Heilig und profan Gebauer Kreuze

Christus und die Sache mit der Backoblate

Wie ich versuchte, die Grenzen von heilig und profan zu finden

Haben Sie schonmal eine Hostie fotografiert? Ich meine, eine geweihte Hostie. Ich habe diese Frage in den vergangenen Monaten vielen Menschen gestellt. Die große Mehrheit antwortete: „Nein. Darf man das überhaupt?“ Sicher, nicht alle von ihnen sind regelmäßige Kirchgänger und nur ein Teil der Gefragten wird regelmäßig zur Kommunion gehen. Dennoch: Warum haben auch diese verneint? Heute hat doch beinahe jeder ein Smartphone und noch dazu liegt es völlig im Trend, alles, was man essen wird, erstmal hübsch drapiert in den vielzähligen Social-Media-Kanälen zu posten. Warum nicht auch eine geweihte Hostie? Ein Selfie mit dem leibhaftigen Herrn wäre doch sicher der absolute Klickmagnet, oder etwa nicht?

Mir ging es übrigens genauso. Aber weshalb? Worte wie Respekt und Ehrfurcht fallen mir ein. Es ist ähnlich wie beim Betreten einer Kirche: Wir werden leise, schauen uns ehrfürchtig um. Warum? Weil wir meinen, heiligen Boden zu betreten. Und genauso geht es uns mit dem Hostien-Selfie.

Ich bin katholisch getauft, gläubig und bezeichne mich als „Herz-Christin“; ich weiß nicht sonderlich viel über Bräuche und Riten der Kirche. Für ein Gestaltungsprojekt in meinem Kommunikationsdesign-Studium versuchte ich dennoch dieser Frage nach dem heiligen Boden auf den Grund zu gehen: „Was ist eigentlich heilig und was muss dann profan sein?“ – und startete bei meinem Gefühl von Ehrfurcht vor allem, was mir heilig scheint.

Hat das tatsächlich nur mit Glauben zu tun?

Wann nutzt man die Wörter heilig und profan, sofern sie im eigenen Wortschatz auftauchen? Je mehr Artikel ich zu der Thematik las und je öfter ich profan googelte, desto klarer stellte sich heraus:

Wenn das Adjektiv profan genutzt wird, dann meist, um etwas Negatives darzustellen oder etwas abzuwerten . „Profan und einfach zu verstehen – eine Tankstelle“, lautete eine Bildunterschrift, auf die ich damals stieß.

Zugegeben, ein Beispielsatz, der mich irritierte. Ja, auch in meiner Vorstellung ist eine Tankstelle nichts Heiliges, schließlich hat diese rein gar nichts mit Glauben und Religion zu tun. Aber warum nutzt eine Journalistin oder ein Journalist dann dieses Wort, um eine Tankstelle zu beschreiben? Wenn ich den Satz dann noch einmal lese, klingt im profan so etwas wie ein langweilig mit; so, als würde der oder die Journalist*in sich über das unspektakuläre Artikelthema beschweren wollen.

Im Atelier von Pater Meinrad Dufner OSB im Kloster Münsterschwarzach

Sprache schafft Wirklichkeit. Ist nach dieser Erkenntnis der profanen Tankstelle nun also alles, was heilig ist, spannend und besser als etwas Profanes? Für den oder die Verfasser*in wahrscheinlich nicht, denn Fotos von etwas Heiligem zu machen gehört sich ja nicht. Oder irre ich mich da jetzt?

Heiliges Abendbrot und ungültige Taufe

„Nehmet und esset alle davon: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird” – sind das die Zauberworte, die meine Ehrfurcht auslösen? Sind sie verantwortlich, dass ich still werde und mein Handy in die Tasche stecke, sobald ich einen Raum betrete, in dem diese Worte gesagt werden? Von wem müssen diese Worte gesprochen worden sein?

Spreche ich diese Worte in der Hoffnung, dass mein Abendbrot dadurch heilig wird, höre ich so ziemlich alle Theologinnen und Theologen lachen.

Wenn ich also einen geweihten Priester brauche, der mir eine Backoblate zum vermeintlichen Leib Christi erklären kann – ist seine Wandlung dann noch gültig, wenn in der Taufe dieses Priesters die falschen Worte gesprochen wurden? Hätte dadurch alles wieder die Heiligkeit verloren, deren Anwesenheit ich mir bis dato sicher war?

