Auf der Suche nach dem ewigen Leben
Der Tod ist für den Menschen eine Herausforderung. Oft ist er mit Schrecken besetzt. Er ist eine Beleidigung der Liebe. Denn Liebe will Ewigkeit, noch mehr als die Lust, auch wenn Friedrich Nietzsche zurecht ihr Nimmer-satt beschreibt. Alle Jenseitsbilder, die in Mythen und Märchen, in Literatur und in den verschiedenen Religionen ausgemalt werden, entstammen der Sehnsucht nach Unsterblichkeit. Der Mensch sucht nach einer Form des Lebens jenseits des Todes. Auch die Philosophie konnte sich diesem Drang oft nicht entziehen. Wenn auch der Leib nach dem Tod offensichtlich zerfällt, die Seele muss unsterblich sein, argumentierte sie.
Wird die Jenseitswelt jedoch ausgemalt, wird das Diesseits über den Tod hinaus projiziert. Himmel und Hölle, Fegefeuer und Paradies werden entworfen. Hoffnungen wie auch Ängste führen den Pinsel. Je diesseitiger die Welt nach dem Tod gemalt wird, desto offensichtlicher stellt sie jedoch eine Verdrängung des Todes dar. Sie ist kindlicher Allmachts- und Unsterblichkeitsfantasie geschuldet.
Der Tod – unterschiedlich herausfordernd
Der natürliche Tod eines alten Menschen nach erfülltem Leben ist eine kleine Herausforderung. Er kann sogar von Krankheit und Gebrechen erlösen. Eine größere Herausforderung ist der Tod eines jungen Menschen. So vieles stand noch offen, war unvollendet. Bei Krankheit oder Unfall bricht das Leben tragisch ab. Am schrecklichsten aber ist der Tod, wenn er durch Bosheit herbeigeführt wird: Krieg und Mord, Verfolgung und Zerstörung, die Menschen in den Tod treiben, lassen zum Himmel schreien. Es darf nicht sein, dass Unrecht und Gewalt das letzte Wort haben. Hätten sie es, wäre dem Nihilismus nicht zu entkommen. Der Glaube an einen guten Gott wäre am Ende.
Es spricht für die hebräische Bibel, dass sie sich nicht zu Unsterblichkeitsfantasien hinreißen ließ. Die Israeliten haben schließlich der Hochkultur Ägyptens den Rücken zugekehrt, die den Verstorbenen ganze Palastausstattungen für das Leben im Jenseits in die Totenkammern mitgaben und Pyramiden bauten, die die Unsterblichkeit der mumifizierten Könige zelebrierten. Die Scheol, das biblische Totenreich, war eigentlich kein Lebensraum mehr. Dazu gab es nichts zu sagen, nichts auszumalen.
Die Kultur des alten Israel rang vielmehr um das Leben in dieser Welt. Unrecht und Gewalt durften nicht triumphieren, vor allem dann nicht, wenn rechtschaffene und fromme Menschen umgebracht werden. So wuchs in Zeit der Makkabäer-Kriege, die viele jüdische Märtyrer hervorbrachte, der Glaube an die Auferstehung. Er entspringt nicht einer Unsterblichkeitssehnsucht, sondern der Logik der Ethik. Gerechtes und tugendhaftes Leben muss stärker sein als boshaftes Morden.
Wie soll das geschehen?
Wenn Gott aus Freude am Leben schon Welt und All aus dem Nichts geschaffen hat, dann muss er auch fähig sein, aus dem Tod den Gerechten zum Leben zu erwecken. Und wie hat man sich ein Leben nach dem Tod vorzustellen? Dazu kann man nichts sagen, es sei denn, dass da Gerechtigkeit geschieht.
Es braucht die Auferstehung der Toten – nicht nur ein Weiterleben der Seele – damit die Opfer der Geschichte zu ihrem Recht kommen.
Das Gute verlangt danach, dass es ein Leben nach dem Tod gibt, weil sich das Gute in dieser Welt offensichtlich nicht immer durchsetzt. Daher glaubt die Bibel, dass nach dem Tod das Gericht kommt. Sie freut sich darauf, weil sie weiß, dass sich dann endlich Gerechtigkeit durchsetzt, so wie es in der Welt nie der Fall ist. Daher preisen die Psalmen Gott als Richter.
Wer heute nicht mehr an Gottes Gericht glauben kann, muss sich fragen lassen, ob er mit der Bibel immer noch auf der Seite der zu kurz Gekommenen steht. Sie freuen sich immer auf den Richter. Wer sich aber nicht mehr auf das Gericht Gottes freut, muss sich fragen lassen, ob er mehr auf der Seite der Täter steht.
Liebe ist stärker als der Tod
Der Auferstehungsglaube, der sich in der hebräischen Kultur herausgebildet hatte, trat mit Jesus Christus in aller Klarheit an den Tag. Er, der Gerechte, Jude par excellence, wurde den Römern ausgeliefert und durch Folter am Kreuz umgebracht. Jesus starb nicht eines natürlichen Todes; er hat Gewalt und tiefstes Unrecht erlitten. Doch Gott hat ihn nicht im Tod gelassen, sondern hat ihn auferweckt – um der Gerechtigkeit willen. „Tod, wo ist
dein Stachel, wo ist dein Sieg!“, kann Paulus schon fast übermütig rufen. Und der sanfte Johannes schreibt: „Gott ist die Liebe.“ Liebe ist stärker als der Tod. Wer an Jesus Christus glaubt, gewinnt mit seiner fragmentarischen
Gerechtigkeit und Liebe Anteil an Christus, dem Gerechten. Er wird mit Christus auferweckt – um der Gerechtigkeit willen. Da mögen die Philosophen noch so lange darüber spekulieren, ob es nun eine unsterbliche Seele gibt oder nicht. Das sind Salon-Fragen.
Im Krieg und angesichts der Gewalt gilt allein: Gott hat das letzte Wort, und jeder, der glaubt, hat Anteil an ihm.
Dieser Text ist zuerst im JESUITEN-Magazin 2/2022 mit dem Thema „(Un-)Sterblich“ erschienen.
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