrrad zu fahren. Jedes Mal, wenn ich auf meiner Trainingsrunde in den ersten Waldweg einbiege, freue ich mich. Die Luft ist klarer und angenehmer als in der Stadt, ich fühle mich sofort freier im Kopf, die Tour durch den Wald ist Entspannung und Erholung. Auch wenn es oft nur ein flüchtiges Gefühl ist, über das ich nicht weiter nachdenke: Es tut gut, in der Natur zu sein.

Zu schützen und zu stärken, was uns guttut – das ist die Grundidee der sozial-ökologischen Transformation. Es geht um Wirtschafts-, Gesellschafts- und Lebenskonzepte, die keinen Raubbau an Umwelt und Mensch betreiben, die nicht zerstören und ausbeuten, sondern sorgsam mit der Natur umgehen und gleichzeitig Raum schaffen für soziale Beziehungen und die Entfaltung des Menschen.

In der Debatte um den Klimawandel erlebe ich oft Abwehrreaktionen, deren Wurzel eigentlich Verlustängste sind: Wir müssen uns einschränken, wir sollen auf liebgewordene Dinge verzichten. Das schlechte Gewissen wird zum ständigen Begleiter, wenn wir ins Flugzeug steigen oder Fleisch essen oder ein neues Auto kaufen.

Mit unseren Gedanken und Gefühlen kreisen wir um Beschränkungen, die uns drohen. Wir haben Angst, etwas zu verlieren. Und das blockiert einen offenen und positiven Blick auf die sozial-ökologische Transformation. Zwei Erfahrungen helfen mir, aus dieser Bedrohungs- und Verlustschleife herauszukommen.

Macht Konsum glücklich?

Ich habe zwölf Jahre in Venezuela gelebt und als Direktor unseres Hilfswerkes Jesuitenweltweit besuche ich regelmäßig Länder und Projekte im globalen Süden. Dort erlebe ich immer wieder, dass Menschen mit sehr viel weniger Konsumgütern auskommen als bei uns und trotzdem ein glückliches und erfülltes Leben haben. Es geht mir nicht um eine Verklärung der Armut, sondern um eine Zufriedenheit, die sich eben nicht an der Anhäufung von Gütern, sondern an menschlichen Beziehungen festmacht. Daran, Teil einer Gemeinschaft zu sein und einer sinnvollen Beschäftigung nachzugehen.

Lebensfreude und Lebensbejahung sind oft viel greifbarer und scheinen mir auch tiefer verankert zu sein. Daraus erwächst eine starke Resilienz, denn oft fehlt die Zukunftsabsicherung und Lebensumstände sind deutlich prekärer. Von diesen Erfahrungen des globalen Südens können wir uns inspirieren lassen.

Eine ähnliche Bewegung nehme ich auch bei der jüngeren Generation in unseren Kulturkreisen wahr. Das eigene Wohlbefinden, der eigene Status hängt für viele Jüngere nicht mehr am Besitz von Gütern, sondern an ihrem Gebrauch. Man kann ein Auto, ein Ferienhaus oder eine Bohrmaschine mit mehreren zusammen benutzen und teilen. Sharing Economy ist der Begriff dafür und es ist alles andere als freudloser Verzicht. Über Apps kann ich mich mit Gleichgesinnten vernetzen, um Alltagsdinge und -dienste anzubieten oder zu nutzen. Neue, durchlässige und flexible Formen von Gemeinschaft können so entstehen.

Ordensgemeinschaften als Impulsgeber

Wenn man genau hinschaut, entsprechen beide Erfahrungen dem ursprünglichen Charisma unserer Ordensgemeinschaften: Leben in Gemeinschaft und Verzicht auf persönlichen Besitz. Ordensgemeinschaften und Klöster waren in der Vergangenheit immer wieder Impulsgeber für gesellschaftliche Veränderungen.

Die Grundanliegen der sozial-ökologischen Transformation fallen in unseren ureigenen Kernbereich: dem Leben in Fülle, um es theologisch auszudrücken. Wir brauchen auch innerhalb des Ordens unter uns Jesuiten einen neuen Aufbruch, einen Verzicht auf liebgewordenen Besitz, um Freiräume zu öffnen und Experimente zu wagen. Impulsgeber können wir nur dann sein, wenn die sozial-ökologische Transformation bei uns selbst beginnt.

Foto: © fotografixx/iStock.com


Klaus Väthröder SJ

war zwölf Jahre in Venezuela tätig. Derzeit ist er Leiter von jesuitenweltweit in Nürnberg und Wien. In der Zentraleuropäischen Provinz der Jesuiten ist er Delegat für Ökologie und Soziales.
www.jesuitenmission.de

Foto: © Dr. Christian Ender

Weiterlesen

02.06.2025 Zusammenleben
Gemälde von Panka Chirer-Geyer

Von Herzen loben

Lob kann verbinden – oder trennen. In der Gewaltfreien Kommunikation geht es darum, Anerkennung so auszudrücken, dass sie echte Beziehung stärkt: ehrlich, respektvoll und einfühlsam. Warum herkömmliches Loben oft sein Ziel verfehlt und was man besser machen kann.

weiter
27.05.2025 Zusammenleben
skinnytok

Social Media als Spiegel der Gesellschaft

Während rechtspopulistische Strömungen weltweit an Einfluss gewinnen, erleben auch überholte Rollenbilder ein digitales Comeback. Auf TikTok feiern Trends wie #skinnytok und die Tradwife-Bewegung ein Frauenbild, das Selbstbestimmung durch Disziplin, Anpassung und Unterordnung ersetzt – und damit gefährlich nah an ein reaktionäres Ideal rückt.

weiter
20.05.2025 Sinn

„Wenn du den Neustart jetzt nicht wagst …“

Melanie Wolfers ist Ordensfrau, Speakerin und begleitet als Seelsorgerin Menschen in alltäglichen und besonderen Situationen. Mit ihren Büchern zählt sie zu den erfolgreichsten spirituellen Autorinnen im deutschsprachigen Raum. „Atlas der unbegangenen Wege“ heißt das neueste Buch der Theologin, das sie gemeinsam mit Andreas Knapp geschrieben hat. In Österreich hat der Band es auf Anhieb auf die Bestsellerliste geschafft. Was hat es damit auf sich – und wie kam die Idee für das Buch zustande? Melanie Wolfers gibt im Interview Auskunft.

weiter