Katharina Gebauer Meinung

HIER SCHREIBT KATHARINA GEBAUER

Hört auf mit den falschen Vorwürfen!

Wie oberflächlich das Bild über die Generation Z ist

„Die junge Generation hängt doch eh nur noch am Handy, keiner packt mehr an und hilft“ – „Jeder ist sich selbst der Nächste“ – und überhaupt: „Wer engagiert sich denn bitte noch in einem Ehrenamt?“ Geht es um die Generation Z, also die Menschen, die heute in der Altersgruppe von 20 bis 30 Jahren leben, findet man schnell barsche Zuschreibungen. Vor allem ist es die vermeintliche Einstellung zum Thema Arbeit, die zu harsche Kritik hervorruft. So bezeichnet der Forscher Christian Scholz die Gen Z als nicht loyal, der Unternehmer und Europa-Park-Chef Roland Mack beschreibt die unter 25-jährigen in der „Basler Zeitung“ gar als faul und verantwortungsscheu.

Sie sind der gleichen Meinung oder gehören Sie zu jenen, die diese Sätze immer wieder zu hören bekommen? Gleich einmal vorneweg: In Deutschland engagieren sich laut dem 5. Deutschen Freiwilligensurveys knapp 29 Millionen Menschen ehrenamtlich. Das sind 40 % der Deutschen ab 14 Jahren – und nicht zu vernachlässigen: Es sind 10 % mehr Freiwillige als noch vor 20 Jahren. Wer sich also bitte noch im Ehrenamt engagiert? Ganz schön viele!

Ich, als junge Frau mitten in ihren 20ern, habe den Eindruck, ständig mit dieser Fragestellung konfrontiert zu werden; sind wir doch die Generation, die vieles anders macht (und überhaupt diese Freiheit dazu hat). So haben wir eben auch ein anderes Verständnis von Arbeit und Freizeit, öffentlichem und privatem – und Helfen.

Doch ich will den vermeintlichen Makel, der uns angeheftet wird, nicht annehmen.

Fragen hilft – wirklich

Vor einigen Wochen stellte ich eine Frage über den Fragesticker auf Instagram. Mein Anliegen war banal: Wie trenne ich privates und berufliches am besten auf meinem Handy? Früher hätte ich darüber wohl bei einem Kaffeekränzchen mit meinen Freundinnen beraten. Heute frage ich einfach das Internet – und damit die „junge Generation, die doch eh nur noch am Handy hängt“.

Binnen weniger Stunden hatte ich über 20 Antworten in meinem Postfach. Das wäre wirklich ein großes Kaffeekränzchen gewesen, damals; und vermutlich sehr einseitig in den Ratschlägen. Das Ergebnis heute waren lehrreiche Chats mit Menschen, denen ich im realen Leben nie begegnet bin – und eine für mich passende Antwort auf meine Frage war auch dabei.

Für mich ist das ein gutes Beispiel für Helfen. Ich habe ein Problem, frage wildfremde (!) Menschen um Rat und kann mit deren Antworten mein Problem lösen. Anderes Beispiel gefällig?

Nutzen für alle

Denken Sie doch mal an die Bewertungen des empfohlenen Restaurants oder die Öffnungszeiten ihrer Apotheke, wenn Sie etwas in Google gesucht haben. Auch diese Inhalte kommen von wildfremden Menschen aus der ganzen Welt, die Tag für Tag einen Teil ihrer Freizeit investieren, diese Daten aktuell zu halten. Weil ihnen wichtig ist, dass wir alle die Möglichkeit haben, in einer funktionierenden und besseren Welt zu leben – sie bekommen dafür kein Geld.

Ja, die junge Generation hängt am Handy und beantwortet dort Fragen einer Fotografin oder aktualisiert die Öffnungszeiten des Bäckers um die Ecke. Und nein, es packt nicht keiner mehr an oder hilft. Die Hilfe ist nur anders geworden, weniger Selbstgehäkeltes auf dem Flohmarkt für den guten Zweck verkaufen, viel mehr aber Wissen und Bohrmaschine teilen in der Facebookgruppe „Einander helfen, in und um Würzburg“.

Womit wir wieder bei der Generationen-Frage sind. Bitte macht es euch nicht zu leicht mit pauschalen Bildern, mit oberflächlichen Zuschreibungen, wie eine Generation angeblich ist – und zu sein hat.

Wenn ihr gerecht und selbst Helfende sein wollt, dann hört auf, unsere Generation zu verurteilen.


Katharina Gebauer

Musik und Glaube sind die beiden großen Themen von Katharina Gebauer. Die Fotografin und Gestalterin widmet sie sich der Frage, wie kirchliche und kulturelle Inhalte die richtige Form von Kommunikation erfahren. Gebauer lebt in Würzburg, hat ein Herz für die Nordsee und liebt es, in hektischen Zeiten sich einfach eine Stunde in eine Kirche zu setzen.
katharinagebauer.de

Foto: © Raphael Geuppert

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