Parteien müssen sich für eine und sozial ausgewogene Gestaltung des Klimaschutzes einsetzen
Klimaschutz wird erstmals zu einem wichtigen Wahlkampfthema. Das ist gut so, denn wir brauchen nicht nur klimapolitische Ziele, sondern den politischen Wettstreit darüber, mit welchen Maßnahmen diese Ziele in der gebotenen Zeit erreicht werden können. Dass diese Zeit abläuft, hat auch das Bundesverfassungsgericht festgestellt: Jede weitere Verzögerung gefährdet Grundrechte junger und künftiger Menschen. Zugleich brauchen wir eine offene und redliche Auseinandersetzung darüber, wie die mit einem effektiven Klimaschutz verbundenen Lasten und Kosten gerecht verteilt werden können.
Denn es ist wahr: Eine ökologische Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft ist zwar strikt geboten, aber nicht automatisch sozial und gerecht.
Klimaschutzmaßnahmen können bereits bestehende Ungleichheiten, Benachteiligungen und sogar Armut verstärken.
Insbesondere die Bepreisung von CO2-Emissionen ist zwar ein unverzichtbares Instrument und auch insofern (verursachungs-)gerecht, als sie die Abwälzung ökologischer Folgelasten auf Dritte erschwert. Zugleich aber kann sie dazu führen, dass es vor allem in den Bereichen Energie und Mobilität zu Teuerungen kommt, die einkommensschwache und arme Menschen benachteiligen: Sie geben zwangsläufig einen höheren Anteil ihres (niedrigen) Einkommens gerade in diesen Bereichen aus und können durch eine „sozial blinde“ Bepreisung überproportional und auch unzumutbar belastet werden – und dass, obwohl sie aufs Ganze gesehen weit weniger zur ökologischen Krise beitragen als reiche Menschen mit einem oft wenig nachhaltigen Lebens-, Konsum- und Mobilitätsstil.
Sorgen und Ängste ernst nehmen
Daher müssen insbesondere Parteien, für die soziale Gerechtigkeit ein zentraler Wert ist, entsprechende Sorgen, Ängste und Nöte ernst nehmen und sich für eine gerechte und sozial ausgewogene Gestaltung des Klimaschutzes einsetzen. Verantwortungslos ist es aber, diesen Ängsten nicht mit Lösungsvorschlägen zu begegnen, sondern sie zu befeuern und politisch zu bewirtschaften und den Eindruck zu erwecken, ambitionierte Klimaschützer:innen würden per se die Anliegen einkommensschwacher und sozial benachteiligter Menschen ignorieren. Leider verspricht der anlaufende Wahlkampf in dieser Hinsicht nichts Gutes – daher auch der aktuelle „Brandbrief“ der Umweltverbände gegen einen unverantwortlichen Wahlkampf auf Kosten des Klimaschutzes.
So kann es gehen
Dabei gibt es längst Lösungsvorschläge zur Vereinbarkeit von ökologischer Verantwortung und sozialer Gerechtigkeit. Praktikable, kluge und auch „durchgerechnete“ Konzepte einer CO2-Bepreisung liegen auf dem Tisch. Sehr lesenswert sind z. B. die jetzt publizierten Berechnungen des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change, kurz MCC, mit einem Bezug zur aktuellen Benzinpreis-Debatte.
Zentral für eine gerechte Ausgestaltung der CO2-Bepreisung ist eine progressiv wirkende – also schwache Schultern stärker entlastende – Rückvergütung klimapolitisch veranlasster Mehrkosten, welche die Anreizwirkung der Bepreisung nicht aufhebt. Wichtig sind ebenso Investitionen in eine Verkehrsinfrastruktur, die klimafreundliche Mobilität für viele erst möglich und erschwinglich macht, sowie gezielte Förderprogramme z. B. für energetische Sanierungen.
Macht die soziale Gestaltung des Klimaschutzes zum Wahlkampfthema!
Welche konkreten Instrumente im Detail und mit welchem Zeitplan am besten geeignet sind, Klimaschutz sozial gerecht zu gestalten – darüber sollten wir im Wahlkampf streiten, auch wenn es kompliziert erscheint.
Wahlkämpfende Parteien müssen zwar zuspitzen und vereinfachen, sollten aber nichts verfälschen und ihre potentiellen Wähler:innen nicht unterfordern.
Für rechtspopulistische Kräfte ist Stimmenfang durch Stimmungsmache gegen den Klimaschutz eine gewohnte Strategie. Leider zeigt sich im aktuellen Wahlkampf, dass auch manche sich als links verstehende Politiker:innen dieser Versuchung erliegen und soziale Gerechtigkeit gegen Klimaschutz ausspielen. Damit gefährden sie die zum Glück steigende Akzeptanz des Klimaschutzes. Sollte sich dieser weiter verzögern, werden die Kosten jedoch dramatisch ansteigen – darunter zu leiden hätten am meisten diejenigen, die ohnehin benachteiligt sind und die man angeblich vor einem übersteigerten Klimaschutz schützen möchte.
Bei alledem ist nicht zu vergessen: Dass Einkommen, Vermögen und Beteiligungschancen seit langem ungerecht verteilt sind und dass es Armut im reichen Deutschland gibt, ist wahrlich nicht das Ergebnis einer angeblich übertriebenen Umwelt- und Klimapolitik. Diese Ungerechtigkeiten sind das Resultat einer Bildungs-, Sozial-, Arbeitsmarkt- und Steuerpolitik, die Armut nicht verhindert und Teilhabe zu wenig ermöglicht. Ein ambitionierter und fair gestalteter Klimaschutz ist kein Hindernis, hier endlich etwas zu verbessern.