Nachhaltigkeit  

Ganz schön krumme Dinger

Heike Fehmel verarbeitet Obst und Gemüse, das nicht der Norm entspricht

Es geht um den Inhalt, nicht um das Äußere. Um Nachhaltigkeit. Und um ein bisschen Flair aus Omas Zeiten: Heike Fehmel verarbeitet Obst und Gemüse, das nicht der Norm entspricht, zu hausgemachten Leckereien und vertreibt sie unter dem Label „Von Heike“.

Von A wie Auberginen-Aufstrich bis Z wie Zucchini-Chutney reicht ihre Angebotspalette. Da gibt es Soßen, Pesto, Öle, Chutneys, Brotaufstriche und Marmeladen. Die Gläser und Flaschen mit dem markanten grünen Etikett und dem schlichten Aufdruck „Von Heike“ stapeln sich ordentlich aufgereiht in einem Lagerraum im Mutterstadter Gemüseanbaubetrieb. Den führt Heike Fehmel zusammen mit ihrem Mann Peter und Sohn Jochen.

Für all diese Produkte verarbeitet die Mutterstadterin Obst und Gemüse mit kleinen Schönheitsfehlern. Möhren mit einer „Nase“, aufgeplatzte Kohlrabi, krumme Zucchini oder Äpfel mit kleinen Druckstellen: „Gemüse und Obst wachsen in der Natur nicht nach dem Lineal“, sagt Heike Fehmel. Trotzdem muss in Gemüseanbaubetrieben alles, was nicht den gesetzlich vorgegebenen Normen entspricht, weggeworfen werden. Es ist nicht zu vermarkten.

Gemüse und Obst schmecken auch mit Schönheitsfehlern

Aber das Unterpflügen von Radieschen, deren Blätter vielleicht durch einen Hagelschauer kleine Löcher aufweisen, oder von Lauchzwiebeln, deren Schaft zu dick ist, ist Heike Fehmel von Herzen zuwider. „Viel zu viele Produkte werden in Deutschland weggeworfen, bevor sie überhaupt in den Handel kommen“, weiß sie aus dem eigenen Betrieb. Es sei schade, bedauert sie, dass die Verbraucher das Innere nicht schätzen, sondern beim Kauf nur auf die äußere Hülle achten. Aber, und das ist ihre feste Überzeugung, Möhren, Erdbeeren oder Tomaten müssen nicht immer wie aus dem Bilderbuch sein. Denn guter Geschmack ist keine Frage des makellosen Aussehens.

Viel zu viele Produkte werden in Deutschland weggeworfen, bevor sie überhaupt in den Handel kommen.

Das beweisen ihre Produkte, alle „Von Heike“ von Hand zubereitet und ohne künstliche Zusatzstoffe. In ihrer professionell ausgestatteten Küche kocht sie aus einer umgekippten Palette Aprikosen beispielsweise Marmelade ein, aus glanzlosen Tomaten  wird Tomatensoße. Und wenn es einmal zu viel Spargel gibt, legt sie diesen kurzerhand nach alten Familienrezepten ein. Nachhaltig und regional, denn alle Produkte wachsen direkt vor der eigenen Haustür im „Gemüsegarten Pfalz“.

Heike Fehmel verarbeitet nur die Produkte, die als Ausschuss verfügbar sind.

Eine ansteckende Idee

„Von Heike“ ist dabei viel mehr als nur ein Unternehmen, es ist für Heike Fehmel eine Überzeugung. Mit ihrem „Fimmel“, wie sie ihre Geschäftsidee lachend selbst bezeichnet, hat sie viele angesteckt. Ihre Mitarbeiter auf dem Feld wissen mittlerweile ganz genau, was die Chefin braucht. Und auch Kunden, andere Erzeuger oder LKW-Fahrer sind so sensibilisiert, dass sie Heike Fehmel Waren, die eigentlich zum Wegwerfen vorgesehen sind, mitbringen oder ihr zum Kauf anbieten, wenn es beispielsweise ein Überangebot gibt. Für Heike Fehmel heißt es dann, flexibel zu reagieren und Obst und Gemüse entweder direkt zu verarbeiten oder in der „Kühlung“, einem großen Container-Kühlhaus, zwischenzulagern. Denn da können von jetzt auf gleich schon mal 17 Paletten mit Tomaten vor der Tür stehen.

Da sie nur das Obst und Gemüse verarbeitet, das gerade als „Ausschuss“ vorhanden ist, kann nichts auf Bestellung produziert werden. „Wenn etwas aus ist, dann ist es aus“, heißt die Devise. Dafür entschädigt sie ihre Kund*innen mit immer wieder neuen Produkten. Denn Heike Fehmel experimentiert gerne mit neuen Rezepten. Die Anregungen dazu holt sie sich aus dem Internet oder ihrer umfangreichen Kochbuch-Sammlung. „Ich kaufe keine Taschen oder Schuhe, sondern sammle Kochbücher“, gesteht sie.

Alte Rezepte zeitgemäß umgesetzt

Immer wieder feilt sie an den Rezepturen. So werden die Marmeladen zwar noch „wie damals“ eingekocht, doch reduziert sie den Zuckeranteil. „Zucker und Obst im Verhältnis 1:1 ist heute nicht mehr zeitgemäß“, erklärt sie. Auch das Feedback ihrer Kunden ist ihr wichtig. Ist die Tomatensauce zu scharf? Ist vielleicht zu viel oder zu wenig Basilikum drin? Mehrmals im Jahr steht sie daher mit ihren Produkten auf Bauernmärkten in der Region und lädt die Besucher zum Probieren ein.

„Ich habe nichts Neues erfunden. Dass ich überzählige Lebensmittel verarbeite, gibt es bei mir schon immer. Ich habe es nur professionalisiert“, sagt sie. Schon als Kind half sie ihrer Oma im elterlichen Obst- und Weinbaubetrieb an der Weinstraße beim Einmachen. Später kochte sie dann natürlich auch für ihre Familie ein. Gerne verschenkte sie bei Geburtstagen oder Einladungen anstelle von Blumen ein Glas aus dem Vorratskeller. Bis irgendwann jemand bei ihr die ersten zehn Gläser eingelegte Paprika bestellte … Das war der Punkt, als das Hobby anfing, zu einem Geschäft zu werden. Einem erfolgreichen Geschäft.

Zurück zum Ursprünglichen

Ihren Erfolg erklärt sie mit der Lücke, in die sie hineinproduziert. Der Verbraucher komme zurück zum Ursprünglichen und wolle wissen, was alles in den Produkten ist. Und genießt die Produkte „Von Heike“ – die tatsächlich noch, und vielleicht ist das das Besondere – von Hand gemacht und nicht industriell gefertigt sind.


„Von Heike“ kann im Online-Shop bestellt werden und wird von Zwischenhändlern in der Metropolregion und bis ins Rheinland vertrieben.

www.von-heike.de


Anette Konrad

Ohne Block und Stift geht sie nie aus dem Haus. Denn die Journalistin könnte ja unterwegs auf ein spannendes Thema stoßen. Die promovierte Historikerin und Slavistin schreibt gerne über geschichtliche Themen, porträtiert faszinierende Menschen, verfasst aber auch Unternehmensporträts und Reisereportagen. Dabei verbindet sie Berufliches mit ihrer großen Leidenschaft: dem Reisen. Seit sie einige Monate in Moskau studiert hat, zieht es sie immer wieder nach Osteuropa. Im Heinrich Pesch Haus verantwortet sie die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

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