Chrystal Church USA Konrad

Versöhnung  

Dem Himmel so nah

Was passiert, wenn eine Kirche die Konfession wechselt

Tausende Glasscheiben, der Blick geht von der Kirchenbank ungehindert in den blauen Himmel Kaliforniens: Wenn der Glockenturm nicht wäre, könnte man das große, verspiegelte Gebäude im Süden von Los Angeles für ein Flughafenterminal oder den Sitz einer Versicherung halten. Es ist jedoch der Glas gewordene Traum des Predigers Robert Harold Schuller von der Reformierten Kirche Amerikas. Und er als Person verkörpert den amerikanischen Traum, denn hier kann nicht nur der Tellerwäscher zum Millionär werden, sondern auch der Bauernsohn aus Iowa zum Kirchengründer, Fernsehstar – und natürlich Millionär.

Die Chrystal Church und Robert Schuller stehen für die so wohl nur in den USA mögliche Kommerzialisierung von Glauben, für die sogenannten „Mega Churches“. Vielleicht liegt der riesige Glaspalast nicht von ungefähr nahe Disneyland.

„If you can dream it, you can do it“

Wenn du es träumen kannst, kannst du es auch machen – Dieser Leitspruch von Kirchengründer Robert H. Schuller erzählt in knappen Worten die Geschichte einer gleich in mehrerer Hinsicht ungewöhnlichen Kirche. Geboren 1926 auf einer Farm in Iowa will Schuller mit fünf Jahren von Gott erweckt worden sein. Später folgte er mit seiner Familie dem Ruf Gottes nach Kalifornien, um seine eigene Kirche zu eröffnen.

Da sich kein geeignetes Objekt fand, wandelte er 1955 kurzerhand ein ehemaliges Autokino in eine „Drive-in“-Kirche um. Auf das Dach eines Kiosks stellte er ein einfaches Holzkreuz, mehr brauchte es nicht für seine Gottesdienste. Schuller stellte sich auf die Bühne und predigte. Die Menschen saßen in ihren Autos und hörten ihm zu. Immer mehr Menschen strömten zu seinen Gottesdiensten, so dass sich Schuller Ende der 1950er Jahre entschied, die erste „richtige“ Kirche zu bauen.

Chrystal Church Schuller Konrad
Kirche im Autokino

Weltweit erste „Walk-in Drive-in“-Kirche

Es entstand die weltweit erste „Walk-in Drive-in“-Kirche, in der Schuller auf einer Balustrade am offenen Fenster stand und gleichzeitig für die Gottesdienstbesucher in der Kirche wie im Auto predigte. „Das Leben ist nicht fair. Aber Gott ist gut“, oder „Entdecke deine Möglichkeiten – und lebe sie“ – mit solchen Botschaften, die Inhalte der protestantischen Lehre mit New-Age-Elementen mischen, sprach Robert Schuller immer mehr Menschen an.

In seinen Predigten und Büchern fokussiert sich Schuller auf die Hoffnung als eine entscheidende Quelle der Kraft.

Als seine Gottesdienste 1970 im Fernsehen zu sehen waren, stieg Schullers Popularität immens an. Seine einstündige „Hour of Power“ sahen etwa zehn Millionen Menschen auf der ganzen Welt, auch in Deutschland.

Der Traum von einer gläsernen Kirche

Spätestens als die Gemeinde mehr als 10.000 Menschen zählte, musste allein aus Platzgründen eine neue Kirche gebaut werden. Schullers Traum war eine gläserne Kirche, die eine freie Sicht in den blauen Himmel Kaliforniens garantierte. Voll Gottvertrauen und Vertrauen auf die Spendenfreudigkeit seiner Anhänger ging Schuller an die Umsetzung seiner Vision. Und war erfolgreich: Jedes der fast 11.000 Fenster wurde gespendet und trägt eine kleine Plakette mit dem Namen der Spender. Ebenso die über 3.000 Stühle. Auch für die 17.000 Orgelpfeifen, Glocken und die Baukosten fanden sich geneigte Geldgeber.

Chrystal Church Schuller Konrad
Freier Blick nach draußen

1980 wurde der Glaspalast zu Ehren Gottes, den Star-Architekt Philip Johnson geplant hatte, eingeweiht. Bietet die rundum verglaste Kirche schon von außen einen spektakulären Anblick, so ist der Eindruck im Innern unvergleichlich: Von der Kirchenbank geht der Blick direkt in den Himmel, das Kirchenschiff wirkt weit, fast grenzenlos, und Licht durchflutet. Eine Kirche, so ganz anders als die bekannten romanischen oder gotischen Kathedralen. Auch die Ausmaße der sternförmigen Chrystal Cathedral sind beeindruckend: 126 Meter lang, 63 Meter breit und stolze 39 Meter hoch, was zwölf Stockwerken entspricht.

Schuller Konrad Chrystal Church
Robert Schuller

Die Kirche prosperierte zunächst ständig und zählte in ihren Hochzeiten 10.000 Gemeindemitglieder. Mit seinen Fernseh-Predigten nahm Robert H. Schuller viel Geld ein. Doch diese Zeiten sind lange vorbei. Zu Beginn der 2000er Jahre geriet der Pionier der christlichen TV-Verkündigung in finanzielle Schieflage. Die Gläubigen und damit auch die Spenden blieben aus. Mitte Oktober 2010 musste die Chrystal Church ihre Zahlungsunfähigkeit erklären.

Aus der Traum

Seit Februar 2012 ist Robert Schullers Traum endgültig ausgeträumt: Für 57,5 Millionen US-Dollar wechselte die Chrystal Cathedral die Konfession. Sie heißt nun Christ Cathedral und ist das spirituelle Zentrum für die 1,6 Millionen Katholiken im Bistum Orange im US-Bundesstaat Orange County.

Der neue Eigentümer ließ das Gebäude für die Nutzung als katholische Kathedrale umbauen – neben einem Altar aus italienischem Marmor, einem Baptisterium und einer Anbetungskapelle betrifft die augenfälligste Veränderung die unzähligen Fenster – jedes der 11.000 Glaselemente erhielt eine segelförmige Fensterjalousie: Aus der Traum von einer transparenten Kirche. Die Gläubigen sind dem Himmel nun nicht mehr ganz so nah.

Christ Church Orange
So sieht die Kathedrale heute aus.

Fotos: © rcbo, © Anette Konrad


Anette Konrad

Ohne Block und Stift geht sie nie aus dem Haus. Denn die Journalistin könnte ja unterwegs auf ein spannendes Thema stoßen. Die promovierte Historikerin und Slavistin schreibt gerne über geschichtliche Themen, porträtiert faszinierende Menschen, verfasst aber auch Unternehmensporträts und Reisereportagen. Dabei verbindet sie Berufliches mit ihrer großen Leidenschaft: dem Reisen. Seit sie einige Monate in Moskau studiert hat, zieht es sie immer wieder nach Osteuropa. Im Heinrich Pesch Haus verantwortet sie die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

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