Krippenbauer aus Leidenschaft und mit Botschaft
Die Weihnachtskrippe gehört wohl für die meisten genauso zum Weihnachtsfest wie der Tannenbaum. Während die Familien in der Regel jedes Jahr dieselbe Krippe aufbauen, ist das bei Familie Trescher in Ludwigshafen anders. Denn Markus Trescher baut Weihnachtskrippen. Und zwar jedes Jahr eine neue, manchmal auch zwei oder drei. Schon seit 1976. Er setzt damit eine Familientradition fort: „Schon mein Vater hat jedes Jahr die Geschichte von Jesu Geburt gestalterisch umgesetzt“, berichtet er.
Wie viele Krippen er im Laufe der Jahrzehnte genau gebaut hat, weiß Markus Trescher nicht so genau. „Über 60 sind es bestimmt“, sagt er. Denn neben den Familienkrippen hat er zahlreiche weitere für Freunde, Verwandte und Einrichtungen wie etwa ein Hospiz, Krankenhauskapellen oder Bildungseinrichtungen gebaut. Orientalische Krippen sind darunter, die die Weihnachtsgeschichte am Originalschauplatz im Heiligen Land erzählen, alpenländische und originalgetreue Nachbauten etwa von einem Museums-Bauernhof im Schwarzwald oder sogar eine Märchenkrippe. Häufig hat der Krippenfan die Weihnachtsgeschichte auch schon in neapolitanischen Krippen inszeniert. „Das sind in der Regel Ruinen-Krippen“, erklärt er.
Eine ungewöhnliche Krippenkulisse
Auch in diesem Jahr hat er eine Ruinen-Krippe gebaut, die allerdings nicht an den sonnigen Süden erinnert, sondern an das zerstörte Freiburg im Jahr 1944. „Wir begehen in diesem Jahr den 75. Jahrestag der Kapitulation des Deutschen Reichs“, sagt Markus Trescher. Die „Freiburger Münsterkrippe“ soll an diesen Gedenktag erinnern.
Jesu Geburt lässt er vor einem großen Foto des wie durch ein Wunder nicht zerstörten Freiburger Münsters stattfinden. Eine Kirchenruine dient als Stall. Darinnen Josef, der das Kind geborgen in seinem Arm hält. Maria schenkt Josef Wasser in seinen Becher ein. Überall liegen Trümmer, ein knorriger Bonsaibaum symbolisiert die von Bomben und Feuer zerstörte Natur. „Es wird oft vergessen, dass im Krieg nicht nur Menschen starben und Gebäude zerstört wurden, sondern auch die Natur.“
Die Wahl dieser Kulisse kommt nicht von ungefähr und ist eng verbunden mit der Familientradition des Krippenbaus. „Am 27. November 1944 schickte die Großmutter meinen Vater kurz vor dem letzten schweren Bombenangriff auf Freiburg ins Münster. Er solle für die Familie beten, dies wäre dringend notwendig“, erzählt Trescher. Noch während sein Vater ins Münster läuft, beginnt der Angriff. „Als das Blei zwischen den Glasfenstern des Münsters durch die Flammen der brennenden Häuser zu schmelzen beginnt und und brennend auf den Boden tropft, fliehen die meisten Menschen wieder aus dem Münster und kommen aber fast alle um“, beschreibt Trescher einrücklich die Geschehnisse vor 76 Jahren. Sein Vater blieb im Münster und wartete den Morgen ab. Als er zu seinem Elternhaus zurückkehrte, fand er es zerstört vor.
Ein Volltreffer hat die Familie meines Vaters ausgelöscht.
Zu Weihnachten 1944 baute Treschers Vater aus den Trümmern seines Elternhauses eine Krippe und setzte dies aus Dankbarkeit für sein Überleben fortan jedes Jahr fort. Markus Trescher knüpfte daran an und baut für seine Familie seit 44 Jahren jedes Jahr eine neue Weihnachtskrippe.
Krippe und Krieg? Kann das zusammenpassen?
Kann eine zerbombte Kirche die richtige Kulisse für die frohe Botschaft der Geburt Jesu sein? Für Markus Trescher ist das kein Gegensatz, im Gegenteil: „Es war mir wichtig, inmitten der Brutalität von Krieg und Zerstörung die Geborgenheit darzustellen, die die Geburt Jesu ausstrahlt. Ich wollte die Liebe Gottes zeigen, die sich in der Menschwerdung darstellt.“ Die Geburt Jesu ist für ihn ein Zeichen der Hoffnung – auch und gerade in schwierigen Zeiten.
Die Menschwerdung Gottes ist für uns Christen das größte Geschenk und die große Hoffnung auf unseren Erlöser.
Krippen sind für ihn dabei ein geeignetes Mittel, die Botschaft der Geburt und vom Leben Christi, also den Glauben, den Menschen nahezubringen: „Krippen bringen die Frohe Botschaft doch in Bildern ´rüber und erreichen Menschen so auf einer anderen Ebene als durch Worte“, ist er überzeugt.
Und noch eine weitere Botschaft sendet der Krippenbauer mit seiner „Freiburger Münsterkrippe“, die auch 75 Jahre nach Kriegsende nichts von ihrer Aktualität eingebüßt hat: Maria, Josef und das Jesuskind sind als Flüchtlinge dargestellt, erkennbar an ihrer ärmlichen Kleidung. „Denn auch Maria und Josef waren tatsächlich Flüchtlinge“, sagt Trescher. Er greift damit ein Thema auf, das mit Blick auf die Geschichte immer wiederkehrt. „Sind wir nicht alle Flüchtlinge?“, fragt er und zieht damit mit seiner Ruinenkrippe den Bogen von der Erinnerung und Mahnung an den Zweiten Weltkrieg zu den Problemen unserer Zeit.
Wir dürfen trotzdem das Kommen des Herrn feiern. Dies ist ein so großes Geschenk, dessen sollten wir uns bewusst sein!
Krippenbauer Markus Trescher
Eigentlich wäre Markus Trescher jetzt schon Krippenbaumeister, denn die „Freiburger Münsterkrippe“ sollte sein Meisterstück nach vierjähriger Ausbildung werden. Doch Corona hat ihm da einen Strich durch die Rechnung gemacht. Trotzdem wird für ihn die neue Krippensaison wieder kurz nach Weihnachten anfangen. Seine Krippen entstehen zunächst im Kopf, nehmen dann immer mehr Gestalt an, bis Trescher sie aufzeichnet. „Das ist wie eine kleine Geburt“, beschreibt er den Prozess. Der Entwurf wird immer wieder überarbeitet, bis er sicher ist, dass jedes Detail bedacht ist. Wenn die Ideen dann baureif sind, sind viel Geduld, Fingerspitzengefühl und vor allem viel Zeit gefragt. „Man braucht Disziplin und muss jede Woche mindestens vier, fünf Stunden dran arbeiten“, sagt er. Ein Torbogen mit seinen filigranen Verschnörkelungen an den Kapitellen etwa kann schon mal einen ganzen Arbeitstag erfordern. Aber der Krippenbauer investiert diese Zeit gern, denn Authentizität ist ihm bei seinen Krippen sehr wichtig.