Star Wars Pfingsten Heiliger Geist

Versöhnung  

Kettensprengende Geisteskraft

Was »Star Wars« mit dem Heiligen Geist zu tun hat

»Star Wars« fasziniert auch nach etlichen Jahren immer noch Menschen. Angesichts der neuen Serie »Obi-Wan Kenobi« macht sich Tobias Zimmermann SJ in seiner Pfingstpredigt darüber Gedanken, was der Krieg im Weltall mit dem biblischen Menschenbild von Paulus und dem Heiligen Geist gemein hat.

Liebe Schwestern und Brüder,

Meister Yoda spricht: „Die Kraft fließt dem Jedi von der Macht zu. Aber hüte Dich vor der dunklen Seite der Macht. Zorn, Furcht, Aggressivität, die dunklen Seiten der Macht sind sie. Besitz ergreifen sie leicht von Dir. Folgst Du einmal diesem dunklen Pfad, beherrschen wird auf ewig die dunkle Seite Dein Geschick. Verzehren wird sie Dich, wie einst den Schüler Obi-Wan.“ Da sieht man hier gleich, wer Zielgruppe ist! Krieg der Sterne, nie gehört? Die Yedi-Ritter im Kampf gegen das Imperium? Dark-Vader, der abgefallene Jedi?

Nun möchte ich den Heiligen Geist nicht gleichsetzen, mit dem, was im Krieg der Sterne „die Macht“ ist. Und es gibt viele Spielfilme, wo es um eine endzeitliche Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse geht, ohne dass die meisten recht viel mit dem Geist der biblischen Botschaft zu tun. Aber nicht nur mir kommt vor, dass George Lucas seinen Paulus gelesen hat. Aber „die Macht“, aus der heraus Luke Skywalker handelt, ähnelt schon verblüffend dem, wie die ersten Christinnen und Christen die Geistkraft beschreiben, die sie in der Sache Jesu eint und antreibt: allgegenwärtig, unsichtbar, friedliebend, lebendig machend.

So wenig man vom friedfertigen Geist des Meister Yoda dann in dem folgenden unvermeidlichen, filmisch-opulenten Schlachtenrummel auch spürt, so sehr kann uns das hollywoodreife Szenario in der Apostelgeschichte verleiten, die Erkenntnis, die darin verpackt ist, als Märchen oder Heldensage abzutun: Sie erinnern sich: Flammenzungen, die vom Himmel regnen; einfache Handwerker, die auf die Straße rennen und plötzlich in allen Fremdsprachen reden … Wir Menschen brauchen solche Geschichten, damit unsere Fantasie unsere Aufmerksamkeit fesselt.

„Zorn, Furcht, Aggressivität, die dunklen Seiten der Macht sind sie.“ Liebe Schwestern und Brüder, eine spätere Fixierung der Kirche auf Sexualität und ihre schizophrene Aufspaltung des Menschen in zwei Ebenen – die geistig- geistliche, gut (!) , die Körperlichkeit, böse, bzw. die Sexualität, ganz böse (!) – versperrt uns leider den Blick auf Paulus, wenn er von der Unterdrückung des Geistes und des neuen, heilen Lebens durch die Herrschaft des Fleisches redet. Das ist schade!

Der Leib: mehr als ein individualistisches Konzept

Für Paulus ist der Leib die konkrete geschichtliche Materialisierung und Verkörperung unseres Ichs, mit allem, was uns widerfahren ist und wir denken, sagen, tun und dadurch geworden sind. Mit all den Eigenschaften und dem sozialen Umfeld, das zu uns gehört.

Unser Leib ist quasi die Fleisch-gewordene Weise, wie wir konkret unser Menschsein leben, wie wir empfinden, denken und reden.
In diesem Sinne ist unser Leib auch viel mehr als ein sehr individualistisches Konzept des eigenen Ichs.

