Warum sich die Caritas an der Entwicklung eines großen urbanen Gebiets beteiligt
„Leben statt nur wohnen, ein Zuhause haben statt nur eine Adresse.“ – Das ist die Vision, die die Initiator:innen der Heinrich-Pesch-Siedlung in Ludwigshafen haben. In direkter Nachbarschaft zum Heinrich Pesch Haus entsteht auf mehr als zehn Hektar ein urbanes Gebiet, in dem Arbeiten, Wohnen, Bildung und Soziales miteinander verzahnt werden. Zentrales Konzept ist eine soziale Durchmischung, in der neue Wohnformen und Nachbarschaften entwickelt werden. Die Siedlung wird zu einem Ort vielfältiger Gemeinschaft, die ein lebendiges Miteinander fördert und zugleich Raum für Individualität lässt. Um dies zu erreichen, werden schon vor Baubeginn Konzepte für gelingende Nachbarschaften entwickelt. Beate Czodrowski, Leiterin des Caritas-Zentrums Ludwigshafen, arbeitet seit drei Jahren in der Kerngruppe Soziales an der Gestaltung des Siedlungsprojekts mit.
Frau Czodrowski, Sie sind seit Juni 2018 Mitglied der Kerngruppe Soziales im Kontext der Heinrich Pesch Siedlung. Was ist Ihre Motivation, von damals bis heute mitzuwirken?
Beate Czodrowski: Ich fand es von Anfang an total spannend, mich aktiv an einem Vorhaben zu beteiligen, das schon fast etwas Visionäres hat. Die Heinrich-Pesch-Siedlung war für mich 2018 wenig greifbar. Im Laufe der Zeit ist sie konkreter geworden. Es fasziniert mich bis heute, dass ich dieses Projekt mitgestalten darf.
Was sind die Aufgaben der Kerngruppe Soziales?
Unsere Aufgabe ist es u. a., Prinzipien des Zusammenlebens zu entwickeln, wie zum Beispiel „gemeinsam Verantwortung übernehmen“ oder „menschliche Vielfalt schätzen, Unterschiedlichkeit respektieren“. Die Mitglieder der Kerngruppe Soziales kommen aus vielen verschiedenen Kontexten, von der Stadt Ludwigshafen zum Beispiel oder aus dem kirchlichen Kontext. Und alle bringen ihre Perspektiven ein. Wir haben unterschiedliche Themen. Die Kernfrage ist, wie gemeinschaftliches Wohnen gelingen kann. Wie kann es gesteuert werden? Da machen wir uns über die Instrumente Gedanken. Wir sprechen beispielsweise über die Gemeinschaftsgärten, die auf dem Siedlungsareal entstehen. Wie kann das erreicht werden? Dazu arbeiten wir auch mit der Hochschule Ludwigshafen und der Universität Kaiserslautern zusammen. Und wir planen eine Vortragsreihe.
In Ludwigshafen entsteht gerade die Heinrich-Pesch-Siedlung. Der neue Stadtteil vereint ökologische, soziale und bildungsorientierte Prinzipien und wird eine wegweisende Form des Zusammenlebens realisieren.
Vor ein paar Jahren gab es die Kampagne des Caritasverbands mit dem Motto „Jeder Mensch braucht ein Zuhause“. Welche Erfahrungen nehmen sie aus der Kampagne mit – und was heißt das für die aktuell beginnende Kampagne #DasMachenWirGemeinsam?
Der große Aha-Effekt der Wohn-Kampagne war, dass das Thema Wohnen in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Prekäre Wohnverhältnisse, zu wenig Wohnraum, bezahlbarer Wohnraum – das kann jeden treffen, nicht nur den Hartz-4-Empfänger oder die Rentnerin mit kleinem Einkommen oder Menschen mit prekären Arbeitsverhältnissen. Das trifft Menschen quer durch die Schichten, Erzieherinnen, Polizisten, Krankenschwestern. In Ludwigshafen bekommen wir das aus erster Hand mit.
Unter Corona haben sich die Wohnbedingungen noch verschärft. Bezahlbarer Wohnraum ist ein Thema, das uns alle betrifft, das mit gesellschaftlichem Zusammenhalt zu tun hat. Und in diesem Kontext spannt sich der Bogen zur aktuellen Kampagne #DasMachenWirGemeinsam. Denn die Caritas stellt sich gegen Ausgrenzung und setzt sich ein für Solidarität. Mit unserer Kampagne wollen wir gemeinsam Ideen für eine solidarische und sozial gerechte Welt entwickeln und leben.
Im Zuge der Pandemie gewinnt eine Frage eine neue Bedeutung: Wie steht es um den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft?
Mit Blick auf die Zukunft – worin besteht die Motivation, weiter bei der Entwicklung der Heinrich-Pesch-Siedlung mitzuarbeiten?
Es ist ein spannender Prozess, wie sich alles entwickeln wird. Ich bin total gespannt, wie die Siedlung aussehen wird, wenn die ersten Häuser stehen und sich das Quartier mit Leben füllt. Was werden dann für Herausforderungen entstehen, und wer ist dann beim Projekt dabei? Das macht die Freude und Faszination an der Mitarbeit aus.
Das heißt also, die Vision in die Wirklichkeit zu bringen?
Ja, genau, zu schauen, wie die verschiedenen Ideen umgesetzt werden können und wie es dann in der Realität aussieht.
Interview: Ulrike Gentner
Dokumentation: Dr. Anette Konrad
Foto: © Rawpixel/iStock.com