Die Schulen werden zuletzt geschlossen. Darauf werden wir gerade eingeschworen. Denn „Kinder sind ja unsere Zukunft“. Da wurde ich schon als Jugendlicher misstrauisch. Bei genauerem Hinhören geht es um berechtigte Anliegen wie Kinderbetreuung und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Vielleicht auch um „unsere“ Zukunft, den Wirtschaftsstandort, die künftigen beruflichen Chancen der Jugendlichen und – im Dienste dieser Chancen – um das Abarbeiten von Lehrplänen und Prüfungen in den sogenannten Kernfächern. Nur das kommt nicht vor: Junge Menschen mit ihrem Leben und ihren Bedürfnissen heute.
Die Spielplätze wurden als erstes geschlossen. Geredet wurde nur über die Schließung der Kitas. Als sich die Einsicht durchgesetzt hatte, dass die Schulschließungen ein Fehler gewesen waren, führte dies keinesfalls dazu, alles daran zu setzen, damit Jugendfreizeiten in den Ferien stattfinden konnten. Veranstalter blieben allein auf sich gestellt. Die meisten Freizeiten fielen aus.
Dass es derzeit unklug ist, große Fußballarenen zu füllen, ist eine Sache. Sportvereine, die ein wichtiger Ort geschützter Jugendkultur sind, als „Freizeitveranstaltung“ mit über diesen Kamm zu scheren, ist etwas anderes.
Im Herbst hagelte es Schelte über die Unvernunft der jungen Leute, die mit Partys die Pandemie anheizten. Teenager brauchen aber für ihr Erwachsenwerden eigene Räume für den Kontakt zu Gleichaltrigen. Wenn sie ausbrechen, weil sie nach einem halben Jahr ohne Aussicht auf Änderung immer nur auf jene Lebensbereiche beschränkt bleiben, die von Erwachsenen und deren Perspektiven dominiert werden, auf Elternhaus und Schule, dann hat das nichts mit dem rücksichtslosen Freizeitverhalten von unbelehrbaren Hedonisten unter den jungen Erwachsenen zu tun.
Nuancen haben im Überlebensmodus keinen Raum. Nur sind zwei Jahre Überlebensmodus für Erwachsene durchzuhalten, für Achtjährige sind sie ein Viertel der Lebenszeit. Es ist also höchste Zeit, dass wir Erwachsene nicht nur über das Wohl der jungen Leute und ihre Zukunft reden, sondern mit jungen Menschen über ihre Situation und ihre Wünsche.
Bildung ist mehr als Kinderbetreuung und Schule mehr als der Rahmen für das Abarbeiten von Lehrplänen und Prüfungen im Notfallmodus. Vor allem entschuldigt der Notfallmodus von uns Erwachsenen aber nicht dauerhaft, dass die Lebenssituation von jungen Menschen jenseits der Schule niemanden interessiert.