Der Volksmund sagt ja schon: Man ist, was man isst. Da geht es los. Den Händen, Füßen, ja dem ganzen Körper können wir doch ansehen, was jemand arbeitet. Je nachdem, wie verbissen die Lippen zusammengekniffen sind, wissen wir doch schon, wie wir kommunizieren. In manchen Sätzen hören wir noch die Mama oder den Vater. Die Aura, die Menschen umgibt, offenbart uns, ob sie herrisch von oben herab leben, oder Menschen mit großherziger Offenheit begegnen. Wir könnten weiter machen. Und all das ist der Leib.

Und natürlich ist dieser Leib auch geprägt vom Erbe unserer Familien. Alle Menschen, die etwas reflektiert sind, kennen die alte Eva, den alten Adam in sich. Unsere Reflexe sind die von Flucht- und Raubtieren, je nachdem, wer oder was uns begegnet. Zorn, Furcht, Egoismus und Aggressivität … Und wenn dann, wie im Saal der Freundinnen und Freunde Jesu nach seinem Tod, die Saaltüren zugehen, wenn wir uns einschließen in unsere Angst, unseren Zorn, die Furcht, den Egoismus und die Aggressivität, dann führt das schnell dazu, dass ein dunkles Imperium negativer und destruktiver Antriebe unser Zusammenleben zu bestimmen beginnen. Ich denke, wir alle haben jetzt Bilder vor unseren Augen, Bilder aus der Weltpolitik ebenso wie aus unserem Umfeld.

Kreisen um die eigenen Bedürfnisse

Wie viele Menschen unter uns sperren sich ein in einem Leben, das nur um die eigenen Bedürfnisse kreist. Und irgendwann beginnt dann die Bitterkeit, weil andere – natürlich unverdient! – noch mehr haben; oder es beginnt das Aufrechnen, was die anderen alles falsch machen, nur um nicht den eigenen Fehlern in die Augen zu sehen. Oder es beginnen die Tiraden und die Suche nach den Sündenböcken, nur um unserer Angst vor den Grenzen des eigenen Lebens nicht in die Augen sehen zu müssen.

Der Schüler fragt Meister Yoda: „Vader … Ist die dunkle Seite stärker?“ „Nein! Nein. Nein. Schneller, leichter, verführerischer.“ Ich glaube, das ist eine gute Beobachtung von George Lucas. Das Problem ist nicht die Macht der Dunkelheit. Auch in der Bibel ist Gott Gott. Und das Böse reicht an Gott nicht ansatzweise heran. Aber auch Jesus spricht davon, dass die dunklen Kräfte im Menschen oft listiger sind, weniger naiv, als die Weise, mit der wir unsere Neuaufbrüche angehen. Der Geist von Zorn, Furcht, Egoismus und Aggressivität kommt nicht gleich mit Macht. Der hängt erst einmal ein paar kleine Angelhaken aus: Unsere ewige Neigung zur Rechthaberei; das ständige Gefühl, zu kurz zu kommen; die Neigung, uns so von der Angst, dem Schmerz oder der Enttäuschung vereinnahmen zu lassen, dass plötzlich die ganze Welt dunkel und das ganze Leben ausweglos werden.

Wie können wir dem Ungeist in uns, der uns an die alte Welt des Fressens oder Gefressen-Werdens fesseln möchte, entgehen?

Es könnte helfen, zu wissen, wo bei mir die Angelhaken der dunklen Macht hängen.

Und das können wir herauskriegen, ohne uns ständig in sie zu verbeißen. Oder um es mit einem meiner geistlichen Lehrer, John Murphy, zu sagen: Auf der Straße bemerkst Du doch auch, wo Hundehaufen liegen. Und wenn Du sie entdeckst, dann doch auch nur, um schnell weiterzugehen, und nicht um Deine Nase recht ausgiebig hineinzuhängen. Anders gesagt: Wir sollten uns mühen, den Ärger, die Enttäuschung, den Schmerz, die Angst … wahrzunehmen. Aber wir sollten uns ebenso darum mühen, uns nicht darin zu suhlen, darin hängenzubleiben und uns darin aufzureiben. Dieser geistliche Rat gilt übrigens nicht nur für einzelne Menschen. Er könnte uns auch als christliche Kirchen in Deutschland vor manchem Dauerfrust bewahren.

