Eine Stadt auf dem Weg zur Fairtrade-Town
Auch in Ludwigshafen hat sich eine Gruppe von Vertreter*innen aus Politik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft zusammen getan, um den fairen Handel in der Stadt zu stärken. Vorweg gesagt: Der Weg der Chemiestadt am Rhein zur Stadt des fairen Handels ist lang.
Denn um eine Stadt des fairen Handels zu werden, müssen fünf Kriterien erfüllt werden. Dazu gehören der Ratsbeschluss, die Bildung einer Steuerungsgruppe, Öffentlichkeitsarbeit und die Bereitstellung von fair gehandelten Produkten im Einzelhandel und in der Gastronomie. Letzteres war in Ludwigshafen am schwersten umzusetzen. Die Stadt benötigt 14 Gastronomiebetriebe mit mindestens zwei fair gehandelten Produkten, um das Kriterium zu erfüllen. Das mag sich nicht nach viel anhören – aufgrund der nun seit zwei Jahren andauernden Pandemie fielen jedoch diverse teilnehmende Restaurants weg bzw. die Besitzer hatten verständlicherweise andere Sorgen, als an unserer Kampagne teilzunehmen. Im Februar 2022 war es nach über vier Jahren harter Arbeit dann endlich soweit: Wir haben alle Kriterien erfüllt und die Bewerbung eingereicht. Jetzt heißt es warten.
Wir alle machen den Unterschied
Für mich ist das wichtigste Kriterium an dieser Kampagne die Öffentlichkeitsarbeit. Es geht darum, die Bürger*innen zu dem Thema fairer Handel zu sensibilisieren, Politik, Gesellschaft sowie Wirtschaft zu vernetzen und aufzuzeigen, dass jede*r Teil dieser Bewegung sein kann und dass jede Kaufentscheidung einen Unterschied macht. In den Produktionsländern des globalen Südens, aus denen wir viele unserer Produkte des täglichen Bedarfs beziehen, steht Ausbeutung leider auf der Tagesordnung. Verstärkt wird diese durch das bei uns vorherrschende Motto „Geiz ist geil“ und den Unterbietungswettbewerb der Discounter. Es ist ein wahrer Wettbewerb unter Schnäppchenjägern ausgebrochen, wer wo am billigsten einkauft.
Auswirkungen unseres Konsums auf Mensch und Umwelt
Ganz vergessen werden hierbei die Arbeitsbedingungen im globalen Süden. Die Mindestlöhne sind häufig so niedrig angesetzt, dass das Einkommen nicht zum Überleben reicht. Kinderarbeit ist an der Tagesordnung, die Arbeiter*innen müssen mit giftigen Chemikalien gänzliche ohne Schutzkleidung arbeiten. Deutlich zeigten sich die katastrophalen Arbeits- und Sicherheitsbedingungen im Jahr 2013 beim Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch, als über 1100 Menschen starben und weitere 2000 Menschen verletzt wurden. Hinzu kommen die fatalen Auswirkungen der Produktion auf die Umwelt. In den Herstellerländern der Textilindustrie lässt sich zum Beispiel an den Farben so mancher Flüsse schon die nächste Trendfarbe erkennen. Auch werden teilweise Pestizide eingesetzt, die aus gutem Grund in der EU keine Zulassung mehr haben.
Kampagne Fairtrade-Town
Die Kampagne Fairtrade-Town setzt sich für die Förderung des fairen Handels auf kommunaler Ebene ein, indem sie Politik, Wirtschaft und Gesellschaft vernetzt. Abhängig von der Einwohnerzahl müssen teilnehmende Kommunen verschiedene Kriterien erfüllen, um den Titel Fairtrade-Town zu erlangen, z. B. die Gründung einer Steuerungsgruppe, Öffentlichkeitsarbeit zum Thema fairer Handel und das Akquirieren verschiedener Unterstützer aus den Bereichen Gastronomie, Einzelhandel, Zivilgesellschaft, Schule und Kirche.
Was leistet der faire Handel?
Der faire Handel setzt an verschiedenen Punkten der Lieferkette an. Zum einen werden den Erzeuger*innen existenzsichernde Mindestpreise gezahlt, mit denen sie ihre Arbeiter*innen fair entlohnen, ihre Produktionskosten und ihren eigenen Lebensunterhalt decken können, unabhängig von Schwankungen am Weltmarkt. Auch sind die Handelsbeziehungen möglichst langfristig angelegt, wodurch für die Produzent*innen mehr Sicherheit entsteht. Eine weitere Besonderheit ist die Zahlung einer Fairtrade-Prämie, mit denen Entwicklungsmaßnahmen finanziert werden können. Wofür das Geld eingesetzt wird, entscheiden Vertreter*innen aus Management und Arbeiterschaft gemeinsam. Außerdem sind Kinder- und Sklavenarbeit verboten, es gibt höhere Umweltauflagen und Frauen werden genauso entlohnt wie Männer und in ihrer Entwicklung gestärkt.
Wir haben es in der Hand
Tagtäglich können wir mit unserem Kaufverhalten entscheiden, welchen Einfluss wir auf die Lebensbedingungen der Frauen und Männer im globalen Süden nehmen wollen. Hinter jedem Produkt, das wir kaufen, stehen Menschen. Ob es nun die Näher*innen sind, die unser neues Lieblings-T-Shirt schneidern, die Kaffeebauer*innen, ohne die wir auf unseren morgendlichen Koffeingenuss verzichten müssten oder die Arbeiter*innen auf dem Schnittblumenfeld, dank denen wir unseren Liebsten eine Freude machen können. Diese Menschen hinter den Produkten werden zu häufig vergessen. Mit unserer Kampagne Fairtrade-Town Ludwigshafen wollen wir die Gesichter sichtbar machen und den Ludwigshafener*innen zeigen, dass unsere Entscheidungen den Unterschied machen. Wir haben es in der Hand!
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