Wie Gewaltfreie Kommunikation Wertschätzung wirklich spürbar macht
In der herkömmlichen Kommunikation hat das Loben oft die Form einer Bewertung „Die Arbeit ist gut …“ und wird gern auch noch mit einer erzieherischen Komponente verbunden „… und da geht doch bestimmt auch noch was!“ Dabei wird wenig erkennbar, auf was genau der Sprecher sich bezieht und was in ihm vorgeht. Verständnis und Verbindung zwischen den Gesprächspartnern werden dabei nicht unbedingt gefördert, gegebenenfalls sogar eher beeinträchtigt. Die Gewaltfreie Kommunikation (GfK) nach Marshall B. Rosenberg, auch „Einfühlsame Kommunikation“ genannt, macht es anders.
Gewaltfreie Kommunikation basiert auf der Überzeugung, dass einfühlsames Geben und Nehmen unserem natürlichen Wesen entsprechen. Der Begriff Gewaltfreiheit ist hier im Sinne von Gandhi zu verstehen und „meint unser einfühlendes Wesen, das sich wieder entfaltet, wenn die Gewalt in unseren Herzen nachlässt“. Daraus erwächst eine Lebensweise, die die Lebensqualität für uns und unsere Mitmenschen steigert, das Leben bereichert, verschönt und … feiert!
Sprache als Schlüssel zu mehr Einfühlsamkeit
Für diese Lebensqualität spielen nach Rosenberg die Sprache und der Gebrauch von Wörtern die entscheidende Rolle: Denken, sprechen und hören wir so zu, dass wir unser natürliches Einfühlungsvermögen zum Ausdruck bringen, von Herzen geben und nehmen, selbst unter herausfordernden Umständen menschlich bleiben?
Um den Wunsch, von Herzen zu geben, Wirklichkeit werden zu lassen, richtet die GfK das Bewusstsein, die konzentrierte Aufmerksamkeit auf das, was wir wahrnehmen, fühlen, brauchen und erbitten – statt zu diagnostizieren und zu beurteilen. Sie regt uns an, „uns ehrlich und klar auszudrücken und gleichzeitig anderen Menschen unsere respektvolle und einfühlsame Aufmerksamkeit zu schenken.“ Sie trainiert uns, „sorgfältig zu beobachten, die Verhaltensweisen und Umstände, die uns stören“ oder freuen, „genau zu bestimmen, zu erkennen, was wir konkret brauchen“, fühlen und erbitten wollen „und das klar auszusprechen.“ Aus gewohnheitsmäßigen, automatischen Sätzen werden bewusste Formulierungen.
Wie Lob in der GfK gestaltet wird
Das alles gilt auch für das Loben. Es verfolgt in der GfK einzig die Absicht, hilfreiches Handeln oder eine Qualität bewusst zu machen, mit Rosenbergs Worten: „… die Art, wie unser Leben durch andere schöner wurde, zu feiern“. Im Zentrum steht die Fähigkeit, das Gute in der anderen Person oder der Situation zu erkennen und dieses auf eine Art und Weise auszudrücken, die nicht nur das Verhalten oder die Handlung beschreibt, sondern auch die betroffenen Bedürfnisse und Gefühle anerkennt. Mit der Struktur der GfK besteht Loben aus drei Bestandteilen:
- Die Handlungen, die zu unserem Wohlbefinden beigetragen haben
- Unsere jeweiligen Bedürfnisse, die sich erfüllt haben, und
- Die angenehmen Gefühle, die sich durch die Erfüllung dieser Bedürfnisse eingestellt haben
Die Benennung aller drei Bestandteile mag nicht immer passend oder erforderlich erscheinen; je konkreter wir sie allerdings benennen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass unsere Anerkennung richtig verstanden wird. Die Struktur lässt sich auf den Fall der kritischen Rückmeldung bei Beeinträchtigung des Wohlbefindens übertragen.
Die Freude des Gebens und Nehmens
Wenn wir Lob so „von Herzen schenken, dann tun wir das aus der Freude heraus, die immer dann entsteht, wenn wir das Leben eines anderen Menschen bewusst bereichern. Auf diese Weise zu schenken ist für den Gebenden wie für den Nehmenden ein Gewinn. Die Beschenkte freut sich über die Gabe … Der Gebende gewinnt durch die Stärkung seiner Selbstachtung: Das geschieht, wenn wir erleben, dass unsere Handlungsweise zum Wohlergehen eines anderen Menschen beiträgt.“ Das Gefühl der Zugehörigkeit und Wertschätzung, Motivation und Vertrauen werden gestärkt und ein positives Klima wird gefördert.