Ganz clean, auf weißem Hintergrund

Ich komme nochmal auf die Frage vom Anfang zurück: Darf man eine geweihte Hostie fotografieren? Im Laufe der Schaffensphase zu meinem Buch „Zu weit. Über die Grenzen von heilig und profan“ fasste ich den Entschluss, genau das zu tun. Ganz clean, einfach auf weißem Hintergrund. Dazu kam es nie. Dafür führte ich eine Diskussion um die nächste, warum ich eine ungeweihte Hostie, aber auf gar keinen Fall eine geweihte Hostie fotografieren dürfe. Und man beachte schließlich den Unterschied, dass ich eine geweihte Hostie durchaus fotografieren dürfte, aber nur in ihrem „natürlichen Lebensraum“; anders gesagt: während eines Gottesdienstes.

Aber man stelle sich nur mal den Affront vor, würde ich das Handy zücken, während mir der Priester mit den Worten „Der Leib Christi“ die Hostie in die Hand legt. Ist Heiliges also unfotografierbar oder darf man es nicht einmal versuchen?

„Überall ist Göttliches, Heiliges“

Seit mehr als einem halben Jahr begleitet mich die Fragestellung von profan und heilig beinahe täglich. Einmal versucht, die Grenzen der beiden Begriffe zu fassen, verzettle und verheddere ich mich mit meinen Gedanken, als würde ich versuchen, die Unendlichkeit des Universums zu verstehen. Mir ist es bis heute nicht gelungen, eine endgültige Antwort zu finden. Unzählige Male wurde ich nun schon schräg angeschaut, weil ich, als Herausgeberin eines Buches mit dem Titel „Über die Grenzen von heilig und profan“ auf diese Frage keine Antwort nennen kann. Das wurmt. Doch seit ich mit einem mir bekannten Mönch über die Frage gesprochen habe, finde ich das nicht mehr ganz so schlimm.

„Als Tisch taugt das Ding nichts – vielleicht kann ich ja noch drauf malen“, begrüßt mich Pater Meinrad Dufner OSB gut gelaunt, als er mit der Tischplatte eines schwedischen Möbelhauses über dem Kopf an mir vorbeiläuft. Wir setzen uns in das lichtdurchflutete Atelier, der Münsterschwarzacher Benediktinermönch nimmt seine Brille ab und schaut mich aus großen, auffordernden Augen an: „Was gibt’s?“

Ich erkläre ihm mein Dilemma mit den Grenzen von profan und heilig. Den Blick meist in die Ferne gerichtet, erzählt mir Pater Meinrad seine Sicht auf die Dinge. Mal sprudeln die Worte nur so aus ihm heraus, mal lässt er lange Pausen, um sich seine Sätze zurecht zu legen. Mitten im Gespräch fällt eine Antwort, die mich bis heute beeindruckt: „Überall ist Göttliches, Heiliges“. Warum, frage ich ihn. „Das Geheimnis des christlichen Glaubens zentriert sich in den so alltäglichen, vermeintlich profanen Worten „nehmt und esst, nehmt und trinkt.“

Ist nun also alles heilig? Oder doch alles profan? Gibt es eine Grenze – und wenn ja, wo? Im einen Moment würde ich sofort sagen „Ja, es ist alles gottgemacht, also muss es heilig sein“, im nächsten Moment blicke ich auf mein Handy und bin mir dem gar nicht mehr so sicher.

Fotos: © Katharina Gebauer


Gebauer Buch zu weit

Über das Buchprojekt „zu weit – Über die Grenzen von heilig und profan“

Im Rahmen ihres Kommunikationsdesign-Studiums entstand im Frühjahr 2020 das Buch „zu weit“, welches sich auf vielfältige Weise an die Begriffe heilig und profan sowie deren Bedeutung annähert. Klare Antworten suchen die Leserinnen und Leser in dem Buch vergebens, dafür finden sie Denkanstöße, die zum Diskutieren anregen. Neben Texten verschiedener Verfasserinnen und Verfasser zum Begriff profan enthält es darin Arbeiten von Künstlern, Illustrationen, Collagen und Fotografien zur Thematik. Heute führt Katharina Gebauer das Projekt auf dem Blog heiligundprofan.de weiter, wo das Buch auch käuflich zu erwerben ist.

140 Seiten, Hardcover, 29,00 Euro


Katharina Gebauer

Musik und Glaube sind die beiden großen Themen von Katharina Gebauer. Die Fotografin und Gestalterin widmet sie sich der Frage, wie kirchliche und kulturelle Inhalte die richtige Form von Kommunikation erfahren. Gebauer lebt in Würzburg, hat ein Herz für die Nordsee und liebt es, in hektischen Zeiten sich einfach eine Stunde in eine Kirche zu setzen.
katharinagebauer.de

Foto: © Raphael Geuppert

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