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Nachhaltigkeit  

Der Zauber des Einfachen (Teil 1)

Verzicht kann das Leben bereichern – nicht nur in der Fastenzeit

Der Frühling ist die Zeit des Neuaufbruchs von Leben in der Natur – und damit ein guter Resonanzboden für die Fastenzeit, in der es für viele Menschen um Erneuerung von Körper und Seele geht. Fasten ist ein Weg, Körper, Geist und Seele von belastenden Dingen zu befreien, zu lernen, mit weniger glücklich zu sein. Bewusster Verzicht ist in der Fastenzeit deshalb für eine wachsende Zahl von Menschen ein wichtiges Thema, auch jenseits einer religiösen Motivation.

Die einen verzichten in den 40 Tagen vor Ostern auf Süßigkeiten, die anderen auf Fleisch oder Alkohol, wiederum andere lassen das Auto für diesen Zeitraum einfach stehen, holen das Fahrrad aus der Garage oder gehen bewusst zu Fuß. Jeder kann für sich entscheiden, in welchem Bereich er seine Selbstdisziplin testen, für sich selbst ein Zeichen setzen möchte.

Aller Anfang ist schwer …

Aus eigener Erfahrung kann sicher jeder bestätigen: Gerade die ersten Tage des Fastens und Verzichtens sind schwierig, wenn die Gedanken um die leckere Schokolade kreisen, die noch im Küchenschrank liegt, oder den guten Rotwein, den Freunde beim letzten Besuch mitgebracht haben. Aber wir gewöhnen uns an den neuen Zustand, akzeptieren die Situation – und es geht noch einen Schritt weiter. Seinen Bedürfnissen nicht nachzugeben, stärkt von innen heraus, verleiht das Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit. „Ich entscheide, ich habe die Kontrolle und ich schaffe das!“

Es macht stark, auch einmal „nein“ zu sagen.

Wer mit diesem positiven Gefühl das Haus verlässt und dann das Auto vor der Tür stehen lässt, sich zu Fuß zum Büro aufmacht, den Sonnenaufgang bewusst erlebt, den Duft des Frühlings einatmet, der empfindet den Verzicht als einen einzigen großen Gewinn: für das eigene Wohlbefinden, für die Umwelt und für den Geldbeutel.

Wieso besitzen wir Dinge, die wir nicht nutzen?

Rund 10.000 Dinge, sagt die Statistik, habe der Durchschnittseuropäer in seinem Besitz. Vor 100 Jahren waren es in einem durchschnittlichen Haushalt noch wenige Hundert. Heute gehören zu einem Haus mit vier Personen nicht selten zwei oder drei Autos, im Garten finden sich Spielgeräte jeder Art. Der Blick in den eigenen Keller genügt oft, um kopfschüttelnd und entnervt den Raum zu verlassen, überfordert von den vielen Dingen, die sich in den Regalen stapeln. Unüberschaubar ist das Angebot in den Supermärkten, deren Mülltonnen gefüllt mit Lebensmitteln sind, die nicht mehr verkauft werden können. Die Liste mit Bildern des materiellen Überflusses könnte beliebig verlängert werden.

Da es einem großen Teil der Bevölkerung finanziell „gut geht“, viele Dinge augenscheinlich preiswert angeboten werden, ist die Versuchung groß, auch mal etwas „mitzunehmen“, ohne es später zu nutzen. Was wir wirklich benötigen oder wollen, darüber machen wir uns gar nicht so viele Gedanken. Es geht oftmals darum, das Produkt zu haben, weil es jemand anderes hat, weil man es in der Werbung gesehen hat, weil es das Leben verbessern soll oder einfach nur, weil es eben günstig ist. Dabei geschieht es, dass wir uns zum Beispiel einen neuen Laptop leisten und das Gerät stolz und zufrieden nach Hause tragen. Doch spätestens nach einer Stunde, wenn die Installation der Programme nicht so reibungslos verlaufen wie erwartet, nimmt der Gegenstand so viel unserer Zeit in Anspruch, dass aus dem Geschenk an uns selbst ein kleines Ärgernis wird.

