Pizza im Pfarrhaus

Zusammenleben  

Vom Schweinsbraten zum Pizza-Bringdienst?

Dass mittags das gekochte Essen auf dem Tisch steht und der Pfarrer nur noch das Segensgebet sprechen muss, erscheint heute fast als Karikatur kirchlichen und klerikalen Lebens im Pfarrhaus. Zwar gibt es die Idealvorstellung eines Pfarrhauses mit Haushälterin und einer bürgerlich-quasifamiliären Struktur noch an einzelnen Orten. Und bei manchen Personalverantwortlichen gilt das traditionelle Konzept noch als Schutz gegen mögliche Verwahrlosung der Priester (in manchen Ordinariaten lange Zeit eine große Sorge).

Doch überwiegend ist diese Vorstellung von Schweinsbraten, Knödeln und Rotkraut aus der Küche der Haushälterin ein Klischee aus mittelmäßigen Fernsehserien. Sie haben eine bittere Komik, die sich unfreiwillig auch dort findet, wo Priester sie in Verbindung mit einem vormodernen Rollenverständnis verknüpfen. Vor allem aber bauen sie auf überholten Rollenklischees und meist auch auf der Ausbeutung schlecht bezahlter Frauen auf.

Der Regelfall dürfte zunehmend sein, dass auch Kleriker – wie fast alle Menschen – ihren Haushalt selbst führen. Wie alle allein Lebenden müssen auch sie überlegen, wann sich das Kochen lohnt. Viele engagieren eine Reinigungskraft. Viele putzen, waschen und kochen aber auch selbst.  

Ist das ein Kulturverlust?

Ist dies ein Kulturverlust, weil das Pfarrhaus (angeblich) weniger gastfreundlich ist oder hier das Vorzeigeobjekt bürgerlicher Lebenskultur mit ihrem in Priesterseminaren eingeübten Symbol der Stoffservierte abhandengekommen ist? Nein, hier ereignet sich kein schleichender Kulturverlust. Hier ereignet sich im besten Sinne eine Annäherung der klerikalen Lebensformen an gesellschaftlich übliche Lebensrealitäten. Und es ist ein Gewinn, ja eine Befreiung der Priester vom Ideal einer überzogen bürgerlichen Vorstellung und einer klerikalistischen Überhöhung.  

Wenn die Telefonnummer vom Pizza-Bringdienst im Smartphone des Pfarrers abgespeichert ist, muss das nicht das Ende der Lebenskultur sein.

Es ist vor allem eine entspannte Normalisierung. Und es ermöglicht häufig weit mehr spontane Gastfreundlichkeit als in den übersteigert bürgerlichen Lebenswelten.  

Dass Gastfreundschaft einen zentralen Aspekt gemeindepastoraler Spiritualität darstellt und die Arbeitspraxis wie die persönliche Haltung prägen sollte, dürfte vielen Haupt- und Ehrenamtlichen selbstverständlich erscheinen. Doch Gastfreundschaft drückt sich durch viele kleine Details aus: Sie baut keine Hürden auf, um Distanz zu signalisieren, sondern signalisiert Großzügigkeit und Spontaneität, um sich auf die Bedürfnisse von Gästen einzulassen.  

Das Jesuiten-Magazin kostenlos abonnieren

Jesuiten Magazin Cover

Dieser Beitrag ist ein Vorgeschmack auf die neue Ausgabe vom Jesuiten-Magazin. Das Magazin erscheint viermal jährlich und widmet sich Aspekten aus dem Orden und greift ein Schwerpunktthema auf. Heft 3/2023 dreht sich um: Essen.

Hier erfahren Sie mehr über das Magazin und können es kostenlos abonnieren:

Foto: © Pepipepper/photocase.com


Wolfgang Beck

ist Professor für Pastoraltheologie und Homiletik an der Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt. Der Sprecher des „Wort zum Sonntag“ in der ARD ist Redaktionsmitglied des Feuilletons feinschwarz.net.

Bild: ©Angelika Zinzow

Weiterlesen

3
14.08.2023 Sinn

Wie gehen wir mit Brüchen im Leben um?

Geplante oder ungeplante Umbrüche stellen häufig unser Leben auf den Kopf. Denn ob es um eine partnerschaftliche Trennung, einen Umzug, Krankheit, den Renteneintritt oder den Tod eines geliebten Menschen geht: Plötzlich ist nichts mehr wie zuvor. Brechen gewohnte Strukturen und Sicherheiten weg, müssen wir neue „Leitplanken“ finden. Wie uns das gelingt? Dazu hat Ulrike Gentner die Benediktinerin Carmen Tatschmurat interviewt.

weiter
31.07.2023 Sinn
Melanie Wolfers Autorin

Auf den Punkt gebracht: Wie lässt sich Zuversicht stärken?

Lässt sich Zuversicht einfach so ins Leben holen? Melanie Wolfers zeigt, wie uns der Fokus auf negative Dinge uns immer wieder aus der Bahn wirft. Sie öffnet die Augen, wie wir neue Zuversicht für das Leben finden können.

weiter
26.07.2023 Zusammenleben
Postkiste gelb Weigand

Infrastruktur in gelb

Postkisten haben bereits die Mondlandung erlebt und beherbergen nicht nur Briefe und Zeitungen, sondern auch mal Tomatenpflanzen und Schallplattensammlungen. Mehr als ein halbes Jahrhundert sind sie unverändert: Wenn ein Alltagsgegenstand so eine Beständigkeit hat, dann ist da vieles richtig an der Gestaltung. Stefan Weigand wirft einen Blick auf die Transportboxen, die weit mehr sind als nur gelbe Kisten.

weiter