Auf der Suche nach mir selbst
Braune lange Haare, 1 Meter 60 groß, braun-grüne Augen – das bin ich. Oder ist das nur mein Körper? Bin ich nicht viel mehr als mein Äußeres? Was macht mich aus und zu dem Menschen, der ich bin? Ich bin selbst gar nicht sicher, was ich auf die Frage „Wer bin ich?“ antworten könnte und weiß auch nicht, ob ich auf dem richtigen Weg bin, um die Frage irgendwann zu beantworten. Deshalb habe ich mich mit Sr. Isabelle Allmendinger und Christoph Kentrup unterhalten und sie gefragt, wie sie für sich geklärt haben, wer sie sind.
Ich bin Ärztin, Tochter, Freundin, Mitschwester
Sr. Isabelle Allmendinger sds ist 34 Jahre alt, seit drei Jahren Mitglied in der Ordens-gemeinschaft der Salvatorianerinnen und arbeitet als Ärztin und Begleiterin.
Christoph Kentrup SJ ist 74 Jahre alt, seit 38 Jahren Mitglied im Orden der Jesuiten und hat die letzten Jahre als Geistlicher Begleiter gearbeitet.
Auf die Frage, wer sie sind, haben sie beide nicht in Kürze antworten können – es bedarf hier wohl etwas mehr Worte. „Auf der Arbeit bin ich Ärztin, bei meinen Eltern bin ich die Tochter, unter Freunden bin ich die Freundin, in der Ordensgemeinschaft bin ich die Mitschwester“, beginnt die junge Ordensschwester. Von außen betrachtet ist sie immer nur ein Teil von ihrem Ganzen. Sie ist auch der Überzeugung, dass die Frage nach ihrer Identität nie zu 100 Prozent beantwortet sein wird, weil sie immer auf dem Weg ist – auf dem Weg, immer mehr sie selbst zu werden. Dass die Antwort auf die Frage ein Weg und ein Prozess ist, sagt auch Pater Christoph Kentrup SJ: „Da steckt mehreres drinnen: Wer ich geworden bin und wohin ich noch gehen werde. Also einmal die Geschichte und auch, wohin die Reise noch geht. Mit jeder neuen Stelle, neuem Lebensalter kamen bei mir mehr Fragen hinzu.“
Geprägt durch die Familie
Die Geschichte spielt also auch eine Rolle für die eigene Identität – das sagt Pater Christoph Kentrup ganz klar. In unserem Gespräch erzählt er immer wieder von seiner Familie, seinen Geschwistern, seiner Kindheit: „Wichtig war für mich immer die Auseinandersetzung mit meinen Brüdern und Eltern. Bei der Entscheidung, Theologie zu studieren, war ich unsicher. Meine gesamte Familie besteht aus Naturwissenschaftlern. Ich wollte aber Theologe werden. Da war einerseits die Abgrenzung wichtig und gleichzeitig durfte ich spüren, dass sie mich trotzdem bestärken.“
Sr. Isabelle Allmendinger fügt hinzu: „Mit Anfang 20 habe ich gemerkt, dass ich zwar geprägt bin von meiner Herkunft und von meiner Familie, aber dass ich auch viel mehr bin als das. Ich habe festgestellt, dass ich entdecken muss, was in mir steckt – an Fähigkeiten, Grenzen, Interessen. Ich musste lernen, dass ich nicht darauf festgelegt bin, durch was ich geprägt wurde oder was andere in mir sehen. Sondern ich kann noch mehr entdecken. Da ist noch etwas in mir, das zur Entfaltung kommen möchte.“
Mehr von sich selbst entdecken
So war es auch bei Christoph Kentrup. Im Vertrauen auf Gott und dessen Wegweisung durfte er sich selbst neu kennenlernen: „Ich bin Gott dankbar, dass ich auch Herausforderungen erlebt habe. Als ich zum Beispiel ein Haus bauen musste – das war erstmal eine neue, schwierige Aufgabe für mich. Aber in der Arbeit habe ich festgestellt, dass ich Freude an Gestalterischem und Künstlerischem habe, also ein Talent, was ich vorher noch nicht entfalten konnte. Da habe ich erfahren, dass dieses Talent in mir und auch in meiner Familie steckt. Ich hatte Freude daran, mit Architekten und Künstlern zusammenzuarbeiten. Ich hatte gemerkt, dass da etwas in mir ist, das ich noch entdecken kann.
