Wenn sich Sommertage besonders leicht anfühlen
Ein Kind schläft im Kinderwagen, eins sitzt auf der Bank und isst Kekse und das dritte ist weg. Eine typische Parksituation. Wir leben in einer dieser Städte, wo es wunderschöne Stadtparks gibt. Während der vielen Besuche hier merke ich: Der Park im Allgemeinen ist für mich ungefähr der schönste Beweis dafür, wie gut unsere Gesellschaft funktionieren kann.
Auf der Wiese, etwa 100 Meter weiter stehen Fußballfans und trinken sich warm für das Spiel, was am Nachmittag läuft. Dabei hören sie dermaßen laut Punk, dass ich fast rüber gehen möchte, um mich zu beschweren. Aber dann machen sie leiser. 50 Meter weiter eine Großfamilie, die grillt – rund um sie herum Decken, Fahrräder, Anhänger und alles Zubehör, was sie so brauchen. Ein Junggesellenabschied spielt in Ritterkostümen Schwedenschach auf der Wiese. Ich selbst mit den Füßen im Wasser, auf dem Wasserspielplatz, um mich herum kleinere Menschen, die sich mit Eimern, Gießkannen und Wasserpistolen den Vormittag versüßen. Ihre Eltern ringsum auf Picknickdecken oder, typisch für die Großstadt, hinter den Kleinsten herlaufend. Das Kind, das weg ist, ist nicht weg: es ist auf dem nahe gelegenen Speckbrettplatz zu einem Paar hinzugetreten, und hat die jungen Leute überzeugt, dass sie ihm das Speckbrettspielen beibringen sollten. Seit einer halben Stunde. Eine Ewigkeit zum Lesen, Gucken und Denken für mich. Das Kekskind kommt, um sich anzulehnen und über die eigene Langeweile zu philosophieren. Die Sonne brutzelt mich.
„Es könnte schlimmer sein.“
Der Wochenendvormittag hat hier eine gemütliche eine Langsamkeit. Alle Eile scheint mit dem ersten Schritt auf die Parkwege von den Naherholer:innen gewichen zu sein. Wir selbst haben noch bis kurz vorher auf der Straße laut unsere Dickköpfe gezeigt. Die Kinder haben sich abwechselnd beschwert, dass sie mit dem Fahrrad vorfahren wollen, das müde Kinderwagenkind hat vor sich krakeelt, die in mir wohnende genervte Mutter hat sich an einen stillen Ort jenseits des Familienlebens gewünscht.
Szenenwechsel
Und dann dieser Szenenwechsel. Von jetzt auf gleich ist ungewohnte Ruhe in und um uns. Auf einer Bank sitzt ein älterer Mann und schaut den Kindern zu, raucht eine Zigarette und zieht dann weiter. Eine Frau mit Hund, zwei Jogger:innen umrunden uns. Die Bälle ploppen nebenan auf dem Speckbrettplatz auf und ab. Es ist idyllisch, findet mein Großstadt-Ich und ignoriert dabei erfolgreich die herumliegenden Zigarettenstummel, Nusshülsen und die Scherben einer Bierflasche.
Ich will nicht behaupten, dass hier alles perfekt ist. Aber so lässt es sich leben, alle haben ihre Eigenarten mitgebracht. Wir mit den kleinen Kindern das Geschrei, der Biertrinker die Scherben, die Griller die Asche.
Die Stadt sorgt dafür, dass es am nächsten Morgen wieder sauberer aussieht. Es ist eine privilegierte, reiche Stadt, mit vielen relativ stark privilegierten Menschen.
Dankbar
Das Understatement „Es könnte schlimmer sein“, das lässt sich auch anders ausdrücken: Was bin ich dankbar für dieses Leben! Im Frieden. Mit einem Miteinander, das alle irgendwie sein lässt. Mit ausreichend Anstand und ein paar Regeln. Mit diesem Park.
Und wie sehr wünschte ich, dass das, was hier im Kleinen geschieht, überschwappt in die gesamte Gesellschaft, in die Dichotomien, in das Schwarz-Weiß-Denken unserer Zeit. Mehr Gelassenheit, mehr Beobachtung, weniger Wut und Bewertung.
PS: Zum Ende des Textes muss ich meine sommerliche Dankbarkeitsromantik kurz in die Realität zurückholen: Der nächste Streit der Kitakinder hat grad am Klettergerüst begonnen, mein entspannt lächelndes Mutter-Ich muss jetzt los: „Stopp“ schreien und schlichten.
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