Ein solcher Anspruch an das Lob kann allerdings auch als Zumutung und Zuviel des Guten verstanden werden: „Geht’s noch? Nun will man schon loben – und dann soll man auch noch über Gewaltfreiheit nachdenken?“ Diesem Unmut können vielfältige Gedanken zugrunde liegen, z.B. kann die kritische Auseinandersetzung als Angriff wahrgenommen werden oder als Ablehnung des eigenen Verständnisses von Lob oder es kann das Bedürfnis nach Anerkennung der positiven Absicht bestehen.
Voraussetzungen für bereicherndes Loben
Diesem Unmut im Sinne der GfK gewaltfrei zu begegnen, heißt, ihn ernst zu nehmen, respektvoll anzuhören, anzuerkennen, zu versuchen, die zugrundeliegenden Sorgen, Bedürfnisse und Gefühle zu verstehen, und gleichzeitig die eigene Haltung und Motivation transparent zu machen. Das eröffnet die Chance, in einen produktiven Austausch über die Bedingungen bereichernden Lobens im Sinne der GfK zu kommen.
Eher bereichernd und förderlich kann Lob wirken, wenn zwischen den Kommunikationspartnern ein Klima von Respekt, Achtsamkeit und Vertrauen herrscht. Hier ist einfühlsames Geben und Nehmen von Lob mit leichter Hand möglich. Es kann als reines Bewusstmachen einer positiven Interaktion und der gegenseitigen Wertschätzung – ohne Sorge vor darüberhinausgehenden Absichten des Lobenden – angenommen werden.
Die Ich-Botschaft im Lob
Sehr hilfreich ist auch, das Lob als „Ich-Aussage“ zu formulieren. Das bedeutet, dass das Lob nicht als allgemeine oder objektive Beurteilung, sondern als persönliche Wahrnehmung des Lobenden formuliert wird, und zudem die eigenen Gefühle und Bedürfnisse klar ausdrückt, die hinter dem Lob stehen.
Eher nicht bereichernd und förderlich gestaltet sich die Situation, wenn über das reine Loben hinausgehende Absichten oder auch nur die Sorge vor solchen die positive Wirkung beeinträchtigen.
Vor allem in asymmetrischen, hierarchischen oder organisationalen Kontexten sollte Lob daher stets bewusst, sensibel, transparent und zudem möglichst gleichmäßig ausgesprochen werden, um nicht den Eindruck zu erwecken, eine überlegene Position systematisch, zum Vorteil einiger, zu Lasten anderer oder gar manipulativ zu benutzen.
Es ist also auch klar von Feedback als Führungsinstrument zu unterscheiden, mit dem häufig auch Verbesserungspotenziale aufgezeigt, Verhaltensänderungen oder Leistungssteigerungen bewirkt werden sollen.
Herausforderung beim Loben
Übrigens kann auch das Loben selbst herausfordernd sein und Überwindung kosten, z.B. wenn im Umfeld die Tendenz besteht, mehr zu kritisieren als zu loben oder wenn eine Situation Kritik tatsächlich nahelegt. In solchen Momenten ist es wichtig, das Loben als gleichwertigen Teil der Kommunikation („zweite Seite der Medaille“) zu betrachten und neben – am besten: vor – der Kritik anzusprechen. Der bewusste Schritt, positive Aspekte zu erkennen und auszudrücken, kann eine empathische Haltung bei beiden Kommunikationspartnern fördern und den nachfolgenden kritischen Teil des Gesprächs erleichtern.
Fazit: Loben als bewusste Beziehungsgestaltung
Loben ist in der Gewaltfreien Kommunikation ein kraftvolles Werkzeug, um Anerkennung auszudrücken und das Wohlwollen zwischen Menschen zu fördern. Es erfordert jedoch Sensibilität, Authentizität, Verantwortung und eine klare, respektvolle Kommunikation. Loben sollte niemals missbraucht werden. Vielmehr sollte es dazu beitragen, ein Gleichgewicht in der Beziehung zu schaffen und die gegenseitige Empathie und Wertschätzung zu vertiefen.
Headerbild/Gemälde: © Panka Chirer-Geyer – Movements (Ausschnitt)