Sinn  

Sinnsuche inmitten von Ungewissheit – Teil 1

Junge Menschen verstehen und begleiten

… was wird morgen sein? Natürlich wusste man das noch nie. Die Erfahrungen der letzten beiden Jahre aber haben diese Ungewissheit existentieller werden lassen. Mehr und mehr prägt sie das Lebensgefühl von Menschen, insbesondere derjenigen, die gerade dabei sind, ihr Leben zu bauen. Eine ganze Generation fragt sich: Wenn ich nicht weiß, was morgen sein wird – wie soll ich mich dann heute entscheiden? Christine Klimann gibt in diesem und einem zweiten Beitrag Antwort.

In der Zuspitzung, die wir heute erleben, kann diese Frage Druck aufbauen und bis zur Lähmung führen. Sie kann aber auch eine gehörige Portion Mut freisetzen. Dieser Mut hat zu einem erstaunlichen Phänomen geführt, für das der englische Management-Professor Anthony Klotz im Mai 2021 den Begriff „Great Resignation“ geprägt hat: Mitten in der Pandemie kündigen Menschen in Massen freiwillig ihre Jobs. Im April des Jahres 2021 haben in den USA vier Millionen Menschen ihre Arbeit verlassen; in Deutschland hat laut einer Studie von Forsa im Januar 2022 seit der Pandemie jeder Zehnte seinen Job gewechselt. Besonders beeindruckend: Jeder vierte Stellenwechsler hat gekündigt, ohne einen neuen Job in Aussicht zu haben. Es sind die Jüngeren, die diesen Trend befeuern: In der Generation Z war im Januar 2022 jeder zweite bereit, seinen Job zu wechseln.

Unsichere Zeiten verschieben Prioritäten

Finanzielle Überlegungen scheinen dabei eine eher untergeordnete Rolle zu spielen. Der größte Motor für diese Bewegung ist die Unzufriedenheit mit dem Arbeitsplatz, mit dem Führungsverhalten und der Work-Life-Balance, und – besonders bei jüngeren Menschen – der Wunsch, etwas Sinnvolles zu tun. „Welchen Sinn hat es, dass ich mit meiner Arbeit ein reiches Unternehmen noch reicher mache?“, fragt sich Marie, eine junge PR-Beraterin, bevor sie sich eine Auszeit nimmt, um sich umzuorientieren. Was sie danach machen wird? Das weiß sie noch nicht.

Unzufriedenheit mit der Arbeit oder dem Studium ist kein neues Phänomen. Neu ist, dass junge Menschen den Mut haben, Konsequenzen zu ziehen.

Und daran mag nicht nur die Pandemie, sondern vielleicht auch die Klimakrise ihren Anteil haben. Unsichere Zeiten verschieben die Prioritäten. Es stellt sich die Frage, was wirklich zählt: Wenn ich ohnehin nicht weiß, was morgen sein wird, warum soll ich dann nicht zumindest heute das machen, was ich wirklich will?

Im vollen Supermarkt verhungern

Nur – das mit dem „wirklich Wollen“ ist nicht so einfach. „Muss man mit 30 wissen, was man will?“, fragte die Süddeutsche Zeitung im Februar 2022 und erzählte Geschichten von der Generation, die im übervollen Supermarkt verhungert. Erzählt wird von Thomas, der mit 35 wieder zu seinen Eltern zieht und von Valentin, der sich von seinem Traum, als Künstler sein Brot zu verdienen, desillusioniert verabschiedet hat. Von Antje, die Anästhesistin ist und vielleicht lieber Tischlerin wäre, und von Somaya, die sich immer wieder fragen lassen muss, warum sie denn schon wieder abgebrochen hat. Junge Erwachsene, die in einer Dauerschleife hängen bleiben, die ihre Promotion nicht zu Ende kriegen, die vage darauf warten, dass das Leben beginnt.

Unter den Jüngeren ergibt sich das gleiche Bild: Da sind diejenigen, die ihr Studium dreimal wechseln, die ein Praktikum an das andere reihen, die aus purer Verlegenheit mit einer Ausbildung beginnen, die sie niemals beenden werden. Diese jungen Menschen haben so viele Möglichkeiten, dass sie nicht wissen, wie und was sie wählen sollen. Bezeichnenderweise verzichtet der Artikel darauf, Ratschläge zu geben, und tröstet nur etwas lapidar: Vermutlich sind es die interessanteren Leute, die mit dreißig nicht wissen, was sie wollen – und die es wahrscheinlich mit vierzig auch noch nicht wissen werden. Diese jungen Menschen haben so viele Möglichkeiten, dass sie nicht wissen, wie und was sie wählen sollen.

Teil 2 des Beitrags:

Lesen Sie am 19. Juni 2023 in Teil 2 weiter – Christine Klimann berichtet dann über junge Menschen, für die der Supermarkt alles andere als voll ist, und erläutert, warum die Krise ein Katalysator für die Sinnfrage ist.

Foto: © birdys/photocase.com


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