Ausstellung Mutmachgeschichten HPH

Zusammenleben  

Habt Mut! Gebt nicht auf!

Eine Ausstellung zeigt, warum es wichtig ist, zuzuhören und hinzuschauen

Die Wanderausstellung „Habt Mut! Gebt nicht auf!“ erzählt von Menschen, die trotz Krieg, Flucht, Krankheit oder dem Verlust ihrer Heimat nicht aufgegeben haben. Zehn beeindruckende Lebensgeschichten dokumentieren, wie Hoffnung lebendig bleibt und Integration gelingt, wenn Mut und Unterstützung zusammenwirken. Im Interview erklärt die Projektkoordinatorin Sibylle Geffke, wie wichtig es ist, diesen Geschichten Sichtbarkeit zu verleihen.

Woher stammt die Idee für diese Ausstellung von Mutmachgeschichten?

Die Ursprungsidee stammt von Pater Claus Pfuff, dem ehemaligen Direktor des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes (JRS). Für ihn war es immer ein Thema, das „Sehen-und-Gesehen-Werden“, das Erzählen von Geschichten und Biografien. Denn bei seiner Arbeit hier beim JRS hatte er immer mit Menschen zu tun, die vergessen wurden, weil sie nicht gesehen wurden, die nicht beraten wurden, weil sie nicht laut sind. Sie mussten sich verstecken. Es ist aber immer wichtig, Menschen zu Wort kommen zu lassen, Menschen die Möglichkeit zu geben, ihre Geschichte sichtbar zu machen, Teile davon zu erzählen. Wenn man den Leuten zuhört, sie sieht, gibt es immer Geschichten. Aber was macht man mit diesen Geschichten? So entstand die Idee, Geschichten zu sammeln, die Mut machen, und aus ihnen eine Ausstellung zu entwickeln.

Wahrscheinlich gibt es verschiedene Dinge, die motivieren.

Ja. Für den einen ist es, jeden Morgen zu beten, dem anderen ist es wichtig, jeden Morgen sein Kind in die Arme zu nehmen. Jeder hat eine Form von Motivation. Jeder hat eine Form von Zugehörigkeit, die nicht immer sichtbar ist, aber die da ist. Dann kam die Frage: Wie zeigt man das am besten? Bilder! Doch Bilder waren so ein Punkt: Viele, die dort sichtbar werden, haben vorher noch nie Fotos von sich gesehen. Die Fotos zu machen, das allein war schon eine riesengroße Erfahrung für die Leute, die zu sehen sind. Die Fotos gemacht haben eine Kollegin und eine iranische Fotografin. Das war sehr berührend, mit der iranischen Fotografin gemeinsam eine solche Fotosession zu machen und zu sehen, wie diese Menschen auf sie, auf das Fotografiert-Werden und auf die Bilder reagieren.

Welche Geschichten erzählen die Fotos dieser Ausstellung?

Wichtig ist: Es geht nicht um Fluchtgeschichten in der Ausstellung, sondern es geht um den Weg des Ankommens. Es geht um Mut, um Zugehörigkeit, um Würde von Menschen, die geflüchtet sind und jetzt hier leben. Wichtig war für uns, dass der Fokus auf dem liegt, was sie motiviert hat, entweder überhaupt zu fliehen oder nun ihre Präsenz zu behaupten. Jeder kennt so eine Mutmachgeschichte, diese Auswahl steht für viele, viele andere Beispiele.

Wofür steht denn Mut in dem Zusammenhang?

Es gibt immer einen Motivator, in guten und schlechten Zeiten. Es ist immer ein Wunsch nach Zugehörigkeit. Es ist der Wille zum Leben. Es ist immer eine Form von Antrieb. Jedes dieser zehn Bilder steht für eine je persönliche Form von Motivation, um nicht stehenzubleiben, sondern weiterzugehen. Da ist dann eine Hoffnung, die weiterträgt. Manchmal ist dieser Grund auch ganz klein, ein Moment, der mich über den nächsten Tag rettet. Es ist egal, wo man herkommt oder zu welcher Gruppe man sich zugehörig fühlt. Der Mut steht in diesem Zusammenhang dafür, dass die Menschen trotz aller Schwierigkeiten nicht aufgegeben und nie ganz ihre Hoffnung verloren haben. Wir dürfen einfach an die Menschlichkeit erinnern.

Was sagen die Gesichter in dieser Ausstellung den Besuchern?

Komm her, mach mit! Haben wir gemeinsam Mut und Hoffnung! Auch wenn wir gerade nicht alle den gleichen Weg gehen, wir sind alle Menschen, haben eine Verbindung und eine Zugehörigkeit. Begleiten, bestärken, unterstützen – das kann eine Einladung sein. Eine andere: Sehen, dass jeder diese Hoffnung hat, selbst wenn die nicht so sichtbar ist für einen selbst, aber ein anderer sieht die vielleicht, und da kann man den anderen dazu einladen, das ist wie ein Dominoeffekt. Für mich ist es immer die Einladung, um die Ecke zu schauen und dann nicht die Nummer oder da den Türken oder den Muslim oder die Ukrainerin, unsere üblichen Schubladen zu sehen, sondern die Menschen dahinter.

Ausstellungsempfehlung

Heinrich Pesch Haus Ludwigshafen

Die Ausstellung ist noch bis zum 15. August 2025 im Heinrich Pesch Haus, Frankenthaler Str. 229, in Ludwigshafen am Rhein zu sehen. Der Eintritt ist frei.

Welchen Wunsch haben Sie für die Zukunft dieser Ausstellung?

Interessante Frage. Wenn alles gut geht, findet sie an weiteren Orten statt, zwei davon sind im Moment in Planung. Ich hoffe, dass die Ausstellung dazu anregt, herauszugehen und ihre eigenen Geschichten zu sehen, zu entdecken und zu teilen. Oder eine Form zu finden, sie sichtbar zu machen. Es muss ja kein Foto sein. Aber ich glaube, dass das Teilen wichtig ist. Denn dann redet man miteinander und das ist immer gut.

Welche Einladung kann davon ausgehen für unser Zusammenleben?

Also, wenn ich zum Beispiel jemand bin, der die Ausstellung gesehen hat und ich fahre mein Kind zweimal die Woche zum Fußballspielen, und da ist irgendjemand, den nehme ich dann halt mal mit. Es ist die Einladung, das eigene Leben bereichernder zu sehen, als es vielleicht auf den ersten Blick so ist. Es ist die Einladung zu sehen, was man vielleicht alles schon erreicht hat. Manchmal ist der Mut sehr groß, aber die Geschichte dazu noch sehr klein. Wenn ich das ein bisschen sichtbarer mache in meinem Alltag, dann finde ich, ist die Welt einfach freundlicher, zugewandter, nachhaltiger, weil wir gut miteinander umgehen.

Interview: P. Fabian Retschke SJ


Sibylle Geffke

Bevor sie 2022 zum Jesuit Refugee Service (JRS) Berlin kam, arbeitete sie am Canisius Kolleg Berlin in der Nachmittagsbetreuung. Später kam die Arbeit in den Willkommensklassen und im Pedro Arrupe Zweig hinzu. 2018 erhielt sie den Preis für Ziviles Engagement und Zivilcourage Friedrich Spee SJ. Aktuell ist sie als Projektkoordinatorin des Accompany Projektes im JRS tätig.

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