Ein persönlicher Beitrag von Bernd Mönkebüscher
Gedämpft. Traurig. Bleiern. Ich möchte die Sakristei nicht verlassen. Und bin froh wieder in ihr zu verschwinden. Ich möchte nur schweigen. Weinen. Jedes Wort kostet mich unheimliche Kraft. Das Gewand hängt schwer. Am liebsten nicht anlegen. Diese Kirchenkleidung.
Ein Organist sagt: „Ich schäme mich. Wirklich. Ich schäme mich.“ Im großen Hochgebet: ein Loch. Ich kann nicht für Papst und Bischöfe beten. Es will mir nicht über die Lippen. Es geht nicht. Diese in jeder Messe ins Gebet genommenen, die „aus Versehen“ es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen, die Priester von jetzt auf gleich suspendiert haben, wenn sie zu ihrer Partnerin, zu ihrem Partner standen, aber Machtmissbrauch und sexualisierte Gewalt vertuscht haben, machen einfach weiter, hoffen, dass man ihnen keine Fehler nachweisen kann. Und wenn doch? Kaum Konsequenzen.
Keiner redet offen über priesterliche Lebensform. Über Zölibatsschwierigkeiten und Ersatzbefriedigungen, über die missbräuchliche Macht. Die Angst vor Frauen. Über das Männerbündnische, das sich gegenseitig schützen, vielleicht in der Hand haben. Nein. Jetzt kommen andere ins Gebet, in die Mitte: die tausendmal Getretenen, die Missbrauchten, die von der kirchlichen Macht Erdrückten, die für ihr Leben Gezeichneten.
Mir fällt es schwer, Lieder auszuwählen. Was geht überhaupt noch?
„Herr, du bist mein Leben, Herr, Du bist mein Weg. Du bist meine Wahrheit, die mich leben lässt. Du rufst mich beim Namen, sprichst zu mir Dein Wort, und ich gehe Deinen Weg, so lange Du es willst. Mit Dir hab ich keine Angst, gib Du mir die Hand und ich bitte, bleib doch bei mir.“
Unser Glaubensbekenntnis heute. Ich höre die anderen singen. Das gibt mir Kraft. Und gleichzeitig höre ich einen, der jahrzehntelang engagiert war, der mir in dieser Woche sagte: wenn es heißt, „ich glaube an die hl. katholische Kirche schweige ich“. Schon lange. Das bete ich nicht mit.
„Du bist mein Leben“. Hält dieser Glaube?
„Du bist mein Leben“. Hält dieser Glaube? Oder reißt ihn das Vertuschen des Vertuschens in den Abgrund? Geht das, Kirche in der Kirche sein? Es ignorieren, das „eigene Ding drehen“?
Bei uns sind alle herzlich willkommen: auch die, die aus der Kirche ausgetreten sind, um sich selbst zu bewahren und ihren Glauben zu schützen, die queeren allemal, die schrägen, die sich nach einer zerbrochenen Ehe neu verliebten und vermählten Menschen. Alle. Selbstverständlich auch zur Kommunion.
Niemand fragt! Im Gegenteil: kommt. Das stärkt. Das bindet mich. Der Papst nicht! Der Bischof nicht! Dazu gehörig fühlte ich mich nie ganz. Als schwuler Mann nur geduldet, sich versteckend, genau wissend, was die kirchliche Lehre sagt: Widernatürlich. In sich gestört. Auch deswegen konnte ich nie Priesterkleidung tragen, werde es nie. Meine Zugehörigkeit zur Kirche ist nicht ganz. Sie ist gebrochen. Zumindest ab dem Augenblick, wo mir klar war, wie und wer ich bin und dass es für mich kein vorbehaltloses Ja gibt seitens dieser Amtskirche.
„Was für ein Glaubenszeugnis. Ich kann es im Moment nicht geben.“
Wie lange kann man den Glauben an Gott und das in der Kirche sein zusammen halten? Wann geht es nicht mehr? Im Moment hält mich der Beruf in der Kirche, der Glaube nicht. Mein Glaube ringt eher, kämpft. Ich muss ihn schützen gegen das Gerede, gegen die Absichtserklärungen, die schon jahrelang zu hören sind, gegen das Vertrösten, gegen das „es braucht Zeit“, „das geht so schnell nicht“.
Ja, und Menschen halten mich, die ebenso fragen, denen es die Sprache verschlägt. „Ein Funke aus Stein geschlagen … die Kraft zum neuen Beginn“ … Ich beobachte eine Frau bei diesem Lied. Sie geht ganz darin auf. Ihr ganzer Körper, sie selbst wird zum Lied. Meine Augen werden feucht. Was für ein Glaubenszeugnis. Ich kann es im Moment nicht geben.
Diese Kirche braucht eine Auszeit. Nicht zum Schweigen, aber zum Klagen. Zum Schreien. Zum Wut raus lassen. Zum ehrlich werden. Zum Hinschauen. Zum Aufarbeiten.
Das Schweigen kommt noch lange nicht. Ich kann die bischöflichen Worte nicht gut haben, ich kann sie gar nicht haben. Mir erscheinen sie von den Medien abgetrotzt, wären die Kirchenaustritte nicht so bedrohlich, blieben die Medien nicht am Ball: die klerikale Macht regierte ungebrochen weiter. Wäre es nicht an der Zeit, die Bischöfe als die Oberhirten sprächen mit jedem Priester, mit jeder Gemeindereferentin, jedem Gemeindereferenten: persönlich, interessiert, zuhörend? Nicht wie bei der Visitation: hast du dein Testament schon gemacht? Nimmst du jährliche Exerzitien? Wie hältst du es mit dem Brevier? Sondern in einem angstfreiem Gespräch: wie lebst du? Wie geht es dir wirklich? Was fühlt deine Seele? Wonach „schmachtet dein Leib“ (wie es im Psalm heißt)?
Ich habe in den 30 Jahren den Eindruck gewonnen, dass man nicht hören will, nicht hören kann. Lieber selber reden. Und eine Atmosphäre schaffen, in dem ehrliche Worte nicht möglich sind. OutInChurch eben nicht! Und vieles andere nicht. Wegsehen. Nicht wissen wollen. Bei euch soll es nicht so sein – sagt Jesus. Ist es aber! Gedämpft. Traurig. Bleiern. Und müde!
#OutInChurch
Bernd Mönkebüscher ist Mitbegründer der Initiative #OutInChurch, die sich für die Rechte queerer Menschen in der Kirche einsetzt. Mehr zur Initiative erfahren Sie hier:
Foto: © Pascal Nowak Photography