Was Katharina Gebauer umstimmte
Friedensgebete. Da kommen Menschen zusammen, richten ihre Aufmerksamkeit auf Konflikte, auf die Opfer des Krieges und beten für ein Ende der Gewalt. Bringt das etwas? Katharina Gebauer war skeptisch. Doch ein Erlebnis in Leipzig ließ sie ihre Meinung ändern.
Friedensgebete im Speziellen oder die Aussage „Ich bete für dich“ im Allgemeinen haben mich immer ein wenig kalt gelassen. Ja, ich bin gläubig. Ja, ich bete. Und ja, ich bete auch für andere. Und doch finde ich es eigenartig, wenn man mir sagt, man habe für mich gebetet oder man solle doch jetzt für den Frieden, für die Freiheit oder für Gesundheit beten.
Ein Wochenend-Ausflug nach Leipzig – kurz nachdem der Krieg in der Ukraine begonnen hatte. Die Aufrufe zu den Friedensgebeten waren seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine auch hier unzählig geworden. Praktisch in jeder Kirche waren eines oder mehrere Friedensgebete angesagt. Am Vormittag eine halbe Stunde schweigend, abends eine Stunde singend. Aber was bringt dieses Beten für den Frieden? Der Gedanke an diese Gebete fühlte sich für mich doch immer wieder so nutzlos an, so aussichtslos, so überflüssig.
»Eigentlich war es ein Schrei nach Frieden«
Am Sonntagmorgen besuchten wir die Messe in der Propsteikirche in Leipzig: Die Kirche war coronakonform voll, etliche Kleinstkinder quengelten um die Wette, die Sonne schien in die herrliche Architektur und hüllte den modernen Raum in ein warmes, frühlingshaftes Licht. Es wäre Faschingssonntag. Doch niemandem war zum Feiern und Lachen zu Mute.

Jeder vorgetragene Text, jedes Wort der Predigt, jede Note der Gesänge handelten vom Frieden. Die Bitte um Frieden. Den dringenden Wunsch nach Frieden. Eigentlich war es ein Schrei nach Frieden. Als zum Abschluss des Gottesdienstes im angehängten Friedensgebet ein ukrainischer Student den 22. Psalm in seiner Landessprache vorlas, konnte man eine Stecknadel fallen hören.
Spätestens in diesem Moment drang die Erkenntnis „der Friede ist fragil“ durch Mark und Bein.
Gleichzeitig geschah etwas Besonderes: Die Energie und ein ungeahntes Gefühl von Gemeinschaft waren förmlich in der Luft zu greifen. Ganz deutlich, ganz nah und unglaublich intensiv.
Friedensgebete sind mehr als »nichts tun«
Ich habe unterschätzt, was Friedensgebete erreichen können. Gebete für den Frieden erzeugen eine Kraft, die ich in dieser Form nur selten erlebt habe. Sie geben Mut, Zuversicht und halten mich für einen Moment fest, wenn ich meine, die Welt um mich herum dreht sich schneller und schneller. Sie helfen. Und das, obwohl die Menschen nur dasitzen und „nichts tun“.

Mich hat dieses besondere Erlebnis in Leipzig gestärkt und durch den Tag getragen – trotz aller Hiobsbotschaften, die sich im Liveticker ihren Weg zu mir bahnten. Die Gebete werden weitergehen. Irgendwo von irgendwem; dessen kann ich mir sicher sein. Dieser Gedanke und dieses Gefühl werden mich durch die nächste Zeit tragen.
Fotos: © Katharina Gebauer