Und ohne sie hat Kirche keine Zukunft –
Ein Interview mit Sr. Katharina Ganz
Die Frage um die Rolle der Frau in der Kirche ist ein ständig aufkommendes Thema. Wir haben mit Katharina Ganz gesprochen. Die Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen benennt Schwachstellen und welche Zukunft sie der Kirche voraussagt.
»Care-Arbeit«, »Gender-Pay-Gap« und Co. sind uns bekannt. Welche (strukturellen) Lücken sehen Sie in der Kirche, abseits der Diskussion um die Frauenweihe?
Bei Führungspositionen, die nicht an die Weihe gebunden sind, gibt es noch viel Luft nach oben in der katholischen Kirche. Es braucht noch mehr Frauen, die in Gremien und Kommissionen der Deutschen Bischofskonferenz, in Domkapiteln, Hauptabteilungen von Ordinariaten, an Kirchengerichten, in Caritasverbänden, an katholischen Fakultäten, in Priesterseminaren an entscheidenden Stellen tätig sind.
Was hat Weihnachten mit der Frage um die Gleichberechtigung zu tun?
Christ*innen glauben, dass Gott in Jesus Mensch geworden ist, geboren von einer Frau. Sein Leben begann als kleines, wehrloses Kind. In diesem Menschen Jesus hat Gott das Menschsein angenommen, so wie es ist, in allen Schattierungen, Facetten und Geschlechtern. Alle Menschen sind Kinder Gottes und einander Geschwister. Diese Würde sichtbar und erfahrbar zu machen, ist zentraler Auftrag der christlichen Kirchen.
Ein Kapitel Ihres Buches lautet „Die Erika hat das Zeug für einen Pfarrer“. Glauben Sie, Sie hätten das Zeug und die Berufung zur Pfarrerin?
In meinem jetzigen Amt als Generaloberin kann ich vielfältig seelsorglich und priesterlich wirken. Ich leite die Gemeinschaft in geistlicher und geschäftsführender Hinsicht, trage Sorge für die einzelnen Mitglieder und Konvente, habe Verantwortung für Häuser und Einrichtungen, Finanzen und Personal. Dabei versuche ich zusammen mit dem Generalrat, den Schwestern und unseren Mitarbeitenden das Charisma und den Auftrag der Kongregation aus dem Schatz der Tradition in der Gegenwart in die Zukunft zu führen. In meinem Leitungsamt orientiere ich mich am Evangelium Jesu, an der Spiritualität der Menschwerdung sowie dem Geist von Franziskus und Klara von Assisi. Diese Aufgaben haben viel mit den klassischen „Hirten“-Tätigkeiten zu tun: „Lehren, verkündigen, heilen und leiten.“
Trotzdem bedauere ich bisweilen, dass wir als Ordensfrauen nicht auch ohne Priester miteinander Eucharistie feiern, im Namen der Kirche Vergebung zusprechen oder sterbenden Mitgliedern die Krankensalbung spenden können.
Es scheint manchmal, als steckten wir mit der „Frauendebatte“ in der Kirche in einer Sackgasse. Welche Wege kann jeder und jede Einzelne von uns gehen, um seinen/ihren Beitrag zu einer gemeinsamen Lösung beizusteuern?
Gestern Abend habe ich mich online mit meinem Patenkind Cornelia ausgetauscht. Sie wurde vor ihrer Erstkommunion vor genau 12 Jahren getauft und wollte, dass ich eine ihrer Patinnen werde. Bei der Taufe salbte sie der Diakon – ein Verwandter der Familie – zur Königin, Priesterin und Prophetin. An diesem Tag ist mir bewusst geworden, dass in der Taufe die ganze Würde der Gotteskindschaft grundgelegt ist. Alle Getauften und Gefirmten können, dürfen und sollen durch ihr Leben und Handeln den Gott Jesu Christi bezeugen, der Menschen aufrichtet, ermächtigt, heilt und stärkt.
„Ohne Frauen hat Kirche keine Zukunft“: Welches Szenario haben Sie im schlimmsten Fall vor Augen?
Wenn die katholische Kirche an ihren Frauen diskriminierenden Strukturen festhält, marginalisiert sie sich selbst und manövriert sich immer mehr ins gesellschaftliche Abseits. Man wird sie – zumindest in unserem Kulturkreis – nicht mehr ernst nehmen und will ihre Botschaft auch zu Themen nicht mehr hören, wo sie wirklich etwas zu sagen hätte.
Und wie ist Ihre Vision einer „Kirche der Zukunft“? Was wünschen Sie sich von der Gemeinschaft und auch der Institution „Kirche“?
Geschlechtergerechtigkeit ist ein Zeichen der Zeit. Die Kirche tut gut daran, es endlich ernst zu nehmen und in den eigenen Reihen und Strukturen zu verwirklichen. Evangelisierung kann nur gelingen, wenn die Institution vorlebt und sichtbar macht, dass alle Menschen gleich würdig und gleich berechtigt sind. Es ist nicht länger hinnehmbar, sich auf Gott, Jesus Christus oder eine lange Tradition und kirchliche Lehre zu berufen, um Menschen klein zu halten, auf bestimmte Eigenschaften festzulegen oder von manchen Ämtern auszuschließen.
Das Interview führte Katharina Gebauer.
Portrait Katharina Ganz © Katharina Gebauer
Frauen stören
Und ohne sie hat Kirche keine Zukunft
Kirche kann nur dann wieder glaubwürdig sein, wenn ihre Strukturen, Machtverteilung und der Umgang mit den eigenen Mitgliedern und Ressourcen dem Geist Jesu Christi entsprechen. Katharina Ganz möchte Veränderung, spricht Klartext und lässt sich nicht vertrösten. Eine reflektierte und unerschrockene Stimme für all das, was den Menschen gegenwärtig innerkirchlich unter den Nägeln brennt.
echter Verlag 2021
200 Seiten, 16,90 Euro
ISBN 978-3-429-05623-0