Eine Umfrage, zehn Antworten
Viele Menschen in Deutschland können mit der Kirche nicht mehr viel anfangen. Sie hat an Glaubwürdigkeit und Relevanz verloren. Katharina Gebauer hat sich auf dem Stuttgarter Katholikentag umgehört, was Menschen ganz persönlich ohne Kirche fehlen würde. Zehn Menschen haben ihr geantwortet.
Mir würde eine große vielfältige Gemeinschaft aus ganz unterschiedlichen Menschen fehlen, die sich dafür einsetzt, dass Menschen erfahren können, dass Gott sie liebt. Und mir würde eine Gemeinschaft fehlen, die sich dafür einsetzt, dass die Welt eine gerechtere, eine friedvollere und eine heilere Welt wird.
Simon, 22, Seminarist
(Die Autorin trifft Edith an der Haltestelle der Straßenbahn und kommt mit ihr über Kirche und den Glaube in ein längeres Gespräch, nachdem ihr die Rentnerin ein belegtes Brötchen zum Frühstück schenkte.)
Edith ist alleine auf dem Weg zum Katholikentag. Ihr Mann schwer krank zu Hause, ihre Freundinnen waren diesem Großereignis skeptisch gegenübergestanden. Doch für die gläubige Christin gab es kein Vertun: Ein Besuch in der Innenstadt ist Pflicht. Für Edith ist Kirche eine große Gemeinschaft, ein Ort, an dem sie Gleichgesinnte treffen kann und sich auch in den entferntesten Ländern bei ihren unzähligen Dienstreisen in Asien heimisch fühlen konnte, wenn sie eine katholische Messe besuchte. Ihr würde das halbe Leben fehlen, erklärt sie Katharina Gebauer und zählt die Schicksalsschläge in ihrem Leben auf: Tod, schwere Krankheiten, Ungewissheiten. Ohne die Kirche säße sie heute nicht hier. Sie ist überzeugt: Es gibt mehr als wir sehen. Bei der Frage, was ihr ganz konkret ohne die Kirche fehlen würde, antwortet sie: die katholische Bibliothek, die sie leite.
Edith, 67, Rentnerin
Zuerst einmal würde der Katholikentag hier mit seiner ganzen Inspiration fehlen, die ich mit nach Hause in meine Gemeinde nehmen kann. Ansonsten: Der Glaube existiert ja dann trotzdem weiter, klar. Aber wo lebe ich ihn dann aus? Lebt man ihn in der Gemeinschaft aus, macht man das unter sich aus? Würde die Kirche fehlen, würde mir dann auch so etwas wie ein Dach über dem Kopf fehlen, ein Ort an dem ich Halt finde – und mit wem spreche ich dann eigentlich in der Beichte? Wenn die Kirche fehlt, würde ich dann meine Beichtangelegenheiten mit Freunden besprechen? Aber ehrlich gesagt würde ich wohl so etwas wie Beichten ohne Kirche gar nicht machen.
Nils, 16, Schüler
Eigentlich würde mir ohne die Kirche meine Messdienergruppe und wahrscheinlich auch der Glaube selbst fehlen. Denn ohne die Institution Kirche gäbe es wohl niemanden, der mich zum Glauben gebracht hätte. Doch was genau im Detail fehlen könnte, das kann ich mir jetzt nur schwer vorstellen. Ich kann mir heute einfach kein Leben ohne Kirche mehr vorstellen.
Leonhard, 16, Schüler
Wenn die Kirche nicht mehr da wäre, würde mir ein Stück Heimat fehlen und die Gelegenheit, mit Menschen zusammenzutreffen, um den Glauben zu leben. Was würde ich also tun, wenn sie nicht mehr da wäre?
Ich würde mich organisieren, um mit anderen doch wieder etwas zu bauen, was wäre wie die Kirche und müsste damit leben, dass mittelfristig auch dort Institutionen entstehen; inklusive eines Schatzmeisters, den du kontrollieren musst oder einem Organisator irgendeiner Art. Mir würde also etwas fehlen, was ich dann reproduzieren würde und dabei versuchen, das „Neue“ mit gewissen Stellschrauben zu versehen, um zu verhindern, dass manche nur aus Machterwägungen teilnehmen möchten. Wichtig bleibt dabei nach wie vor die Gemeinschaft, gemeinsam den Glauben zu leben. Nicht zuletzt, weil ich gerne im Chor singe.
Andreas, 47, Lehrer, Vizepräsident Diözesanversammlung
Eigentlich nichts. Wir gehen nicht in die Kirche und sind dort ausgetreten. Wir waren auch nie in einem kirchlichen Kindergarten oder einer Schule in kirchlicher Trägerschaft.
Amanda,19 und Alina, 21, Passantinnen
Mir würden die Kinder- und Jugendverbände fehlen. Ich glaube, das wäre das erste, was mir einfallen würde. Diese Verbindung zwischen Kirche und Kindern und Jugendlichen finde ich gut.
Jana, 24, Studentin
Ich finde die Frage sehr schwierig für mich zu beantworten. Die eine Hälfte meiner Familie konnte mit Kirche nie etwas anfangen und die andere Hälfte geht sonntags in die Kirche. Ich finde mich zwischen diesen Stühlen. Was ich aber in der Kirche selbst erlebe, was es in diesem Maß wohl selten an anderer Stelle gibt, ist die Gemeinschaft. Aber das sagen sicher auch andere von ihren Institutionen und Gruppen.
Laura-Jane, 25, Koordinatorin
Ein Ort meines Glaubens.
Bruder Bernhard, 60, Ordensbruder
Bilder und Interviews: Katharina Gebauer