KASCHOLKES MEINUNG

Braucht es in diesem Jahr eine Fastenzeit?

Ein Einspruch gegen eine Standard-Fastenzeit

Ausgangsbeschränkungen, wenige Kontakte und ein Leben in Zurückhaltung: Wir erleben gerade alles andere als eine Zeit der Fülle. Und nun steht die Fastenzeit ins Haus, die immer den Anstrich von Verzicht mit sich bringt. Aber ganz ehrlich: Sollten wir in diesem Jahr vielleicht besser ganz auf die Fastenzeit verzichten?

Seit einem Jahr beschäftigt uns – jede und jeden, überall auf der Welt – die Frage, was wir sollen, dürfen, müssen und vor allem wieder können. Die Covid-19-Pandemie hält unser Leben in der Hand, hat für viele Veränderungen gesorgt und viele Menschen an und über die Grenzen ihres Möglichen und Ertragbaren gebracht.

In ein paar Tagen rufen die christlichen Kirchen wieder die Fastenzeit, die Vorbereitungszeit auf das Osterfest aus. Auch hier die Frage: Was soll / darf / muss / kann ich? Der Standard für diese 40 Tage sieht Verzicht, Gebet, Almosen geben und Werke der Nächstenliebe vor. All dies soll keinen Selbstzweck erfüllen, sondern ausrichten auf Ostern, auf das Fest der Auferstehung, auf neues Leben.

Längst nicht mehr geläufig …

Verzicht, Gebet, Almosen geben und Werke der Nächstenliebe … diese Standard-Übungen sind vielen Gläubigen schon längst nicht mehr geläufig und für viele nicht nachvollziehbar, sodass jedes Jahr wieder Übersetzungen und Neuinterpretationen versucht werden. Vielleicht finden wir angesichts der Pandemie-Situation und den damit verbundenen Einschränkungen und Zumutungen in diesem Jahr einen Ausweg aus einer festgefahrenen und unterkomplexen „Darf ich oder darf ich nicht?“-Spiritualität heraus.

Die vergangenen Monate haben uns hoffentlich die Augen dafür geöffnet, dass die Bedürfnisse und Wünsche von jedem und jeder von uns grundlegend verschieden sind – und beim Blick über den Maskenrand zum „Nachbarn“, zur „Nachbarin“ manchmal unverständlich bleiben.

Ein objektives Vergleichen und Bewerten ist schlicht nicht möglich. So sollte es auch in der Fastenzeit – insbesondere in diesem Jahr – sein: Die Wege zu Gott passen in keine Standardempfehlungen hinein. Ein oberlehrerhaftes Vergleichen und Bewerten darf man sich verkneifen.

Damit möchte ich nicht einer individuellen Beliebigkeit das Wort reden, denn die wirkliche Herausforderung liegt genau darin, für sich persönlich herauszufinden, was ich für mich benötige, was mich näher zu mir, zu anderen und zu Gott führt. Wenn dies so einfach wäre, dann wären wir schon immer leichter durch die Fastenzeiten gekommen.

Plädoyer wider jegliches Standard-Denken

Mehr denn je lautet in diesem Jahr mein Plädoyer wider jegliches Standard-Denken, was der einzige und damit richtige Weg sei. Vielmehr ist (1) eine geistliche und spirituelle Sensibilität dafür gefragt, wie ich besser – ignatianisch gesprochen – die Geister in mir unterscheiden kann, wie ich mich Gottes Rufen öffnen kann. Ebenso ist von mir (2) die Demut verlangt, dass ich nicht hinter jeden Vorgang meiner Bedürfnisse blicken kann. Nicht alles wird mir verständlich sein. Ich bleibe mir rätselhaft, weil trotz aller Bemühungen ich mein Leben nie völlig in der Hand und unter Kontrolle halten kann. Schwierig wird es zumal dann (3), wenn ich eine Einladung Gottes vernehme, mein Verhalten (grundsätzlich) zu verändern, weil ein Ruf zur Umkehr, zum Um-Denken mich ereilt hat. Kann ich dann meine Bedürfnisse und Wünsche auf ihn relativieren?

Die Fastenzeit ist – wie jedes Jahr – eine wichtige Maßnahme, auf die wir nicht verzichten dürfen, allerdings verlangt sie von uns Augenmaß: offene Augen und Maßnehmen an göttlichen Standards, die nicht fix und fertig, sondern frei und flexibel machen.


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