Drei Beispiele für Gottes Geistkraft

Woran aber erkennen wir das Wirken von Gottes Geistkraft in uns? Ich kann nur drei kleine Beispiele nennen:

Gottes Geistkraft sprengt Ketten. Wir emanzipieren uns vom Diktat äußerer Konventionen ebenso wie von den inneren Fesseln der Routinen oder der liebgewordenen Vorurteile. Wir spüren doch, wenn wir wieder einmal über uns hinauswachsen, wie ein Schmetterling, der sich aus seinem alten Kokon befreit. Dann spüren wir die positive Energie eines neuen Lebens, ein Aufatmen der Befreiung aus den Fesseln, die uns nur um uns selbst kreisen lassen. Wir spüren in uns eine Energie und Ideen fließen, die uns nachhaltig zu mehr geduldiger Mitmenschlichkeit befähigen, zu mehr selbstloser Solidarität und zu einem Engagement für Glaube und Gerechtigkeit.

Gottes Geistkraft bricht sich auch in Gruppen Bahn, oft plötzlich und unerwartet. Dann gibt es diese Momente des Aufbruchs: Plötzlich beginnt ein neuer Geist, Menschen zu einen und gemeinsam zu beflügeln. Egoismen werden zurückgestellt, das kleinmütige Diktat der ewigen Bedenkenträger zerstreut sich. Tradition verwandelt sich vom beschwerenden Ballast zu einem inneren Reichtum, der hilft, den Horizont der Zukunft aufzusperren.

Gottes Geistkraft reißt auch die Barrieren zwischen Kulturen und Weltanschauungen nieder. Wo uns das Fremde gerade noch Angst machte, lässt ein Lächeln das Eis schmelzen, durchbricht eine mitmenschliche Geste die trennenden Mauern. Und plötzlich haben wir Menschen die Fähigkeit, uns zu verständigen, ohne ein Wort der anderen Person zu verstehen.

Wir entdecken hinter dem fremden, bedrohlich anderen Wesen, die Schwester und den Bruder, mit dem uns mehr eint, als uns trennt.

Liebe Schwestern und Brüder, eines ist all diesen Momenten gemeinsam. Sie werden als Geschenk erlebt. Und doch ereignen sie sich nur dort, wo wir Menschen mit solchen Momenten rechnen, wo wir uns fest entschieden haben, aus diesem Geist, aus Gottes Geistkraft zu leben, der uns als Menschen tief und weit macht, der uns die Angst vor dem Scheitern und vor dem Tod nimmt, und der uns verbindet, untereinander und mit jenem Gott, der in Jesus Christus sein menschliches Gesicht gefunden hat.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, wird eure Herzen und Sinne bewahren in Christus Jesus. Amen.

Fotos: Headerbild © Bubbers13/istock.com, © BrendanHunter/istock.com


Tobias Zimmermann SJ

ist Priester, Pädagoge und Jesuit. Als Autor und als Mitbegründer des Zentrums für Ignatianische Pädagogik (ZIP), das er seit Oktober 2019 leitet, arbeitet Tobias Zimmermann an Projekten der Entwicklung der katholischen Schulbildung und Spiritualität, in der Schulentwicklung, im Coaching für Leitungskräfte und in der Fortbildung von Schulleitungen und Pädagogen. Seit Oktober 2019 ist er Direktor des Heinrich Pesch Hauses und wirkt mit an der Weiterentwicklung der Akademie im Bereich Online-Bildung, neue Schwerpunktthemen sowie an der Entwicklung der Heinrich Pesch Siedlung, einem Modellprojekt für soziale und ökologische Stadtentwicklung.

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