All die Dinge, die wir anhäufen und unseren Besitz nennen, belasten und kosten uns Zeit.

Pilger Magazin Reise durch das Leben

Der Text ist erstmals in „der pilger – Magazin für die Reise durchs Leben“ erschienen.

Konsumbedürfnisse und Zeitmangel – ein Teufelskreis

Niko Paech, Wirtschaftswissenschaftler und ein Vordenker in Sachen Postwachstumsökonomie, sieht immer mehr Menschen „fest im Teufelskreis aus Konsumbedürfnissen und Zeitmangel“ gefangen. Er macht Mut, „den Ballast abzuwerfen, der unser Leben verstopft, Geld und ökologische Ressourcen kostet“ – und zusätzlich noch Lebenszeit.

Zeit ist ein Gut, das wir nicht vervielfachen können und das uns an allen Ecken und Enden fehlt. Die uns zur Verfügung stehende Zeit reicht nicht aus, um die vielen Dinge, die wir besitzen, überhaupt zu gebrauchen – um Nutzen, Entspannung oder Genuss daraus zu ziehen. Hand aufs Herz: Liegen bei Ihnen auch die tollen Inlineskates in der Garage, mit denen Sie nur einmal gefahren sind? Und das Kochbuch, das Sie zumindest mit kleinen Zetteln versehen haben, für die Gerichte, die Sie einmal ausprobieren wollen? Was für einen Sinn macht es, Dinge zu besitzen, die nicht genutzt werden?

downshifting fastenzeit

Auch kleine Beiträge schützen und erhalten die Welt

Wertvolle Güter sorgen für Anerkennung und Bestätigung von außen. Ein teures Auto ist in den Augen vieler Menschen sicher prestigeträchtiger, als sich bewusst dafür zu entscheiden, vorwiegend das Fahrrad zu benutzen. Anerkennung von außen gibt es für nachhaltiges Verhalten selten, dafür aber die Erkenntnis, etwas Richtiges und Notwendiges zu tun, einen kleinen Beitrag zu leisten, die Welt in ihrer Einzigartigkeit und Schönheit zu schützen und zu erhalten. Dann fällt es leichter, nicht neidisch auf diejenigen zu schauen, die auf der Dachterrasse einen Whirlpool installiert haben oder für ein Wochenende nach Paris zum Einkaufen fliegen.

Zweifel tauchen sicher immer wieder einmal auf und die Frage nach der Sinnhaftigkeit eines bewussten, auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Lebensstils. Die Umweltorganisation Greenpeace gibt uns zur Erklärung bestimmter, notwendiger Verhaltensweisen anschauliche Fakten an die Hand, die durchaus einen Motivationsschub geben können: Wer auf einen Flug nach Mallorca verzichtet, rettet zwei Quadratmeter Packeis – die Eisbären werden sich freuen.

Wer sich statt eines Hin- und Rückflugs von Hamburg nach München für eine Bahnfahrt entscheidet, erspart der Atmosphäre eine viertel Tonne CO2, die Menge, die ein Nepalese in einem ganzen Jahr verantwortet. Auch wenn die eigenen kleinen Schritte und Maßnahmen erst nur wie Tropfen auf dem heißen Stein erscheinen, viele Tropfen ergeben auch einen Liter. Es lohnt sich also immer, an jedem Tag, das eigene Verhalten zu hinterfragen.

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Erfahren Sie am Freitag, 8. April, in Teil 2 des Artikels, warum uns das Verzichten so schwer fällt, und warum die Fastenzeit ein guter Anlass ist, uns zu fragen: Was brauche ich für ein gutes Leben?

Fotos: © Stefan Weigand


Steffi Piening

Mit Menschen zu sprechen, die etwas bewegen wollen, die sich für eine Sache begeistern und andere mit ihrer Energie und ihren Ideen inspirieren ­- das ist eine der schönsten Seite an ihrem Beruf. Steffi Piening hat Publizistik studiert und ist Chefredakteurin des Magazins „der pilger – Magazin für die Reise durchs Leben“.  

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