Ich glaube, dass einem solche Herausforderungen gegeben werden, um aufzuspüren, was in einem steckt, und dass es auch eine Freude ist zu sehen, was man noch machen kann. Als ich selbst Krisen bearbeiten musste, habe ich außerdem entdeckt, dass ich ein Talent für das Zuhören und Begleiten habe. Ich hätte nie gedacht, dass sich das so entwickelt. Es ist mein Talent und mein Auftrag, Menschen zu begleiten.“
Stille und Austausch
Am Ende des Gesprächs will ich von den beiden noch wissen, welchen Tipp sie für andere Menschen haben, die sich mit der Frage „Wer bin ich?“ beschäftigen. Isabelle Allmendinger hat sich immer wieder Zeit genommen, bei sich zu bleiben – zum Beispiel in Exerzitien. „Es geht darum, ins Wahrnehmen zu kommen, um zu spüren, wie es mir geht. Zeiten der Stille und Zurückgezogenheit können helfen, mehr zu spüren, was die eigenen Sehnsüchte sind, was ich mir wirklich wünsche, was ich kann. Es gilt, wahrzunehmen, dass da auch Grenzen sind, dass ich vielleicht unzufrieden bin. Vielleicht habe ich das bis dahin gar nicht gemerkt, weil ich nur in meinem Hamsterrad gelaufen bin. Sich zurückzuziehen und still zu werden, ist kostbar, um zu beginnen, in mich hineinzuhören.“
Gleichzeitig ermutigt sie, ins Gespräch zu kommen: „Mit Freunden oder bei der Geistlichen Begleitung. Um an der Sehnsucht dranzubleiben, muss man sich immer wieder mit den inneren Wünschen und Bedürfnissen auseinandersetzen. Alle vier bis sechs Wochen erinnere ich mich durch die Geistliche Begleitung daran, zu überlegen, wie es mir geht und ob ich damit zufrieden bin, wie ich gerade lebe. Es gibt dabei Durststrecken. Aber meine Geistliche Begleitung hat mit mir gemeinsam ein Auge darauf, dass ich mir selbst treu bleibe und dass unzufriedene Phasen kein Dauerzustand werden.“
Auch Pater Christoph Kentrup sieht den Austausch mit anderen Menschen und Gott als zentrales Element bei der Suche nach der eigenen Identität: „Im Wechselspiel mit Menschen und mit Gott kann man fragen und klären, wer man ist. Gott lässt mich mit der Frage nicht umhertappen, sondern er zeigt mir durch die Menschen und durch die Dinge, die er mir gibt, den Weg. Bei einigen Dingen habe ich im Nachhinein erst verstanden.“
Nur ich weiß, wer ich bin – und Gott
Für mich waren die Gespräche mit Sr. Isabelle Allmendinger und Pater Christoph Kentrup sehr inspirierend. Ich habe für mich mitgenommen, dass ich Gott die Frage anvertrauen kann und darauf zählen kann, dass er mich auf dem Weg führt.
Und ich habe gelernt, dass nur ich selbst weiß, wer ich bin – und Gott. Denn jede andere Person, kennt mich nur in einem bestimmten Kontext.
Sr. Isabelle Allmendinger hat es treffend zusammengefasst: „Dass ich nicht erwarten kann, dass ich durch mein Umfeld die Definition bekomme, wer ich bin. Es kommt letztendlich immer auf mich selbst an – und auf Gott. In der Beziehung zu Gott bin ich die Fülle meines Ganzen.“
Wer auch Lust hat, der Frage „Wer bin ich?“ nachzugehen, ist herzlich eingeladen, eine Zeit in der Zukunftswerkstatt SJ in Frankfurt zu verbringen. Hier haben junge Menschen bis 30 Jahre die Möglichkeit, bei Exerzitien oder Auszeiten sich selbst in der Beziehung zu Gott neu kennenzulernen.
Weitere Infos unter www.zukunftswerkstatt-sj.de
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